Vielseitig oder orientierungslos?
Diese Frage stellt sich mir unter anderem in der Rückschau
und auch der Prognose meines Lebens, vor allem in Anbetracht der
Systemimmanenten Anforderung an den einzelnen Menschen, also auch an mich,
angesichts der Eigenverantwortung für mein eigenes und das Leben all derer die
von meinem betroffen sind. Da muss man natürlich fragen wer genau das ist und
ob sich dieser Einfluss des Einzelnen tatsächlich begrenzen lässt auf
beispielsweise die Familie und all jene, mit denen man in direktem Kontakt
steht oder ob der Einfluss des Einzelnen nicht immer auch Wellen schlägt und in
unüberschaubare Bereiche hineinwirkt, besonders in einer digitalisierten und
vernetzten Welt.
Und bereits hier, bei der Wortwahl „vernetzt“ fällt bei
genauerer Betrachtung auf, dass dies kein neuer Begriff ist, der erst mit der
digitalen Vernetzung entstanden ist, denn vom sozialen Netzwerk hat man auch
schon vor der allgemeinen Verfügbarkeit des Internets gesprochen und natürlich
ist der Mensch seit jeher auf Netzwerke angewiesen gewesen. Es scheint also als
hätte sich lediglich die Geschwindigkeit des Datenaustauschs verändert und
nicht etwa eine völlig neue Entwicklung stattgefunden. Die Rahmenbedingungen
sind anders, die Möglichkeiten des Einzelnen vielseitiger und vielleicht
mächtiger, einflussreicher. Dennoch kann man ja auch im Internet dieselben
menschlichen Züge wiederentdecken die im sozialen Umgang „face to face“ schon
immer präsent waren, wenn sie auch anders verschlüsselt oder verborgen wurden
und werden, aus unterschiedlichsten Gründen. Zum einen weil die direkte
Erfahrung einer Konsequenz nicht durch die abgeschottete Situation und das
Verbergen hinter falschen Profilen, Avataren und Namen im drei dimensionalen
Raum des Lebens vermieden werden kann, zum anderen auch deshalb weil Gestik und
Mimik, die Körpersprache in der Welt der online Kommunikation wegfallen. Das
ist allerdings auch im Postalischen Schriftverkehr der Fall.
Es gilt also ein vielschichtiges Problem oder Phänomen
gezielt auf bestimmte Bereiche zu durchleuchten, das ist sicher nicht in einem
Blog Beitrag umfassend möglich, wahrscheinlich auch gar nicht erforderlich, da
es sicher hunderte wissenschaftlicher Untersuchungen bereits gibt und die
online Recherche dazu umfassendes Material liefern sollte. Man denke nur an bereits
verfügbare Studiengänge wie die Sozioinformatik.
Also zurück zu meinem Ausgangspunkt der mich ganz persönlich
betrifft und beschäftigt:
Meine Systemqualifikation und wie sie zu betrachten oder zu
bewerten ist.
Die ganze Problematik dieser Fragestellung hat für mich
persönlich natürlich vielseitige Facetten und führt in ihrer Bewertung als
Problematik auf unterschiedlichste Erfahrungsschlüsse und Schlüsselerlebnisse
zurück. Wir Menschen haben die Angewohnheit uns selbst und unser eigenes
Schicksal als einzigartig zu betrachten und das ist es ja in gewisser Weise
auch. Allerdings sind die Konsequenzen unserer erlernten Verhaltensmuster eben
nicht einzig auf uns selbst beschränkt sondern bedingen sich durch und finden
sich in den Reaktionen und Beeinflussungen unseres Umfeldes wieder. Der Prozess
der Anpassung und der Manipulation und das Reagieren auf die Reaktionen anderer
sind ununterbrochen durch unser eigenes Verhalten und Denken mitbestimmt. Und
daher ist jede Situation in der wir uns gegenwärtig wiederfinden eine die von
uns selbst in gleichem Maße mitgestaltet wurde wie durch andere oder eben – und
das ist der Knackpunkt – durch unsere Wahrnehmung und Interpretation ihres
Verhaltens. Das Denken, die innere Gedankenwelt und damit die Motive und
Vorhaben anderer können wir eben immer nur interpretieren und nicht wie bei uns
selbst direkt einsehen und analysieren. Das fatale ist, dass wir diese
Möglichkeit der direkten Einsichtnahme und Selbstanalyse unserer eigenen
Gedanken, Motive und Gefühlsregungen eben so wenig nutzen und unsere Reaktionen
emotionaler und scheinbar rationaler Beweggründe als gegeben und unveränderbare
Natur unserer Persönlichkeit hinnehmen. Dadurch werden wir hilf- und willenlose
Opfer unserer eigenen Programmierung und verbauen uns die Sicht auf das
tatsächliche Geschehen und Vorgehen, innerlich und äußerlich, das notwendig
wäre um unseren Entscheidungen das Potential einer vernunftbegabten Spezies in
mündiger und auch das Gemeinwohl anerkennender Weise zukommen zu lassen. Unsere
Reaktionen aber, so und hier vor allem auch meine eigenen, sind in hohem Maße
von dem Bedürfnis der Leidvermeidung bestimmt, ohne dass wir uns darüber im Klaren
wären woher dieses „Leid“ überhaupt kommt und wodurch es entsteht, ob wir tatsächlich
selbst mit der jeweiligen Situation im Unreinen sind oder uns das eben
lediglich eingeredet und einprogrammiert wurde.
