Freitag, 30. Mai 2014

Tag 170 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 10 "Gewalt" II

Mysealia / Foter / Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0)




Fortsetzung zu

Tag 168 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 9 "Gewalt" I



Wie oft findet man sich in einer Situation in der man verschiedene Reaktions-Optionen durchgeht oder sich zu bestimmten Handlungen gedrängt fühlt, in denen man sich aber stoppt und zwingt etwas anderes, etwas angepasstes, situationsbedingt konformes zu tun? Das passiert ständig, in nahezu jeder sozialen Interaktion mit Menschen. In Gesprächen am Arbeitsplatz, in der Familie und in anderen privaten Bereichen, man handelt nach kulturellen und gesellschaftlichen Normen. Wo bleibt man aber selbst dabei? Wo steht man selbst wirklich? Weiß man das überhaupt? Bleibt eigentlich noch Zeit bei dieser anstrengenden Schauspielerei, den Manipulationen, den Verschleierungen und den Versuchen die Absichten und Erwartungen anderer zu erahnen, dass man sich überhaupt noch selbst wahrnimmt? Und wenn man sich wahrnimmt, wie sicher kann man sein, dass diese Intuitionen, diese inneren Wünsche und Verlangen, das Bedürfnis auf bestimmte Weise zu reagieren und zu handeln nicht auch eine fremdgeprägte Programmierung sind? Und tatsächlich, das meiste davon ist vorprogrammiert, angelegt in den ersten, subtilsten Momenten der Bewusstseinsentwicklung  und der Entstehung des Gedankensystems auf der Grundlage des lebendigen Wachstums unserer körperlichen Existenz. Wir können uns überhaupt nicht auf unsere Ahnungen, Empfindungen, Abneigungen und Vorlieben verlassen, sie sind nicht wirklich unsere eigenen und daher definieren sie auch nicht das eigentliche Selbst.

Die Motive geben einen Hinweis darauf, denn die Motive der Handlungsweisen sind oft sehr kurzfristig orientierte, auf den Moment bezogene Sicherheitsmechanismen. Man versucht unangenehme Konfrontationen zu vermeiden, man versucht das Gegenüber wohlgesonnen zu halten oder aber zu provozieren, je nachdem worin die eigenen Ziele bestehen. Doch bei aller Anstrengung sind die wahren Gründe dieser Ziele, die man als persönliche Ziele wahrnimmt, nicht wirklich ergründet, nicht wahrhaftig klar und deutlich.

Tatsächlich ist es so, dass man bei genauer Überlegung, bei durchdachter Handlung und selbstehrlicher Prüfung der eigenen Motive und Ziele sich immer weiter von jeder Lösung oder Option die Gewalt beinhaltet entfernt. Es kristallisiert sich heraus, dass der spontane Wunsch nach Gewalt, nach einer Handlung die direkten physischen Schmerz und Schaden verursacht, in den allermeisten Fällen eine reine Reaktion ist deren Antrieb man selbst nicht versteht und daher ist man in dem Moment in dem man diesem Impuls folgt weder ein „starker“ Mensch, noch ein Individualist oder ein rebellischer Charakter oder gar ein Held. Man ist nichts weiter als ein Sklave, ein ausführendes Organ das Befehle eines Programms befolgt, dessen Urheber unzählbare Faktoren sind, aber in keinem Fall das Selbst allein. Tatsächlich ist man selbst nicht einmal das ausführende Organ, sondern das Selbst als eigenverantwortliche, eigenständige und verantwortungsbewusste Direktive tritt bei einer solchen Reiz-Reaktion völlig in den Hintergrund und es ist keineswegs so wie allgemein häufig angenommen, dass in dem Moment der spontanen Handlung etwas wie ‚natürlicher‘ und daher auch ‚guter‘ oder zumindest ein legitimierter Instinkt zutage träte und daher die Verantwortlichkeit für diese Instinktiven Handlungen bei einer Instanz wie der Natur oder etwas anderem übermenschlichen, sich unserem Einflussbereich entziehenden läge. Das ist eine religiös verblendete Wahrnehmung die wiederum dem Schutz der ego-Persönlichkeit und der Rechtfertigung der eigenen Untätigkeit dienen soll. Sie ist bei genauerer Betrachtung so überaus lächerlich und heuchlerisch, dass man abgestoßen von sich selbst sein könnte.

