Samstag, 11. Oktober 2014

Tag 185 - Immer geduckt (persönlicher Selbstanalyse- und Korrekturprozess 3. Teil)




Dritter Teil der Bligreihe "Immer geduckt"

Teil 1:

Tag 179 - Warten auf das "Jetzt" 

Teil 2:

Tag 180 - Immer geduckt (persönlicher Selbstanalyse und Korrekturprozess 2. Teil)


Auszug aus Teil 2:

Ich habe diese verdrängten und verborgenen Ängste in mir herangezüchtet und es ihnen gestattet mich zu bestimmen. Wenn man ein Leben im Verborgenen führt, wenn man sich versteckt hinter Fassaden, hinter Heuchelei und Schauspielerei, wenn man nur in seinem geheimen Bewusstsein eine „intime Persönlichkeit“ kultiviert, dann bleibt keine Wahl außer sich selbst zu belügen und damit auch die anderen. Und mit der Zeit glaubt man seine eigenen Lügen und identifiziert sich tatsächlich mit dieser geheimen Instanz und man bemerkt nicht, dass das Gefühl des Mangels und der Unzulänglichkeit, die Unzufriedenheit und die ständige Suche nach Erfüllung nur aus diesem unglücklichen Selbstbetrug erwachsen. Man bemerkt diese ständige Fremdbestimmung durch die inneren Programme, die Ängste sich zu offenbaren in allen Entscheidungen und Taten nicht mehr, man wird verkrampft und verbittert, man verliert den Blick und die Wahrnehmung für das Hier, den wirklichen Moment des Lebendigen Seins. Die Last der erdrückenden Gedankenmuster und Konstrukte die man sich als Schutzwall vor der Wirklichkeit aufgebaut hat lassen einen in die Knie gehen, man versucht ständig auch das wahre körperliche Selbst verborgen zu halten. Entweder man verkleidet sich wie ein Pfau oder man versucht so unauffällig und normal wie möglich zu wirken, oder aber man senkt den Kopf um nicht gesehen oder erkannt zu werden, lässt die Schultern hängen und steht geduckt, versuch sich in sich selbst zurückzuziehen. Doch dort gibt es keinen Lebensraum, sondern nur die Welt der eigenen Gedanken, welche nur durch das Körperliche überhaupt existiert.


Fortsetzung



Wenn ich an diese Momente denke, die mich in Ansätzen auch jetzt noch immer mal wieder ereilen, in denen ich spüre wie ich körperlich reagiere, mit kalten Händen, einem sinkenden Blutdruck, meine Augen verengen sich, die Sicht wird unklar und fast verträumt, alles erscheint farblos und unwirklich, dann wird mir bewusst dass diese mentale Tür die sich dort öffnet tatsächlich etwas verlockendes hat. Diese Haltung „alles scheißegal, hat doch keinen Zweck und der Versuch ist schon sinnlos“ rechtfertigt scheinbar die Untätigkeit und ist ein Segen für das Ego. Denn was folgt ist ja keineswegs Untätigkeit, sondern die Beschäftigung mit allen erdenklichen unterhaltsamen Dingen die einem die selbst verursachte Langeweile vertreiben sollen. Aber die Rechtfertigung ist eben nur eine trügerische. Die Unzufriedenheit bleibt bestehen und taucht immer da wieder auf, wo die Ablenkung durch Unterhaltung des Bewusstseins stoppt. 




Es ist eine Situation in der ich in meiner Gedankenwelt verloren auf Urteilen und Bewertungen meiner Selbst existiere über die ich mir nicht wirklich im Klaren bin. Meist sind es niederschmetternde, selbstzerstörerische Selbstbeurteilungen, Minderwertigkeitsgefühle und vergleichende Systeme. Wobei die Vergleichsobjekte selbst imaginär sind und meiner eigenen Vorstellung ebenso entstammen wie mein Selbstbild auch. „Ich kann das nicht“, „das lerne ich nie“, „bei mir funktioniert das nicht“ sind die Gedanken die diese Momente bestimmen. Die Fragen die dabei unbeantwortet im Hintergrund stehen sind: Wer bin ich hier und jetzt in diesem Moment? Bin ich von Bedeutung? Und wenn ja, warum? Und wenn nicht, warum? In wie fern stelle ich etwas dar, das mir selbst das Gefühl einer Wertschätzung bringen könnte? 