Meine immer wiederkehrende Unzufriedenheit mit meiner
Lebenssituation heute, mit fast vierzig Jahren, ist mit großer Sicherheit durch
eine solche selbst zugelassene und durch Ignoranz und Unwillen mich selbst zu
durchleuchten verursachte Programmierung entstanden. Denn tatsächlich ist meine
Lebenssituation eine vergleichsweise hervorragende, die mich mit vielen
Freiheiten und Möglichkeiten ausstattet.
Habe ich „Depression“?
Doch unmittelbar nach der Einsicht in diese Tatsache lasse
ich Gedanken zu die diese Sicht auf die Gegebenheiten trüben, wie zum Beispiel
mein Alter, da ich mich nicht mehr als jung genug betrachten kann/will um neue
Dinge zu beginnen, um mich leidenschaftlich einer Sache zu widmen oder um mir
selbst neue Dinge beizubringen. Die Vorstellungen und Projektionen reichen
dabei weit in die Zukunft und zeichnen einen Lebensweg der natürlich allein auf
meinen derzeitigen Erfahrungen und Erlebnissen als auch auf meiner ganz
persönlichen Interpretation dieser beruht. Dadurch blockiere ich meine Sicht
auf die tatsächlichen Gegebenheiten, mein Befinden, mein Potential, meine
Möglichkeiten und natürlich auch die Nutzung des Verstandes im Sinne einer
praktikablen Ausrichtung meiner Entscheidungswerte an den Prinzipien für die
ich stehe, stehen kann und will, nämlich dem was das Beste ist für das Leben
als Eins, also für alle. In meinem Umfeld werden diese Phasen der
Unzufriedenheit natürlich mit Bedauern aufgenommen und nicht selten ist man
auch genervt oder verärgert, was natürlich verständlich ist. Diese Reaktionen
wiederum führen dazu, dass ich mich vor mir selbst und den anderen zu
rechtfertigen versuche und ein systemlegitimer Umgang mit dieser emotionalen
Unmündigkeit ist die „Diagnose“, die Wandlung des Symptoms in eine Ursache,
letztlich in die einzige Ursache des eigenen Verhaltens. Somit wird das, was
eine Konsequenz mangelnder Selbstreflexion und Analyse, also
verantwortungsloser Ignoranz gegenüber den Faktoren der Selbstbestimmung ist,
in der Rechtfertigung zur Ursache gemacht, zu einer imaginären, invasorischen
Einheit der man zum Opfer gefallen ist und auf deren Verlauf man kaum einen Einfluss
habe. Die Depression ist dafür bekannt, dass sie einen fremdbestimmten Umgang
mit den persönlichen Lebensproblemen und dem Leidensdruck fördert der es einem
ermöglicht die Ursachen und auch die eigene Verantwortlichkeit für sich selbst,
als auch für das gesellschaftliche Leben zu externalisieren. Reine
Symptombekämpfung und Unterdrückung sind die Folge. Sogenannte Behandlung mit
der Hammerschlagmethode. Überall dort wo die Konsequenzen und Auswüchse der
eigenen Unmündigkeit, der Verantwortungslosigkeit und dem lachsen Umgang mit
den eigenen Persönlichkeitsstrukturen zum Vorschein kommen wird mit aller
Gewalt draufgeschlagen, wobei die alles überdeckende Schicht, die Fassade die
das nach außen getragene Bild darstellt immer dünner und brüchiger wird. Wir
wissen sehr genau, dass man Symptome nicht erfolgreich verdrängen kann, ohne
die Ursachen jemals zu berühren. Wir wissen, dass wir durch Unterdrückung und
das Hinausschieben keine Probleme Lösen und die Auswirkungen dieser nur noch
vergrößern. Dennoch ist es oder scheint es ein leichter, schneller Weg zu sein
zumindest kurzfristig mit den Problemen fertigzuwerden. Und darauf sind wir ja
alle gepolt in unserer Gesellschaft, schnell wieder zu funktionieren, mit allem
„fertig“- zu werden, für alles eine schnelle, effiziente Lösung parat zu haben.
Doch so funktioniert das nicht, und auch das wissen wir genau. Nichts hat sich
geändert, keine Behandlung von sogenannten Depressionen hat bisher eine Lösung
des Problems herbeigeführt und dort wo ein „Patient“ durch kontinuierliche
medikamentöse Sedierung dem Glauben der Heilung anheimgefallen ist kommen zehn
neue Fälle depressiver Personen nach.
Weiter zu meinen persönlichen Gedanken, Projektionen,
Ängsten und emotionalen Schlüsselreizen:
Die Ursachen dieser gedanklichen Projektionen sind nur
bedingt in meinen Erfahrungen und Erlebnissen selbst zu suchen, beispielsweise
in wiederkehrenden Enttäuschungen und Momenten des Versagens. Denn diese
Erfahrungen selbst sind nichts Außergewöhnliches und jeder Mensch hat sie. Tatsächlich
sind die unmittelbaren Schlüsse die man in dem Moment des Erlebens zieht und die
man dann als diese emotionale, audiovisuelle, sensorische Momentaufnahme
abspeichert, die relevanten Schlüsselmomente auf die es ankommt und durch die
man in späteren Erlebnismomenten eben diese passenden Schlüsselreize zu
erkennen glaubt, wodurch sich die emotionale, gedankliche und biochemische
Drogenkiste öffnet, ohne dass man sich dessen bewusst wäre. Ein „Bauchgefühl“
schleicht sich ein, eine Ahnung und etwas das man leicht und gerne mit
Intuition verwechselt, was aber im Grunde nichts weiter als ein halbbewusstes Erinnern
ist, ein Aufrufen bestimmter Reaktionsmuster in einer Art Routine nach der man
dann funktioniert.
