Montag, 26. Mai 2014

Tag 168 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 9 "Gewalt" I

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Gewalt I

 Manchmal denke ich, dass Gewalt das einzig wirkliche ist. Der einzige wahrhaftige Akt, der eine ebenso verlässliche Reaktion hervorruft. Eine Reaktion, die nicht erst durch tausende bewusste und unbewusste Filter verzerrt, mit Absichten und Hoffnungen verknüpft wird und die man dann als manipulative Blase aufsteigen lässt, so wie das in dem scheinbar diplomatischen, zivilisierten und intellektuellen Umgang unter Menschen getan wird. Denn tatsächlich ist das einzige durchscheinende Motiv in aller sozialer Interaktionen der jeweilige Selbstzweck. Der eigene Nutzen. Und wenn man sich dabei ‚zurückhält‘, sich an bestimmte Regeln anpasst, dann nur aus einem eigennützigen Grund, weil man weiß, dass die Konsequenzen für einen selbst unangenehmer werden könnten, als der unmittelbare Nutzen. Natürlich spielen auch Bedürfnisse eine Rolle, die wir als äußerst menschlich und „gut“ bezeichnen würden, beispielsweise das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, nach Zuneigung und Anerkennung, nach körperlicher Nähe, nach Sex, aber gerade auch diese Motive für soziale Interaktionen und Überzeugungsarbeit sind zutiefst vom Egoismus geprägt und wir wenden jedes nur erdenkliche Täuschungsmanöver an, um unsere Ziele diesbezüglich zu erreichen. Aber gerade eben diese aufwändige, hinterhältige Manipulation, dieses Blenden mit Worten, manchmal auch mit Erscheinung, all das wirkt auf mich extrem abstoßend, noch viel abstoßender als beispielsweise eine Prügelei, ein Schlagabtausch oder auch eine direkte Bedrohung. Immerhin hat die erpresserische Bedrohung eine gewisse Offenheit, und derjenige der sie ausspricht setzt sich selbst einem angemessenen Risiko aus. Das ist in meinen Augen ein ehrlicher Umgang. Ich will das auf keinen Fall verherrlichen, und warum die Gewalt in unserer Welt ebenso verdreckt, hinterhältig und verwerflich unehrlich geworden ist wie auch die psychologische Gewalt, die Manipulation und auch der Erpresserische existenzielle Zwang, darauf werde ich später noch eingehen. Ich sage allerdings, dass eine körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen, ebenso wie in anderen sportlichen Wettkämpfen oder Betätigungen, durchaus eine progressive Wirkung für die Klärung eines Konfliktes zwischen Menschen oder für die Lösung einer verkomplizierten Situation haben kann.

Jeder, der nur halbwegs geradeaus denken kann weiß, dass es bei keinem Kampf, bei keiner Gewalttätigen Handlung tatsächlich einen Sieger gibt oder geben kann. Das ist auch überhaupt nicht der Punkt. Schlag ich dich heute nieder, kommst du morgen oder in zwei Wochen und hast mehr Glück oder bist stärker, was auch immer. An einem anderen Tag ist jeder in einer anderen Verfassung. Ein Kampf und wie er zu Ende geht hat überhaupt keine Aussagekraft über irgendeinen hierarchischen Status. Es geht nur um den Moment der Auseinandersetzung, die körperliche Betätigung, die Angst, das Adrenalin, die Aktion und Reaktion, den Schmerz. Das ist – oder kann ein Prozess der Selbstreinigung und vor allem der Stärkung des eigenen Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls sein.  Und zwar auch dann, wenn man unterliegt.

