Montag, 21. Juli 2014

Tag 180 - Immer geduckt (persönlicher Selbstanalyse und Korrekturprozess 2. Teil)

Pictoscribe / Foter / Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0)




Das ist der zweite Beitrag einer Reihe zum persönlichen Selbstanalyse-, Entwicklungs- und Korrekturprozess
Teil 1:

Tag 179 - Warten auf das "Jetzt" 

 

Auszug:

"Große Pläne? Nein, denn das, was ich bin und was ich zu tun gedenke, das beginnt jetzt und hier. Mit jedem Schritt und jedem Atemzug. Bleibe ich gesund liegen nach Abschluss des Studiums noch gute zwanzig Jahre Arbeitsleben vor mir, mehr als genug um mcih entsprechend einzubringen. Ich will hier nicht klingen wie ein unreifer Idealist, daher stoppe ich diesen Gedankengang hier. Die Entscheidung ist gefallen und diese Entscheidung wird in dieser Größenordnung wohl meine letzte sein. Ich konnte immer schon am besten unter existentiellem Druck arbeiten also habe ich die besten Voraussetzungen für mich und diesen Moment geschaffen. "



 2. Teil

Ich habe mein Leben in geduckter Haltung verbracht und werde diesen Fehler jetzt Schritt für Schritt und Stück für Stück beseitigen. 

Verantwortlich für meine Haltung oder besser gesagt meine Zurückhaltung bin immer ich selbst und niemand sonst, keine äußeren Umstände, kein Verhalten anderer und auch nicht meine Natur oder das, was man gemeinhin die „Natur“ und den „Charakter“ nennt, ohne genau zu wissen wovon man da eigentlich spricht. Verantwortung beginnt immer bei einem selbst und erst in zweiter Linie sind andere mit verantwortlich für die Situation in der man lebt und die das eigene Leben mitbestimmt. Doch auch die Verantwortlichkeit anderer ist eine Eigenverantwortung die sie zunächst sich selbst gegenüber zu akzeptieren und zu erfüllen haben, denn nur dann kann man davon ausgehen, es mit Selbst-bewussten und vertrauenswürdigen Menschen zu tun zu haben und nur dann ist es möglich ein produktives Miteinander zu gestalten das nicht auf Misstrauen, Missgunst, Angst und gegenseitiger Ausbeutung beruht.