Offenbar muss man aber nicht einmal tatsächlich ein solches
Erlebnis haben um in der
vorprogrammierten Weise zu „reagieren“ ohne bewusst zu agieren, denn dieselben
Ahnungen, Befürchtungen und andere gedankliche Hemmnisse werden eben auch
während der Vorstellung von Zukunft, also durch rein imaginäre Projektionen der
Gedanken ausgelöst oder erwartet, so dass man sich selbst die Erlebnismomente gar
nicht mehr „gönnt“ sondern sie eher vermeidet, weil man glaubt all das schon
erlebt zu haben oder eben abschätzen zu können, was sich daraus entwickelt.
Natürlich ist diese Funktion des intelligenten Bewusstseins
nicht per se ein Hemmnis oder in
irgendeiner Weise einseitig negativ zu bewerten. Wenn man beispielsweise die
Erfahrung macht, dass das Berühren von Feuer zu schmerzhaften Verbrennungen
führt und daraus den Schluss zieht, dass das wohl in jedem Fall dasselbe
Resultat zur Folge hat, so ist das natürlich ein sinnvolles Hemmnis das man
sich selbst damit auferlegt wenn man nicht mehr in offenes Feuer greift. Doch
sind diese offensichtlichen Dinge hier nicht gemeint und es sei nur am Rande
erwähnt, dass es auch nicht um das Vermeiden solcher Gedankenstrategien,
Schlussfolgerungen und Ahnungen geht, und im Besonderen nicht um eine Bewertung
dieser Muster. Es geht lediglich darum, mich selbst in jedem Gedanken, in jeder
Emotionalität, in jeder Reaktion verstehen zu können, erkennen zu lernen wo ich
selbstbestimmt teilnehme an meinen eigenen Verhaltensmustern und wo ich mich
ohne eigenverantwortliche Kontrolle durch meine eigenen, selbst zugelassenen
Programme bestimmen lasse. Die Frage nach dem Grund ist ganz einfach: will ich
mich selbst als eigenständigen, verantwortungsbewussten, vernunftbegabten und
vertrauenswürdigen Mensch unter anderen Menschen bewegen, muss ich für mich
selbst - also mein Handeln in jedem Moment gerade stehen und Verantwortung auch
übernehmen können. Das ist eben nur dann konfliktfrei und ohne die Gefahr des
Selbstbetruges und der ignoranten Vermeidung eigener Selbstreflektion möglich,
wenn ich mich stetig darum bemühe mich und mein Innenleben zu verstehen um überhaupt
erst in mündiger Weise entscheiden zu können ob ich eine Reaktion zulasse, ob
ich mich aus einem selbstbestimmten und bewussten Antrieb für oder gegen etwas
entscheide, welche Konsequenzen jedwede Entscheidung für mich und andere hat
oder sehr wahrscheinlich haben könnte und ob ich letztlich vor mir selbst in
aufrichtiger Selbstehrlichkeit für diese Konsequenzen gerade stehen kann.
Es ist im Grunde nicht
schwer zu erkennen, dass eine der am häufigsten verbreiteten und am besten
entwickelten Vermeidungstaktiken menschlicher Persönlichkeit in unserer Welt
die Externalisierung der Verantwortung ist. Die Projektion sozusagen, die
jedwede persönliche Enttäuschung und Niederlage, jedes Versagen oder jeden
Mangel den man verspürt äußeren Umständen und dem Verhalten anderer Menschen
zuschreibt. Das ist sozusagen zu einem Dogma geworden, das überhaupt nicht mehr
hinterfragt wird. Ich kann behaupten, dass ich dieses Dogma für mich selbst in
vielen Bereichen meiner Persönlichkeitsstruktur bereits auflösen konnte und
dass es kaum einen anderen Weg gibt, seine eigenen Freiheit und
Selbstbestimmung zu erlangen, als sich eben dieser Eigenverantwortung in allen
Bereichen des Lebens zu stellen.
Unsere Welt ist voll von institutionalisierter
Verantwortungsübertragung und das ist nicht ohne Grund so. Denn das, wovor wir
als einzelne am meisten Angst haben, und dazu zählt bedauerlicher Weise in
unserer Zeit die Eigenverantwortung, wäre gleichzeitig der Schlüssel zu Freiheit,
Selbstbestimmung und lösungsorientiertem Gemeinschaftssinn. In der Übernahme
und Anerkennung der Verantwortlichkeit aller am Funktionieren und auch an der
Art und Entwicklung einer Gemeinschaft oder Gesellschaft liegt nämlich ebenso
die Erkenntnis der unabdingbaren Einheit des Lebens, der gegenseitigen
Abhängigkeit und Bedingtheit aller. Erst die Flucht vor der
Verantwortungsübernahme macht die Massenmanipulationen durch Angst, die
missbräuchliche Beherrschbarkeit einer Gesellschaft und ihre Ausbeutung im
Namen des Profits ohne Rücksicht auf Verluste möglich. Eine derart
widersinnige, gegen unsere eigene Existenz, gegen unser eigenes Potential als
Menschen und gegen den Intellekt an sich gerichtete Lebensstrategie die wir als
Gesellschaften heute und seit ewigen Zeiten verfolgen ist eben nur durch
gezielte, grundlegende Manipulation unserer eigenen Selbsterkenntnis überhaupt
möglich und Umsetzbar. Die Institutionen sind vielfältig und in allen
Lebensbereichen anzutreffen. Übergeordnet ist der Staat, dann folgen
institutionalisierte Verwaltungsapparate, die Justiz, die Exekutive Gewalt, die
Versicherungen, doch letztendlich steckt hinter all diesen Abteilungen die
mächtigste Institution, nämlich das Geldsystem, repräsentiert durch die
Wirkungskräfte der Industrie, der sogenannten Wirtschaft, die eigentlich immer
eine Misswirtschaft ist.