Der Wunsch Gewalt auszuüben ist ein Wunsch nach Macht und wie jedes Bedürfnis nach Macht über einen anderen Menschen entspringt dieser Wunsch einer Angst. Der Angst vor Übervorteilung, der Angst davor hintergangen oder ausgenutzt, manipuliert und herabgesetzt zu werden.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 28. Mai 2014

Tag 169 - Prozess der Selbst-Veränderung "Spinnenangst" T1

larsjuh / Foter / Creative Commons Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)




Spinnenangst

Oder Insektenangst sollte ich besser schreiben, denn diese Geschöpfe haben alle eine sehr eindringliche Wirkung auf mich und bis heute ist mir nicht ganz klar, womit das zusammenhängt. Klar, manche Menschen reden von einer angeborenen Angst vor Spinnen oder ähnlichen Insekten, solche die einem Menschen Schaden zufügen können oder die indirekt als Symbole für gefährdende Bedingungen stehen wie Kakerlaken, Läuse, Flöhe etc. Allerdings scheint es mir dafür nicht wirklich beweisbare Grundlagen zu geben, denn es gibt ja durchaus eine Menge Menschen, die ohne besondere Therapien durchlaufen zu haben frei von jeglicher Angst vor Insekten leben.
Gerade habe ich meinen festen Plan unsere Garage zu entrümpeln aufgegeben, weil mir ein beeindruckendes Exemplar einer Spinne begegnet ist. Sie bewegte sich zunächst nicht und ich habe sie leicht erstarrt in ihrem Netz beobachtet. Dann flitzte sie mit unglaublichem Tempo von einer Ecke in die nächste und diese Bewegung brachte mich zu dem Entschluss, die Entrümpelung noch ein paar Tage zu verschieben. Jetzt, da ich hier sitze und darüber nachdenke bin ich enorm beeindruckt, wie stark ich mich selbst manipuliere und einschränke aufgrund der Begegnung oder der eventuellen Begegnung mit einem vergleichsweise sehr kleinen Insekt, das mit Sicherheit keinerlei Interesse an einer Auseinandersetzung mit mir haben dürfte.

Immer wenn ich mich mit dieser Insektenphobie auseinandersetze komme ich zu dem Punkt an dem ich mir weismache, dass im Grunde die Furcht darin begründet sei, dass ich, wenn ich mich frei und unbeeindruckt bewege, ein solches Lebewesen verletzen oder töten könnte. So auch in dem Moment in der Garage, mein erster Gedanke war „weg hier“, und mein zweiter war „wenn ich jetzt hier aufräume, dann töte ich vielleicht mehrere dieser Spinnen versehentlich“ und das will ich natürlich nicht, was mir eine moralisch einwandfreie Entschuldigung dafür gibt der Situation aus dem Weg zu gehen.  Die Behauptung an sich ist dabei auch absolut wahr, ich kann mir tatsächlich nicht vorstellen freiwillig und absichtlich eine Spinne grundlos zu töten, sie einfach „aus dem Weg zu schaffen“. Es ist mir unvorstellbar so zu handeln. Doch ist das allein natürlich nicht der Auslöser oder Grund meiner Angst, denn die tritt sofort ein in dem Moment in dem ich das Gefühl habe einem solchen Insekt zu nahe zu kommen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaube und zulasse mich von einer unergründeten Angst vor Insekten bestimmen und steuern zu lassen, dass ich im Moment der Angstempfindung der Situation mit allen Mitteln aus dem Weg gehe und mich nicht selbstehrlich frage, was genau es mit dieser Angst auf sich hat um mich ihr frei zu stellen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaube und zulasse mich selbst zu belügen indem ich eine oberflächlicher Erklärung und Rechtfertigung für mich gelten lasse der Situation mit Insekten aus dem Weg zu gehen, weil sie in mein Persönlichkeitsbild von mir passt.


Ich bestimme mich selbst als Mensch und als das Leben in Einheit und Gleichheit mit allem Lebendigen in Situationen in denen ich vor Insekten wie beispielsweise Spinnen  mit Angst reagiere mich selbst zu stoppen, durchzuatmen und zu beobachten, welche Gedanken mich bestimmen und in welchem Zusammenhang sie stehen.

