Gerne wird in letzter Zeit dieser Artikel geteilt und er verspricht "unerwünschte Offenbarungen"... mal sehen...
Und wieder ein „Islam-Experte“ der unsere „Flüchtlingspolitik“
kritisiert und Öl ins Feuer der Angst gießen möchte. Interessant wie die
Gelehrten dieser Generation es in ihrem Alter immer noch schaffen, auf einen so
schnellen Zug aufzuspringen.
Bassam Tibi, der Erfinder der „Leitkultur“, (oder sollte ich
sagen ihr „Entdecker“?) der aufgrund seiner eigenen Herkunft Zugang zu Bildung,
Geld und der Möglichkeit hatte zu reisen und auszuwandern, ist ein
Musterbeispiel der „Draufseher“, ein „Beobachter“ aus der Elitenperspektive, und
er spricht ganz im Sinne althergebrachter arroganter Glaubenssätze, dass die Worte
der „gelehrten Herren“ ungefragt Gültigkeit zu besitzen haben.
„Die unerwünschte Offenbarung eines Deutschen Syrers“
titelt
dieser Beitrag von „Audiatur Online“ und verspricht erfahrungsbedingte Erkenntnisse.
Allerdings bleiben diese weitestgehend aus, lediglich spekulative Behauptungen
bleiben hängen und diese werden allein aufgrund seines Titels zu einer diffusen
Hintergrundwahrheit, ein Gedankenfilter der die Realität an das verängstigte
Weltbild vieler anzupassen gedacht ist. Dabei dient der gleich zu Beginn
eingestreute Hinweis, Bassam Tibi sei Schüler Adornos gewesen als Ankerpunkt
der Schlüssigkeit, denn es muss ja etwas dran sein, wenn er unter einem derart
großen Namen gelernt hat. Nun, das ist natürlich auch so nicht haltbar, denn er
hat unter anderem bei Adorno und Horkheimer studiert, was aber nicht heißt,
dass er „sein Schüler“ war. Auch ich habe beispielsweise schon Vorlesungen des
Prof. Dr. Gerald Hüther besucht, bin deshalb aber noch lange nicht „sein
Schüler“ gewesen.
Seine Behauptungen in diesem Artikel sind also nicht mehr
als das, hier wird nichts detailliert hergeleitet oder begründet, sondern
einfach nur gesagt. Allein die erste Behauptung ist schlichtweg falsch, wenn er
sagt in Deutschland gäbe es nur Extreme, und „die Deutschen“ würden zwischen
ihnen „pendeln“, als seien sie ein Volk ohne eigene Meinung, das sich rein
emotional steuern lässt. Den Eindruck kann man zwar gewinnen, wenn ich mich
auch ebenfalls als Teil Deutschlands bezeichnen möchte und viele meine
Bekannten und Freunde ebenfalls, und in keiner Weise lässt sich diese Ansicht an
meiner Erfahrung bestätigen. Allein die hergestellte, medial produzierte und
präsentierte „öffentliche Meinung“, die Projektion der Gesellschaft in Funk und
Fernsehen stellt ein derartiges Bild dar und es ist eine Tragödie, dass wir als
Gesellschaft tatsächlich in extrem hohem Maße in unserer Sichtweise von diesen
Medien beeinflusst werden. Das ist allerdings kein rein deutsches Phänomen,
sondern ein menschliches. So wie unsere „öffentliche Meinung“ vorgefertigt
verkauft wird, wird dieses Medium natürlich in allen Ländern zur Manipulation
benutzt, in denen die Bevölkerung freien Zugang zu ihnen hat. Nicht umsonst
bringt jede Regierung große Anstrengungen auf, vor allem die Rundfunk- und
Fernsehanstalten unter ihre Kontrolle zu bringen, und selbst in den ärmsten
Ländern wird darauf geachtet, dass annähernd jeder Zugang zu den Endgeräten
hat. Umso erstaunlicher, dass der Kritiker dieses angeblichen Schwarz/Weiß
Denkens selbst nicht differenzieren möchte und sich in eine Reihe mit den
generalisierenden Anklägern stellt. Da können von mir aus zehn Doktortitel vor
seinem Namen stehen, deren Bedeutung für seine Aussagen in diesem Zusammenhang sind
gleich null. Er sagt es selbst: er fällt
ein Urteil über „die Deutschen“, ebenso wie über „die Araber“, und beruft sich
dabei auf seine persönliche Erfahrung. Das ist natürlich an Anmaßung nicht zu
übertreffen und vollkommen uninteressant für eine Lösungsorientierte
Herangehensweise an Problematiken, die im Grunde alle Menschen betreffen. Aber
hier kommt eben dieser bereits angesprochene, imaginäre Obrigkeitsanspruch
einer Generation „gelehrter Herren“ zum Vorschein. Da hilft es auch nicht
weiter, dass er sich hinter großen Namen und Zitaten versteckt, bzw. versucht
durch auswendig gelerntes Eindruck zu schinden.