Wir haben als einzelne Individuen, als Bürger, als
Arbeitnehmer, als Eltern immer genügend Möglichkeiten uns selbst in die Nischen
treiben zu lassen und an jeder Stelle an der wir mit unserem Lebensweg oder
unseren spärlichen Entscheidungen anecken einen Grund außerhalb unserer Selbst
zu finden, bzw. eine übergeordnete Instanz zur Rechenschaft zu ziehen. Auch
wenn das zunächst positiv klingen mag, so ist diese Rechenschaft doch in aller
Regel ein fauler Kompromiss, eine kurzzeitige Einbildung der Zufriedenstellung,
oder aber wo ich schon Versicherungen angesprochen habe, ein Kämpfen um eine
Wiedergutmachung im Zuge derer man mehr und mehr zum wiederholten Male Opfer
wird. Hier wird sicher immer wieder das Argument der gesetzlichen
Krankenversicherungen angebracht um die Positive Seite dieses Systems zu
unterstreichen, aber auch wenn diese Idee eine gute zu sein scheint muss man nicht
lange an der Oberfläche kratzen bis schließlich zum Vorschein kommt, dass die
zahlende Seite der Absicherung nur einen sehr kleinen Teil des gesamten
Gesundheitssystems ausmacht und dass die Manipulation, die nutzbar-Machung und
die Ausbeutung der betroffenen als profitable Ressource innerhalb der
Maschinerie des gesamten Gesundheitssystems geschickt eingewoben und verpackt
sind und der „Nutzer“ dieser Versicherungen, der ja auch nicht in unerheblichem
Maße hineinbezahlt, dafür an anderer Stelle, wo er es nicht direkt merkt oder
einfach der institutionalisierten Autorität der Medizin unterworfen ist,
doppelt und dreifach gemolken wird, wenn erst einmal in das Mahlwerk geraten.
Mal ganz davon abgesehen, dass natürlich eine Gesellschaft die die Ausbildung
von Pflegern, Pharmazeutikern, Ärzten und Forschern mit trägt und ermöglicht
selbstverständlich die Resultate auch als Allgemeingüter behandeln sollte.
In anderen Bereichen sieht es aber ebenso düster aus, wenn
wir unsere Eigenverantwortung leichtfertig aufgeben und nach Lösungen unserer
eigenen Probleme durch andere suchen lassen, anstatt dort nach Veränderung zu
suchen, wo wir tatsächlich selbst einen direkten Einfluss haben. Was für eine
idiotische Verhaltensweise, wenn man mal angestrengt darüber nachdenkt. Mensch,
was ist aus dir geworden und was könntest du sein muss man sich da fragen.
Kürzlich habe ich einen Beitrag gelesen in dem es um die
Ausbeutung von Gefängnisinsassen in verschiedenen Produktionsbereichen ging.
Das Problem ist bekannt, ebenso die Resultate der Privatisierung solcher “Anstalten“
zur Profitgewinnung. Doch was mich an diesem Beitrag am meisten in Erstaunen
versetzt hat waren die Kommentare und Diskussionen der Leser unter dem Bericht.
Denn hier wird ganz deutlich wie sehr wir uns von der Eigenverantwortung für
die und als die Gesellschaft entfernt haben. Die Äußerungen auf die ich
anspiele sind die, die eben diese Ausbeutung, und nichts anderes ist diese
Verfahrensweise, da den Insassen nicht einmal ein Mindestlohn für ihre Arbeit bezahlt
wird, zu rechtfertigen versuchen, indem sie mit den enormen Kosten einer
Unterbringung von Gefangenen argumentieren und sich zu beschweren versuchen,
dass diese von ihren Steuern getragen werden. Was das zeigt ist, dass man sich
von allem was unangenehme Konsequenzen in einer Gesellschaft hat und wofür man
sich anstrengen müsste um eine Lösung herbeizuführen, also eben alles was
Arbeit macht und mir selbst keinen Vorteil, zumindest keinen direkten verschafft,
am liebsten ausgeklammert wird und in den Augen der Menschen beseitigt und
ignoriert werden sollte. Die Gesellschaft produziert Verbrechen, die
Entwicklung eines Menschen und seine Entscheidung Gesetze zu brechen ist eine
Konsequenz unseres Umgangs miteinander und der rücksichtslosen und oftmals
widersinnigen Umgangsweise mit dem Menschen und seinen Bedürfnissen. Die
Verantwortung für Verbrechen tragen wir alle gemeinsam als Gesellschaft. Daher
ist es unsere Pflicht für die Konsequenzen gerade zu stehen und ein mündiger
Bürger mit Verstand und Verantwortungsbewusstsein würde auch dafür gerade
stehen, so lange bis die Ursachen in gemeinschaftlicher Anstrengung gefunden
und bereinigt sind. Doch die Ursachen sind vielschichtig, multifaktoriell und
haben immer etwas mit dem eigenen Tun und der eigenen, ganz persönlichen
Teilnahme am gemeinschaftlichen, gesamtgesellschaftlichen Leben zu tun. Da
möchte der Einzelne eben ungern drin herumstochern.