Fortsetzung folgt...

Montag, 26. Mai 2014

Tag 168 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 9 "Gewalt" I

familymwr / Foter / Creative Commons Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)




Gewalt I

 Manchmal denke ich, dass Gewalt das einzig wirkliche ist. Der einzige wahrhaftige Akt, der eine ebenso verlässliche Reaktion hervorruft. Eine Reaktion, die nicht erst durch tausende bewusste und unbewusste Filter verzerrt, mit Absichten und Hoffnungen verknüpft wird und die man dann als manipulative Blase aufsteigen lässt, so wie das in dem scheinbar diplomatischen, zivilisierten und intellektuellen Umgang unter Menschen getan wird. Denn tatsächlich ist das einzige durchscheinende Motiv in aller sozialer Interaktionen der jeweilige Selbstzweck. Der eigene Nutzen. Und wenn man sich dabei ‚zurückhält‘, sich an bestimmte Regeln anpasst, dann nur aus einem eigennützigen Grund, weil man weiß, dass die Konsequenzen für einen selbst unangenehmer werden könnten, als der unmittelbare Nutzen. Natürlich spielen auch Bedürfnisse eine Rolle, die wir als äußerst menschlich und „gut“ bezeichnen würden, beispielsweise das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, nach Zuneigung und Anerkennung, nach körperlicher Nähe, nach Sex, aber gerade auch diese Motive für soziale Interaktionen und Überzeugungsarbeit sind zutiefst vom Egoismus geprägt und wir wenden jedes nur erdenkliche Täuschungsmanöver an, um unsere Ziele diesbezüglich zu erreichen. Aber gerade eben diese aufwändige, hinterhältige Manipulation, dieses Blenden mit Worten, manchmal auch mit Erscheinung, all das wirkt auf mich extrem abstoßend, noch viel abstoßender als beispielsweise eine Prügelei, ein Schlagabtausch oder auch eine direkte Bedrohung. Immerhin hat die erpresserische Bedrohung eine gewisse Offenheit, und derjenige der sie ausspricht setzt sich selbst einem angemessenen Risiko aus. Das ist in meinen Augen ein ehrlicher Umgang. Ich will das auf keinen Fall verherrlichen, und warum die Gewalt in unserer Welt ebenso verdreckt, hinterhältig und verwerflich unehrlich geworden ist wie auch die psychologische Gewalt, die Manipulation und auch der Erpresserische existenzielle Zwang, darauf werde ich später noch eingehen. Ich sage allerdings, dass eine körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen, ebenso wie in anderen sportlichen Wettkämpfen oder Betätigungen, durchaus eine progressive Wirkung für die Klärung eines Konfliktes zwischen Menschen oder für die Lösung einer verkomplizierten Situation haben kann.

Jeder, der nur halbwegs geradeaus denken kann weiß, dass es bei keinem Kampf, bei keiner Gewalttätigen Handlung tatsächlich einen Sieger gibt oder geben kann. Das ist auch überhaupt nicht der Punkt. Schlag ich dich heute nieder, kommst du morgen oder in zwei Wochen und hast mehr Glück oder bist stärker, was auch immer. An einem anderen Tag ist jeder in einer anderen Verfassung. Ein Kampf und wie er zu Ende geht hat überhaupt keine Aussagekraft über irgendeinen hierarchischen Status. Es geht nur um den Moment der Auseinandersetzung, die körperliche Betätigung, die Angst, das Adrenalin, die Aktion und Reaktion, den Schmerz. Das ist – oder kann ein Prozess der Selbstreinigung und vor allem der Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls sein.  Und zwar auch dann, wenn man unterliegt.

