Dritter Teil der Bligreihe "Immer geduckt"
Teil 1:
Tag 179 - Warten auf das "Jetzt"
Teil 2:
Tag 180 - Immer geduckt (persönlicher Selbstanalyse und Korrekturprozess 2. Teil)
Auszug aus Teil 2:
Ich habe diese verdrängten und verborgenen Ängste in mir
herangezüchtet und es ihnen gestattet mich zu bestimmen. Wenn man ein Leben im
Verborgenen führt, wenn man sich versteckt hinter Fassaden, hinter Heuchelei
und Schauspielerei, wenn man nur in seinem geheimen Bewusstsein eine „intime
Persönlichkeit“ kultiviert, dann bleibt keine Wahl außer sich selbst zu belügen
und damit auch die anderen. Und mit der Zeit glaubt man seine eigenen Lügen und
identifiziert sich tatsächlich mit dieser geheimen Instanz und man bemerkt
nicht, dass das Gefühl des Mangels und der Unzulänglichkeit, die Unzufriedenheit
und die ständige Suche nach Erfüllung nur aus diesem unglücklichen Selbstbetrug
erwachsen. Man bemerkt diese ständige Fremdbestimmung durch die inneren
Programme, die Ängste sich zu offenbaren in allen Entscheidungen und Taten
nicht mehr, man wird verkrampft und verbittert, man verliert den Blick und die
Wahrnehmung für das Hier, den wirklichen Moment des Lebendigen Seins. Die Last
der erdrückenden Gedankenmuster und Konstrukte die man sich als Schutzwall vor
der Wirklichkeit aufgebaut hat lassen einen in die Knie gehen, man versucht
ständig auch das wahre körperliche Selbst verborgen zu halten. Entweder man
verkleidet sich wie ein Pfau oder man versucht so unauffällig und normal wie
möglich zu wirken, oder aber man senkt den Kopf um nicht gesehen oder erkannt
zu werden, lässt die Schultern hängen und steht geduckt, versuch sich in sich
selbst zurückzuziehen. Doch dort gibt es keinen Lebensraum, sondern nur die
Welt der eigenen Gedanken, welche nur durch das Körperliche überhaupt
existiert.
Fortsetzung
Wenn ich an diese Momente denke, die mich in Ansätzen auch
jetzt noch immer mal wieder ereilen, in denen ich spüre wie ich körperlich
reagiere, mit kalten Händen, einem sinkenden Blutdruck, meine Augen verengen
sich, die Sicht wird unklar und fast verträumt, alles erscheint farblos und
unwirklich, dann wird mir bewusst dass diese mentale Tür die sich dort öffnet
tatsächlich etwas verlockendes hat. Diese Haltung „alles scheißegal, hat doch
keinen Zweck und der Versuch ist schon sinnlos“ rechtfertigt scheinbar die
Untätigkeit und ist ein Segen für das Ego. Denn was folgt ist ja keineswegs
Untätigkeit, sondern die Beschäftigung mit allen erdenklichen unterhaltsamen
Dingen die einem die selbst verursachte Langeweile vertreiben sollen. Aber die
Rechtfertigung ist eben nur eine trügerische. Die Unzufriedenheit bleibt
bestehen und taucht immer da wieder auf, wo die Ablenkung durch Unterhaltung
des Bewusstseins stoppt.
Es ist eine Situation in der ich in meiner Gedankenwelt
verloren auf Urteilen und Bewertungen meiner Selbst existiere über die ich mir
nicht wirklich im Klaren bin. Meist sind es niederschmetternde,
selbstzerstörerische Selbstbeurteilungen, Minderwertigkeitsgefühle und
vergleichende Systeme. Wobei die Vergleichsobjekte selbst imaginär sind und
meiner eigenen Vorstellung ebenso entstammen wie mein Selbstbild auch. „Ich
kann das nicht“, „das lerne ich nie“, „bei mir funktioniert das nicht“ sind die
Gedanken die diese Momente bestimmen. Die Fragen die dabei unbeantwortet im
Hintergrund stehen sind: Wer bin ich hier und jetzt in diesem Moment? Bin ich
von Bedeutung? Und wenn ja, warum? Und wenn nicht, warum? In wie fern stelle
ich etwas dar, das mir selbst das Gefühl einer Wertschätzung bringen könnte?
Was bedeuten diese Fragen überhaupt?