Ein weiteres Beispiel dieser Ignoranz gegenüber
grundlegenden Lösungsmöglichkeiten durch persönliches Engagement, durch Einsatz
für Veränderungen im System, sind die Fälle von Suizid in unserer Gesellschaft,
die Fälle in denen Menschen nicht nur zu lebendigen, mitlaufenden Opfern ihrer
eigenen Ignoranz, sondern tatsächlich zu Menschenopfern unserer
Verantwortungslosigkeit werden. Die Symptome die wir real feststellen, die
sogenannten Fälle von Depression, sind
natürlich nicht von jetzt auf gleich zu beseitigen und müssen auch
behandelt werden. Das Leid dieser Menschen muss zunächst gemildert werden,
gegen diese Form der Symptombehandlung ist ja auch überhaupt nichts
einzuwenden. Doch muss sie eben unter der Prämisse der temporären Linderung
erfolgen und darf nicht als Heilung betrachtet werden. Man hört und liest immer
wieder die Aussagen aus dem persönlichen Umfeld von Suizid Opfern, dass diese
Menschen vor ihrer Tat einen so ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck gemacht
hätten und somit auch niemand mehr mit einem derart drastischen Entschluss
gerechnet habe. Nun weiß man aber heute sehr genau, wie eine solche suizidale
Phase in der Regel verläuft und dass gerade diese Endphase der Ausgeglichenheit
im Besonderen alarmierend sein müsste, da sich die Menschen genau dann ernsthaft
und fest zu einem Selbstmord entschlossen haben. Genau aus dieser
Entschlossenheit resultiert eben die Ruhe und scheinbare Entspannung des
Gemüts. Das ist nicht schwer zu verstehen oder nachzuvollziehen, warum also ist
dieses „Wissen“ nicht verbreitet? Warum sind solche grundlegenden Elemente der
Psychologie nicht Teil der Ausbildungsinstitute? Warum kann jeder Heilpraktiker
diese Dinge in seinen ersten Lehrwochen erfahren, aber kein Schüler wird je
tatsächlich über Erkenntnisse der Psychologie, also letztlich über die
Funktionsweise der eigenen Psyche aufgeklärt? Warum ist Religion, die
fadenscheinigen Aberglauben und reine Hoffnungen unterrichtet an den Schulen
ein gängiges Fach, Psychologie aber eher exotisch?
Weil man Machtgefälle schafft, um einen Beruf ausüben zu
können der letztlich aus der Unwissenheit vieler Profit schlägt. Wir erkennen
es ja heute in stetig steigendem Maße, dass eben die Berufszweige, die dem Wohl
der Gemeinschaft und des Zusammenlebens dienen und seine Entwicklung fördern sollten
mehr und mehr bedroht sind durch das zunehmende Allgemeinwissen, durch das
Verbreiten von Informationen auf digitalisierten Wegen. Diese Institutionen,
die über Jahrhunderte elitäres Wissen benutzt haben um sich persönlich zu
bereichern an dem Unwissen der Masse, die Ärzte, Psychiater, Professoren, sind
nur aus diesem missbräuchlichen Prinzip heraus zu solcher „Anerkennung“
gelangt. Ich setze „Anerkennung“ bewusst in Anführungszeichen, denn tatsächlich
ist diese keine wirkliche Anerkennung im Sinne der Achtung oder des Respekts
aufgrund moralischer Betrachtung, sondern eine Anerkennung aus
Unterlegenheitsbewusstsein, aus der aus Abhängigkeit geborenen Angst und der
Ungleichheit ihrer wirtschaftlichen Stellung gegenüber der der der
„Gewöhnlichen“. Es ist eine Mystifizierung des Berufsstandes, die in der
Wirklichkeit allein aufgrund des Geldes repräsentiert wird und wurde.
Ich glaube keineswegs, dass es keine spezialisierten
Berufsgruppen geben sollte oder muss, das wäre unlogisch und unsinnig. Ich
spreche nur von der Art und Weise wie diese systematisch umgesetzt sind, und
diese ist schlicht und einfach inakzeptabel. Grundlegendes Wissen in diesen
Bereichen muss der gesamten Gemeinschaft verfügbar gemacht werden, vor allem in
psychologischer Hinsicht. Grundlegende Informationen müssen kompetent in der
schulischen Ausbildung vermittelt werden, um einen mündigen Umgang auch mit den
Ärzten, mit dem Gesundheitssystem im Ganzen jedem zu ermöglichen. Das allein ist
natürlich noch keine Lösung, denn die Angst vor der Eigenverantwortung
verhindert diesen Umgang weiterhin, da müssen dann andere Strategien der gesellschaftlichen
Bildung greifen. Doch ist dies eine Maßnahme die Notwendig wäre. Wenn diese
Gemeinschaft die Ausbildung, die Forschung, die Entwicklung im medizinischen
Sektor durch ihre Arbeit mit unterstützt, so haben alle gleichermaßen ein Recht
auf direkten Zugang zu den erlangten Informationen. Das erschließt sich dem
gesunden Menschenverstand nahezu automatisch. Allein das Dogma der
profitorientierten Ausbeutung aller Ressourcen, den Menschen und sein
Bewusstsein inbegriffen, verhindert diese fruchtbare Nutzung des menschlichen
Potentials im Sinne des Gemeinwohls.
