Fortsetzung zu
Tag 168 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 9 "Gewalt" I
Wie oft findet man sich in einer Situation in der man
verschiedene Reaktions-Optionen durchgeht oder sich zu bestimmten Handlungen
gedrängt fühlt, in denen man sich aber stoppt und zwingt etwas anderes, etwas
angepasstes, situationsbedingt konformes zu tun? Das passiert ständig, in
nahezu jeder sozialen Interaktion mit Menschen. In Gesprächen am Arbeitsplatz,
in der Familie und in anderen privaten Bereichen, man handelt nach kulturellen
und gesellschaftlichen Normen. Wo bleibt man aber selbst dabei? Wo steht man
selbst wirklich? Weiß man das überhaupt? Bleibt eigentlich noch Zeit bei dieser
anstrengenden Schauspielerei, den Manipulationen, den Verschleierungen und den
Versuchen die Absichten und Erwartungen anderer zu erahnen, dass man sich
überhaupt noch selbst wahrnimmt? Und wenn man sich wahrnimmt, wie sicher kann
man sein, dass diese Intuitionen, diese inneren Wünsche und Verlangen, das
Bedürfnis auf bestimmte Weise zu reagieren und zu handeln nicht auch eine
fremdgeprägte Programmierung sind? Und tatsächlich, das meiste davon ist
vorprogrammiert, angelegt in den ersten, subtilsten Momenten der
Bewusstseinsentwicklung und der
Entstehung des Gedankensystems auf der Grundlage des lebendigen Wachstums
unserer körperlichen Existenz. Wir können uns überhaupt nicht auf unsere
Ahnungen, Empfindungen, Abneigungen und Vorlieben verlassen, sie sind nicht
wirklich unsere eigenen und daher definieren sie auch nicht das eigentliche
Selbst.
Die Motive geben einen Hinweis darauf, denn die Motive der
Handlungsweisen sind oft sehr kurzfristig orientierte, auf den Moment bezogene
Sicherheitsmechanismen. Man versucht unangenehme Konfrontationen zu vermeiden,
man versucht das Gegenüber wohlgesonnen zu halten oder aber zu provozieren, je
nachdem worin die eigenen Ziele bestehen. Doch bei aller Anstrengung sind die
wahren Gründe dieser Ziele, die man als persönliche Ziele wahrnimmt, nicht
wirklich ergründet, nicht wahrhaftig klar und deutlich.
Tatsächlich ist es so, dass man bei genauer Überlegung, bei
durchdachter Handlung und selbstehrlicher Prüfung der eigenen Motive und Ziele
sich immer weiter von jeder Lösung oder Option die Gewalt beinhaltet entfernt.
Es kristallisiert sich heraus, dass der spontane Wunsch nach Gewalt, nach einer
Handlung die direkten physischen Schmerz und Schaden verursacht, in den
allermeisten Fällen eine reine Reaktion ist deren Antrieb man selbst nicht
versteht und daher ist man in dem Moment in dem man diesem Impuls folgt weder
ein „starker“ Mensch, noch ein Individualist oder ein rebellischer Charakter
oder gar ein Held. Man ist nichts weiter als ein Sklave, ein ausführendes Organ
das Befehle eines Programms befolgt, dessen Urheber unzählbare Faktoren sind,
aber in keinem Fall das Selbst allein. Tatsächlich ist man selbst nicht einmal
das ausführende Organ, sondern das Selbst als eigenverantwortliche,
eigenständige und verantwortungsbewusste Direktive tritt bei einer solchen
Reiz-Reaktion völlig in den Hintergrund und es ist keineswegs so wie allgemein
häufig angenommen, dass in dem Moment der spontanen Handlung etwas wie ‚natürlicher‘
und daher auch ‚guter‘ oder zumindest ein legitimierter Instinkt zutage träte
und daher die Verantwortlichkeit für diese Instinktiven Handlungen bei einer
Instanz wie der Natur oder etwas anderem übermenschlichen, sich unserem Einflussbereich
entziehenden läge. Das ist eine religiös verblendete Wahrnehmung die wiederum
dem Schutz der ego-Persönlichkeit und der Rechtfertigung der eigenen Untätigkeit
dienen soll. Sie ist bei genauerer Betrachtung so überaus lächerlich und
heuchlerisch, dass man abgestoßen von sich selbst sein könnte.
Der Wunsch Gewalt auszuüben ist ein Wunsch nach Macht und
wie jedes Bedürfnis nach Macht über einen anderen Menschen entspringt dieser
Wunsch einer Angst. Der Angst vor Übervorteilung, der Angst davor hintergangen oder
ausgenutzt, manipuliert und herabgesetzt zu werden.
Fortsetzung folgt...
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