Wer ich jetzt in diesem Moment bin, wird nicht von meinen
Gedanken und meiner Vorstellung bestimmt, sondern vornehmlich durch mein
Handeln. Welcher Motivation dieses Handeln folgt liegt allerdings durchaus in
meinen Gedanken begründet, und zwar in den Konzepten und Strukturen die ich als
das Gerüst meines Selbstbildes und meiner Persönlichkeit errichtet habe. Daher
ist auch jede Selbst-hemmung und -verurteilung meine eigene Handlung, eine
innere Handlung die mich vor meiner eigentlichen Selbstentfaltung abhält, die
mir Schranken und Beschränkungen setzt welche allein auf imaginärer Vorstellung
beruhen und nicht wie die der physischen Möglichkeiten auf Tatsachen. Auch der
scheinbar gescheiterte Versuch etwas Handelnd zu meistern ist in der Regel in
der inneren gedanklichen Hemmung begründet, und sei es in dem hektischen Versuch
dem Wunsch nach Unmittelbarkeit zu verfallen und dabei die Notwendigkeit der
Übung und des Lernens zu ignorieren. Diese Bedingungen des Scheiterns werden
dann bewusst als Unfähigkeit falsch Kategorisiert und dienen dem nagenden
Minderwertigkeitsempfinden des Egos als Bestätigung. Anstrengung, Disziplin,
Fleiß, Beständigkeit und Durchhaltevermögen sind die Grundpfeiler für jede
Handlungsbefähigung und die versuche ich mir nur allzu gern zu ersparen. Und
das aus einer angelernten Gewohnheit der Bequemlichkeit heraus. Eine
Bequemlichkeit die ebenso heuchlerisch wie verlogen ist, denn tatsächlich
überwiegt in der Bequemlichkeit natürlich die Unzufriedenheit über die eigene
Untätigkeit oder die angebliche Unfähigkeit. Der Ärger der eigentlich zu mehr
Leistung motivieren sollte wird zu Frust, der hemmt und bremst weil er einen
Absolutheitsanspruch mit sich bringt der besagt, dass alles Erdenkliche und
mögliche bereits getan und versucht wurde und man dennoch gescheitert ist.
Dieser Selbstbetrug ist wohl einer der stärksten von jenen die mich seit ich
denken kann beherrschen und die mein Leben ausschlaggebend bestimmt haben. Es
ist längst überfällig an diesen Punkten zu arbeiten, denn selbst bei dieser
Arbeit habe ich mich immer wieder selbst belogen und mir etwas vorgemacht eil
ich die Disziplin und die kontinuierliche Anstrengung gescheut habe. Dabei weiß
ich genau, wozu ich fähig sein kann und die Verantwortung für mich selbst, mein
Leben und die Konsequenzen die es für mich und andere hat ist nicht zu leugnen.
Umso schwerer wiegt der verzweifelte Versuch mir Erklärungen und
Entschuldigungen für dieses selbstsüchtige Nachlassen auszudenken und er
beschäftigt mich so sehr, dass ich die Gedanken die sich darum drehen überhaupt
nicht mehr bewusst und immer wahrnehme, sondern sie bilden ein unterbewusstes
Schwelen und Brodeln das mich beunruhigt und verunsichert. Und gerade dadurch,
dass ich diese Empfindungen zu ignorieren versuche und sie mir nicht in vollem
Umfang klar sind, fehlinterpretiere ich die Emotionen und Gefühle dabei, finde fadenscheinige
Erklärungen und Rechtfertigungen und verstricke mich nach und nach in ein
Gewühl von halbgaren Selbstwahrnehmungen.
Die Frage „Bin ich von Bedeutung?“ ist insofern interessant,
dass zunächst diese Bedeutung definiert werden müsste. Für wen oder was sollte
oder könnte ich von Bedeutung sein? Und was für eine Art der Bedeutung ist das?
Ich kann auch für denjenigen von Bedeutung sein, dem ich unheimlich auf die
Nerven gehe, allein mit meiner Anwesenheit. Reicht mir diese Art der Bedeutung
oder geht es hier um mehr?