Es ist erstaunlich, dass stattdessen ermüdende Debatten über
den Weg aus der Depression über medikamentöse Behandlung, Modifikation und
Training des Verhaltens, also quasi über Dressur geführt werden, und dadurch
die Probleme an der Wurzel dieser Entwicklungen Gelegenheit bekommen unbemerkt
immer weiter zu wuchern. Depression mag ein Krankheit sein, und wer sie erlebt
hat kaum eine Möglichkeit in dieser Gesellschaft aus eigenem Antrieb zu
entkommen. Allerdings ist die Depression, in welcher Form auch immer sie
auftritt, eine pathologische Entwicklung der gesamten Gesellschaft. Einer
Gesellschaft die den Einzelnen als Image zu vermarkten versucht und jedem
Einzelnen suggeriert er müsse sich selbst anhand bestimmter Modetrends und
Richtlinien vermarkten, sich bewerben und gegen die anderen Durchsetzen um
erfolgreich, zufrieden und glücklich zu leben. Eine Gesinnung die wider die
Prinzipien des Lebens selbst gerichtet ist, die aus einer seit Jahrhunderten
Missverstandenen Idee der natürlichen Auslese aufgrund einer
Wettkampfgesteuerten Evolution heraus entstanden ist. Der Wettkampf mag ein
Wettbewerb sein, auch ein Motor für Fortschritt und Entwicklung, ein Motiv für
Verbesserung, aber er wird in der menschlichen Welt eben verzerrt und zu einer „Highlander“-Ideologie
nach dem Motto „es kann nur einen geben“. Eine Ideologie die letztlich auf
Zerstörung hinauslaufen muss, weil sie der Sinnhaftigkeit beraubt auf einer
Plattform stattfindet, die einen gesunden, ausgeglichenen Wettbewerb, eine
Angleichung der Chancen und Startvoraussetzungen von vornherein ausschließt.
Wir werden gegeneinander ausgespielt und dabei trachtet ganz natürlich jeder
Einzelne nach seinem Vorteil. Allerdings ist diese Ideologie von einer Elite
des Intellektuellen, bzw. Bildungsmäßigen Machtgefälles ausgelegt und
verbreitet worden, um die halbwegs natürlichen Motive des Einzelnen auf eine
Ebene zu bringen, auf der er in seinen Handlungen zwar seinem Antrieb folgt,
sowohl die Schlüsselreize dieses Antriebs aber, als auch die Handlungen zu
denen er sich genötigt fühlt nicht mehr wirkungsvoll im Sinne seines
tatsächlichen, persönlichen Vorteils oder gar dem Vorteil der Gemeinschaft,
sondern eben nur dem Vorteil der wenigen, von vornherein bevorteilten Eliten
wirken.
Ich schweife natürlich in diesem ausführlichen Blog immer
wieder scheinbar von meinen persönlichen Punkten ab, allerdings zeigt diese
Ausführlichkeit ganz deutlich, dass wir eben nicht vereinzelt und isoliert
sind, dass unsere Persönlichkeiten bestimmt werden durch die Einflüsse und
Eindrücke unseres Umfeldes und dass unsere eigenen Handlungen und Reaktionen
Auswirkungen haben auf alle anderen und alles andere. Daher ist diese
Ausführlichkeit auch ganz eindeutig gewollt. Man kann von seinen eigenen
Selbstreflexion fast zwingen auf die Gegebenheiten des eigenen Umfeldes, der
Gesellschaftlichen Strukturen und die Bedingungen menschlichen Zusammenlebens
schließen und umgekehrt. Dahinter steht die eigentlich ganz schlichte, nahezu
banale Einsicht, dass wir Menschen diese Gesellschaft sind, dass wir sie
bilden, tragen und akzeptiert haben, dass wir uns selbst in ihrer Entwicklung und
ihrem Zustand wiederspiegeln. Und genau hier ist eben auch die Einsicht in die
eigenen Bereiche der persönlichen Verantwortlichkeit gefragt, das Akzeptieren
der Mitträgerschaft, der Mitgestaltung und auch die Übernahme der
Eigenverantwortung für das was ist und wie es sein wird.
Dass es aber so unmöglich oder undenkbar erscheint
einzusehen, dass man als Mensch für sich selbst, für die Gemeinschaft und das
Leben nach einem selbst mit verantwortlich ist, das ist das Ergebnis von über
Generationen vermittelter Gehirnwäsche, der ständigen Neuaufbereitung von
Ängsten und der Unfähigkeit der Elterngenerationen für sich selbst und damit
für die Zukunft ihrer Kinder geradezustehen. Wie Lemminge, über deren Verhalten
wir uns so gerne wundern, geben wir Fehler und Ignoranz immer wieder an unsere
Kinder weiter, scheinbar nur um uns selbst nicht eingestehen zu müssen wie
feige und unmündig wir tatsächlich sind. Fatalistisch nehmen wir die Welt, die
Systeme als unabänderbare, fixe Zustände an und glauben es ginge stets nur
darum für uns selbst den gangbarsten Weg zu finden. Genau dieses
Hindurchschlängeln durchs Leben, durch die Jahre, bringen wir unseren Kindern
bei. Und jedes Mal wenn ein Mensch der das Leben als eine solche Ego-Achterbahn
kennengelernt hat vor die Wand fährt macht er die Umstände, die Außenwelt, die
„Anderen“ allein dafür verantwortlich, machen uns zum Opfer unserer eigenen
Angst vor Verantwortung.
