Freitag, 18. Januar 2013

Tag 106 - Der Mensch, der Angstbeißer (Natur der Persönlichkeit, T2)

h.koppdelaney / Art Photos / CC BY-ND


Dieser Post ist eine Fortsetzung zu

Tag 105 - Natur der Persönlichkeit: Anonymität entlarvt Selbstsucht und Gehässigkeit


Rückblick:

"...Hineingeboren in eine Welt der verunsicherten Geister, der scheinindividuellen und irrationalen Konformisten lassen wir uns von grundauf prägen auf ein Selbstbild das uns zu Marionetten und Sklaven der Erklärungsmuster anderer macht. Wir sehen gar keine andere Möglichkeit als uns anzupassen, da unser gesamtes Umfeld ja bereits auf eine Lebensweise ausgerichtet ist die das Leben als Ware, als nutzbare Ressource behandelt und in der ein Selbstfindungsprozess als körperliches, freies und gleiches Wesen nahezu unmöglich gemacht wird. Daher geben wir natürlich in gewisser Weise freiwillig unsere Selbstbestimmung ab/auf, allerdings wird dieser Entscheidungsprozess begünstigt durch das systematische Ausnutzen von natürlichen Regungen und Ängsten, indem man diese mit neuen Ursachen, erdachten, illusorischen Ursachen verknüpft, indem man uns wie eben beschrieben kaum eine Wahl lässt, denn die einzige Wahl die die Königsdisziplin der mentalen Versklavung, das Geldsystem, dem Menschen lässt ist Anpassung oder Tod, mitmachen oder untergehen. [...]"