Sich nach Bedeutung sehnen ist im Grunde ein Wunsch
wahrgenommen zu werden und vor allem auch ernst genommen zu werden. Wie aber
sollte das passieren, wenn man sich über sich selbst nicht im Klaren und nicht
von den eigenen Fähigkeiten überzeugt ist? Wenn man sich selbst nicht schätzt
und sich selbst nichts zutraut, wie sollte man da erwarten können, dass jemand
anderes das könnte? Somit ist die Bedeutung in aller erster Linie dir selbst
von dir selbst zuzumessen. Alles andere wäre lediglich eine Illusion, eine
Einbildung und das eventuell befriedigende Gefühl eines Momentes der
Anerkennung von außen nur von sehr kurzer Dauer. Eine ganz neutrale, wertfreie
Bedeutung hat alles was du darstellst, ob du zweifelst oder nicht. Die bloße
Existenz ist von Bedeutung für deine Zellen, die Mikroben, die Bakterien und
Viren, die Luft die du atmest, die Tiere und Pflanzen die dich in deiner
Lebenszeit unterstützen und nähren, die Menschen mit denen du interagierst
direkt oder indirekt, für alles was du tust kann man Konsequenzen herleiten und
erkennen. Die Bedeutung die du selbst suchst und vermisst ist eine emotionale
Sehnsucht nach Harmonie unter den Lebenden, ein Einheits- und
Zugehörigkeitsgefühl, eine Befähigung die nicht gelebt, nicht praktiziert wird.
Doch erreichen kann man diese Bedeutung nur für sich selbst und in dieser
Übereinkunft mit dir selbst, unter Zuhilfenahme und Aufwendung all der
Kriterien und Maßnahmen zur Erreichung eines Zustandes mit dem du zufrieden,
Selbstbewusst und selbstsicher sein kannst wie Disziplin, Selbstarbeit und
Aufrichtigkeit. Und jeder Versuch Bedingungen zu stellen ist dabei nichts
weiter als ein Versuch die eigene Bequemlichkeit zu rechtfertigen. Doch vor
wem? Auch rechtfertigen kannst du dich immer nur vor dir selbst, und allein vor
dir selbst kannst du diese Rechenschaft am Ende deines Lebens ablegen. Die
Frage ist ob du ignorant und stur genug sein wirst und kannst, selbst
angesichts der „letzten Chance“, sofern man dieses Glück überhaupt hat, um dich
selbst anzulügen und diese Lüge noch zu glauben.
Was kann ich mir selbst geben um mir selbst die
Wertschätzung entgegenzubringen die ich von anderen erwarte? Ich kann mich mir
selbst gegenüber prinzipiell verpflichten. Und zwar dazu, mir immer in
Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und gnadenloser Offenheit zu begegnen. Mir alles
einzugestehen, jeden Selbstbetrug, jeden scheinheiligen Rechtfertigungsversuch
und sei die Angelegenheit noch so banal. Ich kann mich verpflichten die
Disziplin, das Durchhaltevermögen, die Stärke und den Fleiß aufzubringen um
mich von all den Hemmnissen, den Komplexen der Selbstlimitation, den
Minderwertigkeitsgefühlen und vor allem auch von den Ängsten zu befreien die
ich als Persönlichkeitssystem im Laufe der Jahre etabliert, erlaubt und
zugelassen habe und die mich, meine Entscheidungen und meine Taten bestimmt
haben, so dass ich nicht wirklich und wahrhaftig als das Selbst das ich sein
kann gelebt habe.
Die eigentliche Frage aber ist doch, wie kann man in einer
Welt wie der unseren, durch den Menschen geschaffenen überhaupt lethargisch
werden? Wie sollte man sich selbst gegenübertreten und dafür gerade stehen
können nichts oder nicht genug getan zu haben um die Zerstörung zu verringern,
das Leid zu mildern und die Qualen der Kinder zu lindern die durch unsere
Ignoranz und ängstliche Untätigkeit toleriert und akzeptiert werden?
Die scheinbare Begründung ein einzelner könne ohnehin nichts
tun ist eben aus einem Grund nicht haltbar, weil sie nämlich von der irrigen
Annahme ausgeht, man sei schon ein ganzer, vollwertiger „Einzelner“, der sein
eigenes Potential erkannt und in eigener Selbstbestimmung ausgearbeitet hat.
Denn das ist genau der Punkt um den es geht wenn man die Frage nach der
Lösbarkeit aller menschlicher und von ihm geschaffener Probleme beantworten
will: die eigenverantwortliche Selbstbestimmung in Anerkennung der eigenen
Fähigkeiten sich selbst grundlegend zu verändern.
Fortsetzung folgt…
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