Immer wieder habe ich in meiner Vergangenheit einen Weg
gesucht, mich derart in das Leben einzugliedern, dass daraus die ersehnten
Vorteile für mich entstehen. Doch was waren diese Vorteile die ich mir erhofft
hatte, abgesehen von der Deckung meiner Grundbedürfnisse, der Sicherung meines
Lebensunterhalts am absoluten Minimum? Ich dachte die Dinge die ich mir erhoffe
seien Anerkennung von anderen, Respekt, Wertschätzung und das Gefühl gebraucht
zu werden. Doch ich war darin nicht ehrlich zu mir selbst, denn ich wusste
bereits sehr früh, dass all diese Dinge in unserer Gesellschaft, in dieser Welt
in der jeder Einzelne darauf getrimmt ist als Ego die Welt zu benutzen anstatt
an ihr produktiv teilzunehmen, dass all diese Wertschätzung und Anerkennung in
ihrer wahren Form so gut wie nicht existieren. Der Respekt den man hier
jemandem der als erfolgreich gilt entgegenbringt ist lediglich verdeckter Neid
und Wertschätzung hält meist nur so lange an wie der andere sich einen Vorteil
oder einen Profit von dir verspricht. Aber wer ist schuld, wenn täuschende
Erwartungen enttäuscht werden? Wer ist Opfer und wer Täter? Oder gibt es beides
gar nicht?
Das Schwierige bei der Beantwortung dieser Fragen ist, dass
die eigene Ego-Persönlichkeit immer exzessiv nach außen gerichtet ist. Sie
kennt quasi keinen anderen Standpunkt als den vor sich selbst, mit dem
eigentlichen Sein des Menschen im Rücken und dem eigenen Rücken sozusagen an
der imaginären Wand die man um sich aufgebaut hat stehend, nach außen gaffend
und geifernd. Die gesamte Handlungs- und Wesensäußerung eines durch und durch
im ego-Bewusstsein gefangenen Menschen ist ein permanentes Angstbellen. Die
Angst selbst aber wird projiziert in die Wahrnehmung der Außenwelt und dabei
verkennt man zum Einen die Angst selbst als eine Bestätigung der eigenen
Existenz als Ego und zum anderen den wahren Grund dieser Angst, die eine Angst
vor dem Unbekannten des eigenen Selbst ist. Das fatale daran ist, dass durch
diese verzerrte Selbstwahrnehmung natürlich auch jede Wahrnehmung des Äußeren,
des Umfeldes verzerrt und fehlinterpretiert[1]
wird, und zwar immer im Sinne einer Bestätigung der eigenen emotionalen
Angstreaktion. Daher ist es ja auch so einfach den Menschen Angst zu machen.
Die Angst brauchen sie in diesem Zustand nämlich einerseits als aufreibende,
energetisch-gedankliche Bestätigung der eigenen Identität als Persönlichkeit
und zum anderen sehen sie ständig und überall Bedrohungen dieser Identität, was
sie verleitet nahezu alles zu tun um diese Bedrohung auszuschalten, ohne zu
wissen, dass sie sie selbst permanent generieren.
Viel zu oft streicht man sich selbst nämlich völlig aus dem
Kontext aus dem heraus man das Beobachtete oder das Erfahrene interpretiert.
Dabei betrachtet man wiederum sich selbst isoliert vom Umfeld und das Umfeld
isoliert und unabhängig von sich selbst und seinem eigenen Wirken und
vernachlässigt dadurch überaus relevante Aspekte die Teil der
Reaktionsgrundlagen und Motive der „anderen“ sind. Diese Aspekte sind für einen
selbst aber eben genau diejenigen, die der selbstbestimmten Steuerung und
Entscheidung unterliegen und die einem das abverlangen, was man gesunden
Menschenverstand oder die verantwortungsbewusste Benutzung des eigenen
Verstandes nennen könnte. Denn wenn man sich selbst den Tatsachen entsprechend
in die grundlegenden Gegebenheiten der Situation mit einbezieht, dann kann man
nicht länger die Verantwortung für den Verlauf von Situationen den anderen und
den äußeren Umständen zuschreiben, sondern beginnt selbst bewusst einzugreifen
in die eigene Wirkungsweise, unter Berücksichtigung der Reaktionen und
Empfindungen die einem aus dem Umfeld entgegengebracht werden. Man erkennt
auch, dass viele als dogmatisch feststehend geglaubte Ursache-Wirkungs-Beziehungen
tatsächlich gar nicht existieren und ist dementsprechend auch nicht mehr
enttäuscht, wenn sich das Umfeld den undefinierten Wunschvorstellungen der
eigenen, unbedacht dahintreibenden Persönlichkeitsstruktur nicht wie erwartet
anpasst.
Die Welt und das was ist zunächst zu akzeptieren, in allen
Zusammenhängen, nichts abzulehnen oder zu vermeiden zu suchen, das ist der
Ausgangspunkt von dem eine produktive, wirkungsvolle Veränderung gangbar wird.
Und diese Veränderung kann nur dann wahrhaftig sein, wenn sie von dir selbst
ausgeht, von deinem eigenen Sein als gestaltender Teil des Ganzen, als Ursache
und Wirkungsempfänger zugleich.
Und eben das ist es, was ich immer mal wieder aus den Augen
verliere, weil es eben so leicht ist, sich wieder in das alte Gedankenmuster,
das erlernte Paradigma sinken zu lassen. Weil überall die gesamten Strukturen
unserer Gesellschaft derart ausgerichtet
sind, dass man diese Denkmuster aufgezwungen bekommt und das nimmt man in
vielen Bereichen eben auch gerne und dankbar an.