Es ist in dem gesamten Artikel, wie übrigens in vielen „Gelehrtenmeinungen“
zur aktuellen Situation, nicht ein Ansatz zu erkennen, wie die Problematik
entstanden sein könnte, bzw. welche Wege diese Problemgrundlagen beseitigen
würden Es ist ein fatalistischer Grundsatz in solchen Kreisen, der von einer arroganten
Selbstüberschätzung ausgeht, die das Ego zum Urteile fällenden Beobachter macht,
weil es sich als fähiger ansieht als alle anderen Menschen. Tatsache ist, dass
die Fähigkeit den Menschen und damit auch die Zusammenhänge der Reaktionen, des
Verhaltens, der Ignoranz und des Egoismus zu verstehen jedem Einzelnen
zugänglich ist, nämlich in der selbstehrlichen Selbstschau. Doch dieser Ansatz
grenzt vor allem in sogenannten Gelehrten Kreisen an Blasphemie und wird
entweder verunglimpft oder eben durch Ausschluss mit aller Härte bekämpft. Wie auch immer, der Schein einer Expertenmeinung
mit Offenbarungscharakter der im Titel laut angekündigt wird, verblasst bereits
nach dem aufmerksamen Lesen des ersten Absatzes.
Nun, ich gehe nicht davon aus, dass dieser Artikel das
tatsächliche Potential des Herrn Tibi auch nur annähernd wiedergibt, jedoch
lässt er sich (wahrscheinlich) aus Gründen der Selbstverliebtheit hier gerne
vor den Karren spannen, um das altbewährte mediale Spiel des „divide &
conquer“ Publikumswirksam weiter voranzutreiben. Dafür ist sich ja auch sonst kaum
jemand zu schade. Schade ist nur, dass wir gerade auch durch solche Artikel
genau diejenigen gesellschaftlichen Charakteristiken verstärken und ausprägen,
die Herr Tibi hier zu kritisieren meint.
Zu den „störenden Flüchtlingen“ in der Göttinger Innenstadt,
von denen Herr Tibi hier spricht:
Ich kenne Göttingen sehr gut, habe lange dort gelebt und ich
kenne auch die elitäre Bildungs- und Öko- Schickeria, die dort immer noch den
Anspruch erhebt, die Innenstadt zu „besitzen“ und schon seit ewigen Jahren
Festlichkeiten und Veranstaltungen boykottiert, weil sie sich in ihrem ruhigen
Altstadtleben gestört fühlt. Dass diese sich nun auch durch „Flüchtlinge“, also
durch noch mehr Menschen noch erheblicher gestört fühlen ist wenig
verwunderlich und kann diesen wohl kaum allein zum Vorwurf gemacht werden, ist
aber vor allen Dingen kein Maßstab. Noch dazu, dass Göttingen eine
Universitäts- und Studentenstadt ist, sich ziemlich etwas auf diese Universität
einbildet (Elite-Uni…) und mit dieser Doppelmoral einerseits jung und lebendig
wirken zu wollen, aber andererseits durch einen konservativen Geldadel ständig
getadelt zu werden schon seit je her zu kämpfen hat.
Wie dem auch sei, ich lasse mich selbstverständlich nicht
mit in die Urteile des Herrn Tibi einbeziehen, weder wenn er über „die
Deutschen“ noch wenn er über „die Araber“ und deren antisemitische Kultur
spricht. Schon gar nicht, und da sehe ich mich persönlich als tragender Teil
einer Deutschen Kultur, übernehme, borge oder assimiliere ich eine Sichtweise
eines anderen, und vor allem dann nicht, wenn dieser jemand sich auf Grund
seiner Graduierung zur Urteilsfällung berufen fühlt. Ich kultiviere Deutschtum
dadurch, dass ich meinen Verstand, mein Wissen und meine Fähigkeiten der
Ursachenfindung eigenständig und möglichst unbeeinflusst schule, mich nicht in
einem Urteil schlussfolgernd festlege und immer möglichst die eigene
Beteiligung und vor allem auch die möglichen Konsequenzen meines Wirkens
langfristig mit einbeziehe. Darin sehe ich die Verantwortung des Menschen an
sich, die Verantwortung gegenüber dem leben, unseren Kindern und deren
zukünftiger Lebenswelt.
~ BeastIan
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