Ich habe diese verdrängten und verborgenen Ängste in mir herangezüchtet und es ihnen gestattet mich zu bestimmen. Wenn man ein Leben im Verborgenen führt, wenn man sich versteckt hinter Fassaden, hinter Heuchelei und Schauspielerei, wenn man nur in seinem geheimen Bewusstsein eine „intime Persönlichkeit“ kultiviert, dann bleibt keine Wahl außer sich selbst zu belügen und damit auch die anderen. Und mit der Zeit glaubt man seine eigenen Lügen und identifiziert sich tatsächlich mit dieser geheimen Instanz und man bemerkt nicht, dass das Gefühl des Mangels und der Unzulänglichkeit, die Unzufriedenheit und die ständige Suche nach Erfüllung nur aus diesem unglücklichen Selbstbetrug erwachsen. Man bemerkt diese ständige Fremdbestimmung durch die inneren Programme, die Ängste sich zu offenbaren in allen Entscheidungen und Taten nicht mehr, man wird verkrampft und verbittert, man verliert den Blick und die Wahrnehmung für das Hier, den wirklichen Moment des Lebendigen Seins. Die Last der erdrückenden Gedankenmuster und Konstrukte die man sich als Schutzwall vor der Wirklichkeit aufgebaut hat lassen einen in die Knie gehen, man versucht ständig auch das wahre körperliche Selbst verborgen zu halten. Entweder man verkleidet sich wie ein Pfau oder man versucht so unauffällig und normal wie möglich zu wirken, oder aber man senkt den Kopf um nicht gesehen oder erkannt zu werden, lässt die Schultern hängen und steht geduckt, versuch sich in sich selbst zurückzuziehen. Doch dort gibt es keinen Lebensraum, sondern nur die Welt der eigenen Gedanken, welche nur durch das Körperliche überhaupt existiert.
Es mag erscheinen wie ein defensiver Zustand der Zurückhaltung aber wenn man es genauer betrachtet erkennt man, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn durch diesen permanenten Selbstbetrug, die Anstrengung das Geheimnis der eigenen innersten Ängste, der verborgenen selbstsüchtigen Pläne, der verbitterten Gedanken dass man es ja schließlich verdient habe sich zu bereichern wo es nur geht, ohne Rücksicht auf Verluste in der Hoffnung dass es einem dadurch besser ginge, ist man in ständigem  Kampfmodus, man ist eigentlich aggressiv-passiv, man versucht Gelegenheiten zu nutzen um aus dem Verborgenen zuzuschlagen. Die Verteidigungs- und Opferhaltung ist hier nur eine Konsequenz der eigenen Unaufrichtigkeit und der Versuch einer Rechtfertigung, denn man muss sich nur dort verteidigen, wo man auf unsicherem Grund steht und wenn die eigene Selbstidentifikation unsicher und wackelig ist lebt man in Angst und kann sicher sein, dass sie nicht wahrhaftig ist.
In meinem letzten Blog habe ich die Komplexe meiner Vergangenheitserlebnisse und der mentalen Systeme die ich auf meiner Interpretation dieser Erfahrungen aufgebaut habe beschrieben und gezeigt, dass es immer wieder darauf hinausläuft mich mit einer gedanklichen Idealvorstellung zu vergleichen, einer imaginären Person die bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt, die ich erst noch erreichen muss um so zu sein, wie ich es mir vorstelle. Stark, Standhaft, Selbstbewusst und Zielgerichtet. Diese Eigenschaften zu erwerben war für mich immer mit der Laufbahn einer durch die Gesellschaft und das System vorgegebenen Weise verbunden und nur so zu erreichen. Die Aufrichtigkeit und Selbstehrlichkeit immer als das was man ist, was man sich erlaubt hat zu werden einfach zu SEIN und in dieser Akzeptanz das eigene Potential zu entfalten, zu nutzen und selbst zu bestimmen wohin man dabei geht ist aber immer Hier und in jedem Atemzug wählbar. Auf dieser Aufrichtigkeit und Selbstehrlichkeit basiert das Selbstbewusstsein das unumstößlich ist, weil es die eigene Gleichheit/Gleichwertigkeit und Einheit mit allem Leben anerkennt und in das Sein integriert, also lebt. Dieser Selbstwert ist dann nicht nur ein Gefühl oder ein Gedankenkonstrukt, sondern basiert auf den Fakten des Lebens das unabhängig von den Idealen und Ideologien existiert. All das scheinbare Versagen und die Niederlagen die ich als solche in meine Persönlichkeit eingeflochten habe sind nur aus dem einen Grund für mich, mein Leben, meine Entscheidungen und meine Selbstwahrnehmung bestimmend geworden, weil ich das zugelassen habe. Ich habe mich vor mir selbst versteckt und den Wunsch nach Anerkennung durch das Erfüllen von äußeren Bedingungen als Rechtfertigung dafür benutzt, mich immer weiter in die gedanklichen Wahrnehmungen meiner Selbst und meines Umfeldes zu flüchten, ohne die Verantwortung für all die Schwierigkeiten die diese Welt bereithält zu übernehmen und meinen eigenen Beitrag anzuerkennen. Was ist das Beschuldigen und die Abwälzung von Verantwortung anderes als das Betteln um eine Sonderbehandlung?
Bei alledem war mir nie wirklich klar, weil ich es nicht wollte, dass meine Selbstwahrnehmung und die Minderwertigkeitsgefühle meine eigene Kreation sind und ich nur durch meine Unehrlichkeit mir selbst gegenüber die Ängste in mir geschaffen habe, die diese Wahrheit vor mir verbergen sollten. Tatsächlich habe ich immer ein großes Potential an Fähigkeiten, an Durchhaltevermögen, Disziplin und Fleiß gezeigt, wenn es darauf ankam mich und meine imaginäre Selbstidentifikation zu schützen. Und diesen Schutz hatte ich immer dann nötig, wenn ich mich eben durch den stetigen Selbstbetrug in eine bedrohliche Lage gebracht habe. Durch diesen selbst geschaffenen Teufelskreis konnte ich mir selbst die Fähigkeiten die ich darin aufgebracht habe nie eingestehen oder sie schätzen lernen, denn sie waren ja immer nur zu dem Zweck da, ein zum Scheitern verurteiltes Selbstbild aufrecht zu erhalten, das mit der Wirklichkeit in Konflikt kommen musste, und diese Konflikt offenbarte eben immer wieder die eigentliche Lüge dieser Konstruktion meiner Persönlichkeit. Daher müssen selbst erdachte Illusionen, Fantasien und scheinlogische Konstrukte die Konflikte verbergen und aus ihnen Angriffe machen, Attacken auf ein schuldloses Opfer, Bedrohungen durch ein übermächtiges System von dem ich mich selbst getrennt wahrnehme. Aber genau diese Trennung ist die größte Illusion und die Ursache oder besser gesagt der gedankliche Nährboden für alle irrationalen Ängste.

