Gewalt I
Manchmal denke ich,
dass Gewalt das einzig wirkliche ist. Der einzige wahrhaftige Akt, der eine
ebenso verlässliche Reaktion hervorruft. Eine Reaktion, die nicht erst durch
tausende bewusste und unbewusste Filter verzerrt, mit Absichten und Hoffnungen
verknüpft wird und die man dann als manipulative Blase aufsteigen lässt, so wie
das in dem scheinbar diplomatischen, zivilisierten und intellektuellen Umgang
unter Menschen getan wird. Denn tatsächlich ist das einzige durchscheinende
Motiv in aller sozialer Interaktionen der jeweilige Selbstzweck. Der eigene
Nutzen. Und wenn man sich dabei ‚zurückhält‘, sich an bestimmte Regeln anpasst,
dann nur aus einem eigennützigen Grund, weil man weiß, dass die Konsequenzen
für einen selbst unangenehmer werden könnten, als der unmittelbare Nutzen. Natürlich
spielen auch Bedürfnisse eine Rolle, die wir als äußerst menschlich und „gut“
bezeichnen würden, beispielsweise das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, nach
Zuneigung und Anerkennung, nach körperlicher Nähe, nach Sex, aber gerade auch
diese Motive für soziale Interaktionen und Überzeugungsarbeit sind zutiefst vom
Egoismus geprägt und wir wenden jedes nur erdenkliche Täuschungsmanöver an, um
unsere Ziele diesbezüglich zu erreichen. Aber gerade eben diese aufwändige,
hinterhältige Manipulation, dieses Blenden mit Worten, manchmal auch mit
Erscheinung, all das wirkt auf mich extrem abstoßend, noch viel abstoßender als
beispielsweise eine Prügelei, ein Schlagabtausch oder auch eine direkte
Bedrohung. Immerhin hat die erpresserische Bedrohung eine gewisse Offenheit,
und derjenige der sie ausspricht setzt sich selbst einem angemessenen Risiko
aus. Das ist in meinen Augen ein ehrlicher Umgang. Ich will das auf keinen Fall
verherrlichen, und warum die Gewalt in unserer Welt ebenso verdreckt,
hinterhältig und verwerflich unehrlich geworden ist wie auch die psychologische
Gewalt, die Manipulation und auch der Erpresserische existenzielle Zwang,
darauf werde ich später noch eingehen. Ich sage allerdings, dass eine
körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen, ebenso wie in anderen
sportlichen Wettkämpfen oder Betätigungen, durchaus eine progressive Wirkung
für die Klärung eines Konfliktes zwischen Menschen oder für die Lösung einer
verkomplizierten Situation haben kann.
Jeder, der nur halbwegs geradeaus denken kann weiß, dass es
bei keinem Kampf, bei keiner Gewalttätigen Handlung tatsächlich einen Sieger
gibt oder geben kann. Das ist auch überhaupt nicht der Punkt. Schlag ich dich
heute nieder, kommst du morgen oder in zwei Wochen und hast mehr Glück oder
bist stärker, was auch immer. An einem anderen Tag ist jeder in einer anderen
Verfassung. Ein Kampf und wie er zu Ende geht hat überhaupt keine Aussagekraft
über irgendeinen hierarchischen Status. Es geht nur um den Moment der
Auseinandersetzung, die körperliche Betätigung, die Angst, das Adrenalin, die
Aktion und Reaktion, den Schmerz. Das ist – oder kann ein Prozess der
Selbstreinigung und vor allem der Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins und
Selbstwertgefühls sein. Und zwar auch
dann, wenn man unterliegt.