Wobei natürlich für sehr viele Menschen nicht einmal diese Wahl bleibt, weil sie entweder unten bleiben oder unter gehen, da ihnen eben die Rolle der Ausgebeuteten, gerade so noch am Leben erhaltenen zugeschrieben ist und bleibt. Denn diese sind absolut notwendig zur Erhaltung des Glaubens an dieses Geldsystem mit seinen leeren Versprechungen und heuchlerischen Werten. Niemals hat es in der Geschichte des Geldsystems und in der Geschichte des Kapitalismus überhaupt eine Ausgangssituation gleicher Chancen und Möglichkeiten gegeben, weil dieses System ein mit Gewalt aufgezwungenes, von den Herrschenden und Mächtigen implementiertes Zwangssystem ist, das nach den Regeln der Elite und damit ausschließlich für die Elite arbeitet.
Nun ja, und anstatt uns einzugestehen, dass wir unser Leben einer Lüge hingeben, verlieren wir uns in unserem Charakter, in dem Gefühl der Aussichtslosigkeit, denn dieser Charakter bietet uns keine Lösung an, wir sind als diese Vorstellung überhaupt nicht handlungsfähig abseits der Systemanpassung, da die Vorstellung, die Gedanken und die Erinnerungen die dieses Selbstbild ausmachen vom System selbst erstellt sind, weil sie genau diesen Zweck erfüllen uns alles abseits dieser Funktionen die bestehen unvorstellbar zu machen. Und nun sind wir in dieser Situation als wahrhaftiges Selbst, als das Leben das durch uns repräsentiert wird, mit dem Rücken an die Wand gestellt und wir können unserer Verzweiflung, den überkochenden Emotionen und vor allem den Ängsten nur dadurch Luft machen, dass wir den Hass, die Wut und den Ärger herausspucken, ihn allen und jedem hinterherspeien die scheinbar das in Frage stellen, was wir in dieser jämmerlichen Gestalt, in dieser verängstigten Vergeistigung alternativlos sein zu müssen glauben. Aber nicht nur diejenigen bekommen den Hass und die emotionalen Ausbrüche zu spüren, selbstverständlich ist die Wahl des Kanals im Grunde recht anspruchslos und willkürlich, dennoch sind es vor allem diejenigen die den Zweifel bestärken, die die Angst zu überwinden versuchen, die besonders gerne zum Ziel der Gehässigkeit und auch der Gewalt werden. Natürlich, denn sie machen die ohnehin schon sehr unangenehme Situation noch wesentlich unangenehmer, da sie die Möglichkeit der Schuldzuweisung aus dem Weg räumen und den Blick auf die Eigenverantwortlichkeit richten.
Die Situation und auch die Reaktion sind beide verständlich, man kann sie nachvollziehen, da man ja selbst Mensch ist, da man sie kennt und durchschaut. Doch in dieser Situation der Ausführende Aggressor zu sein bedeutet nichts zu verstehen, sich selbst und die eigenen Reaktionen eben gerade nicht zu durchschauen, sich nicht zu kontrollieren. Es bedeutet beherrscht zu sein von Gedanken, Programmen und Mustern die nicht das Selbst sind, sondern einem eigenen, durch und durch von Angst, Zorn, Frust und Wut getriebenen Wesen gleichen das den Menschen besetzt und bestimmt.
Die Anonymität des Internets beispielsweise erlaubt es nun dieser Persönlichkeit sich völlig in diesem Ausleben der eigenen Wut zu ergehen, ohne irgendeine ernstzunehmende Konsequenz für sich selbst fürchten zu müssen, nicht einmal in Form einer argumentativen Debatte, der man sich ja ganz leicht entziehen kann. Es ermöglicht den temporären Aufstieg des Egos in einer imaginären Auseinandersetzung mit einer anderen, der eigenen Vorstellung entspringenden Person in eine ebenso imaginäre Überlegenheit, eine Position von der man sich herablassend äußern und die Vorstellung der anderen Person beurteilen kann. All das ist natürlich nicht mehr als ein Theater im eigenen Geist, das sich voll und ganz in der Vorstellung eines einzelnen Menschen abspielt, das aber übertragen und nach außen projiziert wird in der Form schriftlich-verbaler Kommunikation.
Interessant wird es vor allem dann, wenn diese Kommunikation auf Gehör trifft, wenn das 'Gegenüber' einsteigt in diese Art der Auseinandersetzung, denn dann kann man fasziniert beobachten wie sich plötzlich zwei Menschen scheinbar miteinander Unterhalten, dabei aber im Grunde jeder ganz allein für sich bleibt, jeder ein Spiel in seinen Gedanken austrägt, wobei die Teilnehmer eigene Schöpfungen sind, aus Werturteilen, Mutmaßungen und emotionalen Empfindungsreaktionen aufgebaute Einschätzungen einer anderen Person, so geformt und modelliert, dass sie jeweils in die Handlungsmuster des eigenen Gedankentheaters hineinpasst. Die einzige Verknüpfung zwischen den realen Personen ist der verbal ausgetragene Reiz-Reaktions-Zyklus in form von symbolischen Triggern, Floskeln und anderen Sprachmustern. Dabei geht es immer nur darum, das Selbstbild des Gegenübers ins Wanken zu bringen, den anderen von der Minderwertigkeit seiner Selbsteinschätzung zu überzeugen. Doch all das ist ein Selbstgespräch in dem es eigentlich darum geht, sich selbst von der eigenen Wertigkeit zu überzeugen, sich selbst sicherer zu fühlen durch den Vergleich mit einer anderen Person, die man allerdings selbst erdenkt, ohne jemals wirklich eine andere Person zu erfassen. All die Beurteilungen, Wertungen und Angriffe sind selbstgerichtet, denn die eigene Vorstellung kann hur aus dem was sie selbst IST ein Bild einer anderen Person formen, das heißt diese Kreatur in meinem Kopf, sowohl mein ICH als auch das DU, ER oder SIE sind aus mir selbst geschaffen, sie sind ich selbst und somit ist jede Kritik im Grunde eine Selbstkritik. Problematisch wird es eben nur dann, wenn ich mir dieser Tatsache nicht bewußt bin und weiter versuche ein selektiertes Persönlichkeitsbild aus meinem Gedankenkabarett anhand dieser inneren Selbstvergleiche und Wettkämpfe zu bestätigen und zu profilieren, weil ich mich in diesem Prozess natürlich selbst verzehre, mich selbst an mir 'auspowere' und letztlich selbstzerstörerisch gegen mich als das Leben arbeite. In dem Moment also, in dem ich mich genötigt fühle meine Person in Form meiner Meinung/Sichtweise gegen eine Andere Meinung/Sichtweise einer Person die ich als solche Wahrnehme zu verteidigen, bzw. die Person so wie ich sie sehe zu diffamieren und anzugreifen, in diesem Moment stehe ich mir selbst gegenüber und bin schon zu meinem eigenen Opfer geworden, indem ich meine Selbstehrlichkeit, Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung im Tausch gegen kurzlebige Emotionen und Gefühle, gegen die Identifikation mit diesen Energiemomenten aufgegeben habe.

Fortsetzung folgt...

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