Die Herausforderungen des Systems annehmen das wir alle mit tragen und dessen längst überfällige Überarbeitung nur dann angegangen werden kann, wenn wir alle gemeinsam und jeder für sich diese Flucht in Illusionen aufgeben, wenn wir nicht mehr die symbolischen Artefakte des Ideals repräsentieren, sondern die Aufrichtigkeit, die Einheit und Gleichheit des Lebens wahrhaftig Umsetzen indem wir sie auch in jedem Augenblick leben, bedeutet einen Schritt in die eigenverantwortliche Selbstbestimmung die dem Potential entspricht, das der Mensch hat. Die Verantwortung die seine Fähigkeiten mit sich bringen zu übernehmen bedeutet alles in Betracht zu ziehen was möglich ist, Konsequenzen bewusst zu überschauen und herauszukommen aus der stickigen Höhle des geheimen Bewusstseins, sich zu offenbaren und sich in jedem anderen zu erkennen, zu respektieren und zu ehren mit der Würde die uns allen zusteht.
Wenn wir dafür die äußeren und inneren Bedingungen erfüllen gibt es keinen Grund mehr für defensives und/oder aggressives Verhalten, keinen Grund sich selbst zu beschränken, sich zu unterdrücken und zu verstellen. Es gibt keinen Grund für ein geheimes Bewusstsein oder eine persönliche Agenda der Selbstsucht. Und es kann auch nichts und niemand den eigenen Selbstwert entkräften. 

Ich habe in diesen zwei Blogs bereits sehr viel über mich und weitere Bereiche meiner Persönlichkeit erfahren und zu akzeptieren und verstehen gelernt. Ich habe erkannt wie sehr ich mich selbst unterschätzt, mich selbst beschränkt und unterdrückt habe und dass ich mir ein Selbstbild erschaffen habe das weit entfernt von meinem wirklichen Potenzial und Fähigkeiten liegt. Tatsächlich war das Potenzial immer da, nur mein Bewusstsein, meine Gedanken und die Persönlichkeitsprogramme haben es ermöglicht, meine Sicht auf die tatsächlichen Ereignisse, meine Handlungen, Erfolge und Errungenschaften zu verstellen, die mir trotz aller Widerstände und aller widrigen Umstände gelungen sind. Die Akzeptanz dieser Möglichkeiten und dieses Potentials bedeutet aber eben auch die Verantwortung zu übernehmen beides im Sinne und zum Besten allen Lebens einzusetzen. Und die Angst vor dieser Verantwortung, die eine Eigenverantwortung ist zu der dich niemand auffordert und die dir auch niemand hoch anrechnet in unserer Welt, ist der Antrieb und der Trigger für all die Selbstrechtfertigungen, die Entschuldigungen und selbstgefälligen Ausreden dafür, sich der Wirklichkeit unserer menschlichen Welt nicht zu stellen. 

Veränderung ist unumgänglich in dieser Welt. Doch wenn man nicht einmal bereit ist den IST-Zustand anzuerkennen und die eigene Verantwortung dafür mit in die Berechnungen zu nehmen, dann wird man wirkungslos in seinem Tun und hat keine Möglichkeit für etwas wirklich einzustehen.

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