Was bedeuten diese Fragen überhaupt? 

Wer ich jetzt in diesem Moment bin, wird nicht von meinen Gedanken und meiner Vorstellung bestimmt, sondern vornehmlich durch mein Handeln. Welcher Motivation dieses Handeln folgt liegt allerdings durchaus in meinen Gedanken begründet, und zwar in den Konzepten und Strukturen die ich als das Gerüst meines Selbstbildes und meiner Persönlichkeit errichtet habe. Daher ist auch jede Selbst-hemmung und -verurteilung meine eigene Handlung, eine innere Handlung die mich vor meiner eigentlichen Selbstentfaltung abhält, die mir Schranken und Beschränkungen setzt welche allein auf imaginärer Vorstellung beruhen und nicht wie die der physischen Möglichkeiten auf Tatsachen. Auch der scheinbar gescheiterte Versuch etwas Handelnd zu meistern ist in der Regel in der inneren gedanklichen Hemmung begründet, und sei es in dem hektischen Versuch dem Wunsch nach Unmittelbarkeit zu verfallen und dabei die Notwendigkeit der Übung und des Lernens zu ignorieren. Diese Bedingungen des Scheiterns werden dann bewusst als Unfähigkeit falsch Kategorisiert und dienen dem nagenden Minderwertigkeitsempfinden des Egos als Bestätigung. Anstrengung, Disziplin, Fleiß, Beständigkeit und Durchhaltevermögen sind die Grundpfeiler für jede Handlungsbefähigung und die versuche ich mir nur allzu gern zu ersparen. Und das aus einer angelernten Gewohnheit der Bequemlichkeit heraus. Eine Bequemlichkeit die ebenso heuchlerisch wie verlogen ist, denn tatsächlich überwiegt in der Bequemlichkeit natürlich die Unzufriedenheit über die eigene Untätigkeit oder die angebliche Unfähigkeit. Der Ärger der eigentlich zu mehr Leistung motivieren sollte wird zu Frust, der hemmt und bremst weil er einen Absolutheitsanspruch mit sich bringt der besagt, dass alles Erdenkliche und mögliche bereits getan und versucht wurde und man dennoch gescheitert ist. Dieser Selbstbetrug ist wohl einer der stärksten von jenen die mich seit ich denken kann beherrschen und die mein Leben ausschlaggebend bestimmt haben. Es ist längst überfällig an diesen Punkten zu arbeiten, denn selbst bei dieser Arbeit habe ich mich immer wieder selbst belogen und mir etwas vorgemacht eil ich die Disziplin und die kontinuierliche Anstrengung gescheut habe. Dabei weiß ich genau, wozu ich fähig sein kann und die Verantwortung für mich selbst, mein Leben und die Konsequenzen die es für mich und andere hat ist nicht zu leugnen. Umso schwerer wiegt der verzweifelte Versuch mir Erklärungen und Entschuldigungen für dieses selbstsüchtige Nachlassen auszudenken und er beschäftigt mich so sehr, dass ich die Gedanken die sich darum drehen überhaupt nicht mehr bewusst und immer wahrnehme, sondern sie bilden ein unterbewusstes Schwelen und Brodeln das mich beunruhigt und verunsichert. Und gerade dadurch, dass ich diese Empfindungen zu ignorieren versuche und sie mir nicht in vollem Umfang klar sind, fehlinterpretiere ich die Emotionen   und Gefühle dabei, finde fadenscheinige Erklärungen und Rechtfertigungen und verstricke mich nach und nach in ein Gewühl von halbgaren Selbstwahrnehmungen. 

Die Frage „Bin ich von Bedeutung?“ ist insofern interessant, dass zunächst diese Bedeutung definiert werden müsste. Für wen oder was sollte oder könnte ich von Bedeutung sein? Und was für eine Art der Bedeutung ist das? Ich kann auch für denjenigen von Bedeutung sein, dem ich unheimlich auf die Nerven gehe, allein mit meiner Anwesenheit. Reicht mir diese Art der Bedeutung oder geht es hier um mehr?