Meine aktuelle Lebenssituation ist eigentlich gar nicht
relevant für mein persönliches Empfinden oder meine persönlichen
selbst-Bewertungen. Es gab unzählige, völlig unterschiedliche soziale und
ökonomische Situationen in denen ich mich gefunden habe und meine Zufriedenheit
oder Unzufriedenheit war immer nur ein temporäres Empfinden, dessen Ursache ich
zwar immer wieder in die Umstände meiner Lebenssituation einzuweben versucht
habe, aber tatsächlich war es nie wirklich von Bedeutung ob ich beispielsweise
finanzielle Schwierigkeiten hatte, ob ich eine Perspektive für meine Zukunft
hatte oder nicht oder ob ich ein gutes soziales Netzwerk hatte. Von Bedeutung
waren einzig und allein meine Gedanken, meine Wertungsgrundlagen, meine
Interpretationen der Wirklichkeit. Und so ist es noch immer. Wann immer ich
meine eigene persönliche Situation mit einem Gefühl des Bedauerns oder der Reue
wahrnehme weiß ich im Grunde, dass es allein meine Ignoranz gegenüber der
Eigenverantwortung für mich und das Leben selbst ist, die dieses Gefühl möglich
macht. Es ist meine Entscheidung, bewusst oder unbewusst.[2]
Wenn ich also diese Empfindungen habe, wenn ich mich selbst
in der Welt, in der Lebenssituation als unzulänglich und unvollständig
wahrnehme, muss ich, wenn ich mich selbst nicht weiter täuschen und hinters
Licht führen will, in dieser emotionalen Lage innehalten und mir vor Augen
führen, welche Gedanken und Interpretationen genau diese Empfindungen
begründen. Und wenn ich diese Gedanken, meist sind es Gedankenmuster, erkannt
habe, dann muss ich sie prüfend hinterfragen, ihre Entstehung verfolgen und mir
vergegenwärtigen, aus welchem Grund diese gedanklichen Schlüsselreize mit einer
emotionalen Ladung versehen sind, die mir diese Empfindung/Stimmung verschafft.
In allen Fällen, in denen man sich zu dieser Selbstarbeit entscheidet, endet
die Stimmung und man sieht und erkennt deutlich, dass man ganz allein
verantwortlich für die Entwicklung dieser Reaktionsmuster ist. Das schließt
natürlich in keiner Weise aus, dass es Momente gibt in denen man eine
emotionale Stimmung auch ganz bewusst zulassen und genießen kann. Es geht aber
hier ja eben um diejenigen Momente oder Phasen, in denen ich mich zum Opfer
einer eingebildeten, äußeren Bedingung mache und mich somit selbst hemme, mich
selbst beschränke in meiner Fähigkeit zu handeln und etwas zu verändern. Diese
Opferhaltung geht gesellschaftlich aus meiner Sicht ziemlich eindeutig einher
mit der Ablehnung der eigenen Verantwortung, der Angst vor der eigenen
Beteiligung am Leben. Dennoch weiß man im Grunde immer, dass diese Beteiligung
unvermeidbar ist, auch wenn wir sprachlich solche Dinge behaupten wie „sich
nicht mehr am gesellschaftlichen Leben beteiligen“ oder „aus der Gesellschaft
aussteigen“. Der uns gegebene und dennoch oft so eingeschränkt genutzte
Verstand aber lässt keine Täuschung zu, was das angeht. Wir können uns niemals
abnabeln von dem was ist, weil wir
ein Teil dessen sind. Wir sind nicht mal wirklich ein Teil, weil im Grunde
alles eins ist, nur das Bewusstsein grenzt sich als eine Entität gedanklich vom
Ganzen ab, weil wir eben lernen so zu denken und uns so zu betrachten.
Das allein ist aber nicht ausreichend, die Erkenntnis allein
ist niemals ausreichend um etwas zu verändern. Das was man zu erkennen meint
ist alles nicht das was sich in den anderen zeigt, sondern das was sich in dir
selbst zeigt. Du sprichst immer nur dich selbst an, und niemals den anderen.
Wieviel davon dein eigenes ist, kannst du eben immer nur
dann erkennen, wenn du bereit bist dich selbst zu durchleuchten. Das ist aber
ein schmerzhafter Prozess, der eben mit enormen Widerständen verbunden ist. Dir
selbst ins Gesicht zu schauen, ohne Widerstände und ohne die Möglichkeit sich
selbst zu maskieren, das ist ein Schritt der von den wenigsten wirklich
geleistet wird und werden kann. Das ist nicht zuletzt der Grund, warum sich in
den menschlichen Gesellschaften nichts ändert, warum sich niemals wirklich etwas
geändert hat, außer die Art der Maskierung.
Fortsetzung folgt!
[1]
Hier muss man natürlich hinterfragen, ob es überhaupt eine korrekte und den
Tatsachen angemessene Interpretation geben kann oder ob nicht alle persönliche
Interpretation eine Anmaßung ist, d.h. sich der Angemessenheit nur annähern
kann.
[2]
Wobei „unbewusst“ auch fälschlicherweise den Eindruck der Unschuld vermittelt.
Tatsächlich ist das „Unbewusste“ ebenfalls ein ganz eigener Bereich der
Verantwortlichkeit und nicht etwa etwas Unzugängliches, dessen Opfer man wird.
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