Was in unserer Welt aus dieser „menschlichen“ Gewaltbereitschaft geworden oder gemacht worden ist, ist ein abscheuliches Verbrechen am Leben. Wir haben diese kleingeistigkeit, diese verängstigte Verbittertheit einer verkrüppelten, selbstsüchtigen und wahnsinnigen Persönlichkeit in unserem Kopf zu den bestimmenden Kräften unserer Taten werden lassen. Die Sucht nach mentaler Selbstbefriedigung durch Konsum aller möglichen Massenwaren und der Kampf um eben diese Ressourcen haben uns zu gefräßigen Zombies werden lassen, die ihren Verstand als Werkzeug zur Ausbeutung, als Methodenfabrik für Betrug und Intrigen benutzen und dabei an nichts als ihre eigene Gefräßigkeit denken. Rücksichtslos und verantwortungslos, frei von jeder Sinnhaftigkeit nutzen wir also unsere „Menschlichkeit“, unsere Fähigkeiten, um durch diplomatisches Geschick unter Vortäuschung humanistisch-moralischer Motive  andere zu benutzen, sie zu übervorteilen, zu hintergehen und sie hinter uns zu lassen um in unserer eigenen kurzen Lebensspanne so viel geistig-mentales Futter in uns hineinfressen zu können wie nur möglich. Das ist unser einziges Interesse geworden, unsere einzige Motivation. Und das ist auch das einzige Prinzip unserer sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systeme, alle gebunden und aneinander gefesselt durch das Geldsystem, das eben genau demjenigen den größten Teil des Kuchens verspricht, der in diesen Disziplinen der geschickteste ist. Mal ganz abgesehen von dem Teil der Menschheit, der aufgrund dieser Systeme jeden Tag einem reinen Überlebenskampf ausgesetzt ist, diese sind natürlich nicht als hinterhältige Personen zu bezeichnen, wenn sie sich Strategien zur Sicherung ihres Überlebens oder dem ihrer Familien überlegen, die unter Umständen auch Gewalt erforderlich machen, sondern dieser Mensch ist in einer Situation in der er handeln muss, also gezwungen ist zur Gewalt zu greifen, und zwar durch die Systeme, die vom Menschen geschaffen und akzeptiert sind, und somit durch eben die Menschen, die sich den größeren Teil des Kuchens bereits ergaunert haben und durch das Festhalten an ihrer Selbstsüchtigkeit diesen Menschen eben genau dazu zwingen, ihn also erpressen und somit diese Gewaltbereitschaft selbst kultivieren. Niemand kann sich von den Auswüchsen unserer selbstgewählten Systematik, unserer Lebensweise freisprechen. Wir haben immer die Möglichkeit unseren Verstand zu nutzen und die Ursachen all unserer Probleme zu erkennen um sie zu beseitigen. Wir können jederzeit damit aufhören und die alten „Werte“ über Bord werfen. 

Wir glauben so gerne, dass wir uns in unserer modebewussten, konsumorientierten, von Ideologien überladenen Gesellschaft so sehr von der Gewalt wegzivilisiert hätten, dass wir „besser“ geworden wären und wir nehmen technologischen oder medizinischen Fortschritt immer gerne als Hauptargument für diese These. Die Wahrheit aber sieht ganz anders aus. Wir haben nicht uns von der Gewalt entfernt, sondern wir haben die Gewalt vor unserer Haustür entfernt, haben sie ausgelagert, ganz weit weg, wo wir sie nicht sehen oder sie aber gedanklich von uns und unserer Wirkung und Mittäterschaft wegdifferenzieren können.  Das System das uns vor der direkten Konfrontation schützt tut dies zum eigenen Zweck der Selbsterhaltung, das Geld das uns vor der Gewalt die wir sähen und andernorts ernten lassen bewahrt ist ein trügerischer Schutz. Sobald die Systematik nach einer „Erneuerung“ verlangt, wird die kriegerische Konsequenz all unseren selbstsüchtigen Denkens und Handelns auch zu uns kommen, dann wird der Schutzwall zerbrechen und andernorts andere Menschen unter anderen scheinheiligen Idealen separieren. Und so wird es immer weiter gehen, so lange bis sich vielleicht nichts mehr aufbauen lässt. Erst wenn wir uns der Wahrheit unserer selbstgewählten und akzeptierten Natur stellen, erst wenn wir akzeptieren was wir geworden sind, können wir daran etwas ändern. Wenn wir den wahren Ursachen all unserer gesellschaftlichen Probleme selbstehrlich und offen auf den Grund gehen, können wir sie auch lösen. Wir müssen aber unsere universale Verantwortlichkeit annehmen, sie akzeptieren. Wir müssen erkennen, dass nicht die Symptome Probleme verursachen, sondern die Ursachen die Probleme sind, und die sind in unser aller Verhalten, Denken und Handeln zu finden. 

Fortsetzung folgt...