Was in unserer Welt aus dieser „menschlichen“
Gewaltbereitschaft geworden oder gemacht worden ist, ist ein abscheuliches
Verbrechen am Leben. Wir haben diese kleingeistigkeit, diese verängstigte
Verbittertheit einer verkrüppelten, selbstsüchtigen und wahnsinnigen
Persönlichkeit in unserem Kopf zu den bestimmenden Kräften unserer Taten werden
lassen. Die Sucht nach mentaler Selbstbefriedigung durch Konsum aller möglichen
Massenwaren und der Kampf um eben diese Ressourcen haben uns zu gefräßigen
Zombies werden lassen, die ihren Verstand als Werkzeug zur Ausbeutung, als
Methodenfabrik für Betrug und Intrigen benutzen und dabei an nichts als ihre
eigene Gefräßigkeit denken. Rücksichtslos und verantwortungslos, frei von jeder
Sinnhaftigkeit nutzen wir also unsere „Menschlichkeit“, unsere Fähigkeiten, um
durch diplomatisches Geschick unter Vortäuschung humanistisch-moralischer
Motive andere zu benutzen, sie zu
übervorteilen, zu hintergehen und sie hinter uns zu lassen um in unserer
eigenen kurzen Lebensspanne so viel geistig-mentales Futter in uns
hineinfressen zu können wie nur möglich. Das ist unser einziges Interesse
geworden, unsere einzige Motivation. Und das ist auch das einzige Prinzip
unserer sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systeme, alle gebunden und
aneinander gefesselt durch das Geldsystem, das eben genau demjenigen den
größten Teil des Kuchens verspricht, der in diesen Disziplinen der
geschickteste ist. Mal ganz abgesehen von dem Teil der Menschheit, der aufgrund
dieser Systeme jeden Tag einem reinen Überlebenskampf ausgesetzt ist, diese sind
natürlich nicht als hinterhältige Personen zu bezeichnen, wenn sie sich
Strategien zur Sicherung ihres Überlebens oder dem ihrer Familien überlegen,
die unter Umständen auch Gewalt erforderlich machen, sondern dieser Mensch ist
in einer Situation in der er handeln muss, also gezwungen ist zur Gewalt zu
greifen, und zwar durch die Systeme, die vom Menschen geschaffen und akzeptiert
sind, und somit durch eben die Menschen, die sich den größeren Teil des Kuchens
bereits ergaunert haben und durch das Festhalten an ihrer Selbstsüchtigkeit
diesen Menschen eben genau dazu zwingen, ihn also erpressen und somit diese
Gewaltbereitschaft selbst kultivieren. Niemand kann sich von den Auswüchsen
unserer selbstgewählten Systematik, unserer Lebensweise freisprechen. Wir haben
immer die Möglichkeit unseren Verstand zu nutzen und die Ursachen all unserer
Probleme zu erkennen um sie zu beseitigen. Wir können jederzeit damit aufhören
und die alten „Werte“ über Bord werfen.
Wir glauben so gerne, dass wir uns in unserer modebewussten,
konsumorientierten, von Ideologien überladenen Gesellschaft so sehr von der
Gewalt wegzivilisiert hätten, dass wir „besser“ geworden wären und wir nehmen
technologischen oder medizinischen Fortschritt immer gerne als Hauptargument
für diese These. Die Wahrheit aber sieht ganz anders aus. Wir haben nicht uns
von der Gewalt entfernt, sondern wir haben die Gewalt vor unserer Haustür
entfernt, haben sie ausgelagert, ganz weit weg, wo wir sie nicht sehen oder sie
aber gedanklich von uns und unserer Wirkung und Mittäterschaft
wegdifferenzieren können. Das System das
uns vor der direkten Konfrontation schützt tut dies zum eigenen Zweck der
Selbsterhaltung, das Geld das uns vor der Gewalt die wir sähen und andernorts
ernten lassen bewahrt ist ein trügerischer Schutz. Sobald die Systematik nach
einer „Erneuerung“ verlangt, wird die kriegerische Konsequenz all unseren
selbstsüchtigen Denkens und Handelns auch zu uns kommen, dann wird der
Schutzwall zerbrechen und andernorts andere Menschen unter anderen
scheinheiligen Idealen separieren. Und so wird es immer weiter gehen, so lange
bis sich vielleicht nichts mehr aufbauen lässt. Erst wenn wir uns der Wahrheit
unserer selbstgewählten und akzeptierten Natur stellen, erst wenn wir
akzeptieren was wir geworden sind, können wir daran etwas ändern. Wenn wir den
wahren Ursachen all unserer gesellschaftlichen Probleme selbstehrlich und offen
auf den Grund gehen, können wir sie auch lösen. Wir müssen aber unsere universale
Verantwortlichkeit annehmen, sie akzeptieren. Wir müssen erkennen, dass nicht
die Symptome Probleme verursachen, sondern die Ursachen die Probleme sind, und
die sind in unser aller Verhalten, Denken und Handeln zu finden.
Fortsetzung folgt...
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