Was in unserer Welt aus dieser „menschlichen“ Gewaltbereitschaft geworden oder gemacht worden ist, ist ein abscheuliches Verbrechen am Leben. Wir haben diese kleingeistigkeit, diese verängstigte Verbittertheit einer verkrüppelten, selbstsüchtigen und wahnsinnigen Persönlichkeit in unserem Kopf zu den bestimmenden Kräften unserer Taten werden lassen. Die Sucht nach mentaler Selbstbefriedigung durch Konsum aller möglichen Massenwaren und der Kampf um eben diese Ressourcen haben uns zu gefräßigen Zombies werden lassen, die ihren Verstand als Werkzeug zur Ausbeutung, als Methodenfabrik für Betrug und Intrigen benutzen und dabei an nichts als ihre eigene Gefräßigkeit denken. Rücksichtslos und verantwortungslos, frei von jeder Sinnhaftigkeit nutzen wir also unsere „Menschlichkeit“, unsere Fähigkeiten, um durch diplomatisches Geschick unter Vortäuschung humanistisch-moralischer Motive  andere zu benutzen, sie zu übervorteilen, zu hintergehen und sie hinter uns zu lassen um in unserer eigenen kurzen Lebensspanne so viel geistig-mentales Futter in uns hineinfressen zu können wie nur möglich. Das ist unser einziges Interesse geworden, unsere einzige Motivation. Und das ist auch das einzige Prinzip unserer sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systeme, alle gebunden und aneinander gefesselt durch das Geldsystem, das eben genau demjenigen den größten Teil des Kuchens verspricht, der in diesen Disziplinen der geschickteste ist. Mal ganz abgesehen von dem Teil der Menschheit, der aufgrund dieser Systeme jeden Tag einem reinen Überlebenskampf ausgesetzt ist, diese sind natürlich nicht als hinterhältige Personen zu bezeichnen, wenn sie sich Strategien zur Sicherung ihres Überlebens oder dem ihrer Familien überlegen, die unter Umständen auch Gewalt erforderlich machen, sondern dieser Mensch ist in einer Situation in der er handeln muss, also gezwungen ist zur Gewalt zu greifen, und zwar durch die Systeme, die vom Menschen geschaffen und akzeptiert sind, und somit durch eben die Menschen, die sich den größeren Teil des Kuchens bereits ergaunert haben und durch das Festhalten an ihrer Selbstsüchtigkeit diesen Menschen eben genau dazu zwingen, ihn also erpressen und somit diese Gewaltbereitschaft selbst kultivieren. Niemand kann sich von den Auswüchsen unserer selbstgewählten Systematik, unserer Lebensweise freisprechen. Wir haben immer die Möglichkeit unseren Verstand zu nutzen und die Ursachen all unserer Probleme zu erkennen um sie zu beseitigen. Wir können jederzeit damit aufhören und die alten „Werte“ über Bord werfen. 

Wir glauben so gerne, dass wir uns in unserer modebewussten, konsumorientierten, von Ideologien überladenen Gesellschaft so sehr von der Gewalt wegzivilisiert hätten, dass wir „besser“ geworden wären und wir nehmen technologischen oder medizinischen Fortschritt immer gerne als Hauptargument für diese These. Die Wahrheit aber sieht ganz anders aus. Wir haben nicht uns von der Gewalt entfernt, sondern wir haben die Gewalt vor unserer Haustür entfernt, haben sie ausgelagert, ganz weit weg, wo wir sie nicht sehen oder sie aber gedanklich von uns und unserer Wirkung und Mittäterschaft wegdifferenzieren können.  Das System das uns vor der direkten Konfrontation schützt tut dies zum eigenen Zweck der Selbsterhaltung, das Geld das uns vor der Gewalt die wir sähen und andernorts ernten lassen bewahrt ist ein trügerischer Schutz. Sobald die Systematik nach einer „Erneuerung“ verlangt, wird die kriegerische Konsequenz all unseren selbstsüchtigen Denkens und Handelns auch zu uns kommen, dann wird der Schutzwall zerbrechen und andernorts andere Menschen unter anderen scheinheiligen Idealen separieren. Und so wird es immer weiter gehen, so lange bis sich vielleicht nichts mehr aufbauen lässt. Erst wenn wir uns der Wahrheit unserer selbstgewählten und akzeptierten Natur stellen, erst wenn wir akzeptieren was wir geworden sind, können wir daran etwas ändern. Wenn wir den wahren Ursachen all unserer gesellschaftlichen Probleme selbstehrlich und offen auf den Grund gehen, können wir sie auch lösen. Wir müssen aber unsere universale Verantwortlichkeit annehmen, sie akzeptieren. Wir müssen erkennen, dass nicht die Symptome Probleme verursachen, sondern die Ursachen die Probleme sind, und die sind in unser aller Verhalten, Denken und Handeln zu finden. 

Fortsetzung folgt...

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