Sich nach Bedeutung sehnen ist im Grunde ein Wunsch wahrgenommen zu werden und vor allem auch ernst genommen zu werden. Wie aber sollte das passieren, wenn man sich über sich selbst nicht im Klaren und nicht von den eigenen Fähigkeiten überzeugt ist? Wenn man sich selbst nicht schätzt und sich selbst nichts zutraut, wie sollte man da erwarten können, dass jemand anderes das könnte? Somit ist die Bedeutung in aller erster Linie dir selbst von dir selbst zuzumessen. Alles andere wäre lediglich eine Illusion, eine Einbildung und das eventuell befriedigende Gefühl eines Momentes der Anerkennung von außen nur von sehr kurzer Dauer. Eine ganz neutrale, wertfreie Bedeutung hat alles was du darstellst, ob du zweifelst oder nicht. Die bloße Existenz ist von Bedeutung für deine Zellen, die Mikroben, die Bakterien und Viren, die Luft die du atmest, die Tiere und Pflanzen die dich in deiner Lebenszeit unterstützen und nähren, die Menschen mit denen du interagierst direkt oder indirekt, für alles was du tust kann man Konsequenzen herleiten und erkennen. Die Bedeutung die du selbst suchst und vermisst ist eine emotionale Sehnsucht nach Harmonie unter den Lebenden, ein Einheits- und Zugehörigkeitsgefühl, eine Befähigung die nicht gelebt, nicht praktiziert wird. Doch erreichen kann man diese Bedeutung nur für sich selbst und in dieser Übereinkunft mit dir selbst, unter Zuhilfenahme und Aufwendung all der Kriterien und Maßnahmen zur Erreichung eines Zustandes mit dem du zufrieden, Selbstbewusst und selbstsicher sein kannst wie Disziplin, Selbstarbeit und Aufrichtigkeit. Und jeder Versuch Bedingungen zu stellen ist dabei nichts weiter als ein Versuch die eigene Bequemlichkeit zu rechtfertigen. Doch vor wem? Auch rechtfertigen kannst du dich immer nur vor dir selbst, und allein vor dir selbst kannst du diese Rechenschaft am Ende deines Lebens ablegen. Die Frage ist ob du ignorant und stur genug sein wirst und kannst, selbst angesichts der „letzten Chance“, sofern man dieses Glück überhaupt hat, um dich selbst anzulügen und diese Lüge noch zu glauben. 

Was kann ich mir selbst geben um mir selbst die Wertschätzung entgegenzubringen die ich von anderen erwarte? Ich kann mich mir selbst gegenüber prinzipiell verpflichten. Und zwar dazu, mir immer in Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und gnadenloser Offenheit zu begegnen. Mir alles einzugestehen, jeden Selbstbetrug, jeden scheinheiligen Rechtfertigungsversuch und sei die Angelegenheit noch so banal. Ich kann mich verpflichten die Disziplin, das Durchhaltevermögen, die Stärke und den Fleiß aufzubringen um mich von all den Hemmnissen, den Komplexen der Selbstlimitation, den Minderwertigkeitsgefühlen und vor allem auch von den Ängsten zu befreien die ich als Persönlichkeitssystem im Laufe der Jahre etabliert, erlaubt und zugelassen habe und die mich, meine Entscheidungen und meine Taten bestimmt haben, so dass ich nicht wirklich und wahrhaftig als das Selbst das ich sein kann gelebt habe.
 
Die eigentliche Frage aber ist doch, wie kann man in einer Welt wie der unseren, durch den Menschen geschaffenen überhaupt lethargisch werden? Wie sollte man sich selbst gegenübertreten und dafür gerade stehen können nichts oder nicht genug getan zu haben um die Zerstörung zu verringern, das Leid zu mildern und die Qualen der Kinder zu lindern die durch unsere Ignoranz und ängstliche Untätigkeit toleriert und akzeptiert werden? 

Die scheinbare Begründung ein einzelner könne ohnehin nichts tun ist eben aus einem Grund nicht haltbar, weil sie nämlich von der irrigen Annahme ausgeht, man sei schon ein ganzer, vollwertiger „Einzelner“, der sein eigenes Potential erkannt und in eigener Selbstbestimmung ausgearbeitet hat. Denn das ist genau der Punkt um den es geht wenn man die Frage nach der Lösbarkeit aller menschlicher und von ihm geschaffener Probleme beantworten will: die eigenverantwortliche Selbstbestimmung in Anerkennung der eigenen Fähigkeiten sich selbst grundlegend zu verändern.

Fortsetzung folgt…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen