Donnerstag, 19. April 2012

Tag 3 - Prozess oder 'Protz-Es'?

 (verfasst am 16.04.2012)

Das Gefühl der Erhabenheit oder der Drang nach Erhabenheit, nach einem Gefühl das einen selbst als 'mehr' oder 'besser' erscheinen lässt als andere. Es ist eine tückische kleine Variante der Selbstwahrnehmung, ein Programm das auf dem Konzept des immerwährenden Identitätskampfes, also dem Kampf um die Absicherung der eigenen Existenz im Geiste aufbaut. Diese Denkweise ist eindeutig anerzogen, kulturell und an gesellschaftlichen Werteordnungen ausgerichtet. Es ist der Versuch einer Ideologisierung des Bewußtseins als abgetrennte Entität in einem Universum des körperlichen. Ironie des ganzen ist, dass durch die mangelhafte Interpretation der wahrgenommenen Realität im Bewußtsein eine Kopie der interpretierten Konzepte angelegt wird, d.h. der Mensch versucht darin aufgrund seines 'Verstandes' die Muster seines Antriebs, seiner Triebe im allgemeinen, anhand des Interpretationsmusters, also der 'Kopie' seiner Wahrnehmung der Zusammenhänge in der körperlichen Welt zu erklären und zu rechtfertigen. Daraus entsteht eine Grundannahme die ebenso grundfalsch wie sie grundlegend für alle seine Vorstellungen von sich und der Welt ist.
Doch soll es hier um spezielle Vorgänge innerer Gedankenmuster gehen und wie sie ganz individuell und fast automatisch einer Anpassung an eben diese grundlegenden Annahmen unterzogen werden, wie sie alles Handeln, Werten und Denken bestimmen ohne dass der Mensch sich ihrer tatsächlich bewußt wird - und dies in ganz besonders fataler Weise, wenn es um den Versuch der eigenen Befreiung von eben diesen 'Bestimmungen' geht. Denn auch hier wirken die Muster auf manchmal sehr subtile Art und Weise, untermalen den scheinbar eigenständigen Prozess der Selbstbefreiung, unterwandern Erkenntnisprozesse und schaffen sich ein neues Habitat, verwoben in einer neuen Identität, anstatt aufgelöst, erkannt und entwirrt als das zum Leben zurückzukehren, was sie tatsächlich sind: künstlich erzeugte Wahnvorstellungen eines mit Bewußtheit geplagten Wesens Mensch das den Bezug zu seinem SELBST völlig verloren hat.

Auf dem Weg von der Erkenntnis falschen oder unangemessenen Verhaltens hin zu der Selbstausrichtung an eben dieser Einsicht ist genau diese Auswirkung ganz grundlegender Denkmuster des Menschen zu erkennen. Man nehme das Beispiel der Vegetarier, die ganz sinnvoll und verstandesgemäß die realen Zustände der Massentierhaltung und der Fleischproduktion als inakzeptabel erkennen und sich nun in ihrem Leben dafür einsetzen wollen, dass dies nicht mehr stattfindet. Sie entschließen sich also, nicht mehr teilzunehmen an dem Missbrauch, dieses Produkt zu dessen Herstellung Tiere in unaussprechlicher Weise gequält werden nicht mehr zu konsumieren. Das ist ein Ansatz der verständlich und auch logisch erscheint. Man entzieht sich als Individuum diesem Prozess. Man hält sich da raus. Doch was nun? Ist damit wirklich etwas getan, das diesen Tieren helfen würde? Und wie soll diese Entscheidung letztendlich umgesetzt werden? Was ist notwendig um aus dieser Erkenntnis eine wirksame Methode zu machen, die am Ende auch zu einem positiven Ergebnis für die Tiere führt? Notwendig wärees in einer Konsumgesellschaft, immer mehr Menschen zu dieser Entscheidung zu bewegen, man muss also überzeugen können. Doch wie stellt man das an?
Hier greift dann leider nur allzu häufig der Standpunkt der 'moralischen Überlegenheit', der Erhabenheit über andere, nämlich über die, die jetzt, trotz all dieser offensichtlichen Vergehen an den Tieren noch Fleisch konsumieren. Und so stellt man auch immer wieder fest, dass Vegetarier sich als moralisch höherwertig in ihrem Verhalten wahrnehmen, weil sie eben nicht mehr teilnehmen. Der Prozess der Fleischherstellung und der Konsum dieses Fleisches wird als etwas verwerfliches wahrgenommen, er wird negativ geladen und somit auch jeder, der daran teilnimmt. Im Umkehrschluss ist daher der Verzicht auf dieses Produkt der positive Gegenpol, die moralische Verantwortung des Einzelnen. Jeder der sich also dieser Entscheidung nicht anschließt, aus welchen Gründen auch immer wird damit negativ belastet, bewertet und ins Verhältnis mit der eigenen positiven Selbstwahrnehmung gesetzt. Daraus entsteht ein ganz persönliches, überwertiges Empfinden das sich in der verbalen und gedanklichen Verdammung aller anderen Personen äußert, die sich dem eigenen Entschluß verweigern. Der Konflikt ist gesetzt, die gegenseitige Aufladung vorprogrammiert und die Argumentation der Überzeugung verkommt zu einer moralischen, fast schon religiösen Missionierungsarbeit. Das lässt sich in vielen weiteren Bereichen beobachten, beispielsweise bei Rauchern und Nichtrauchern, bei Hybridautos fahrenden und Benzin oder Diesel fahrenden Menschen, beim Kauf von sogenannten Bio-Produkten und beim 'Umweltbewussten Konsumieren' generell. Jemand der sich in bestimmten Kreisen mit einer Plastiktüte beim Einkaufen erwischen lässt gilt dort schon als unmoralischer Verbrecher an der Umwelt. Diese konfliktbelastete, polarisierende Grundhaltung des Menschen wird letztenendes jeden Versuch zur Veränderung solcher Zustände blockieren und unmöglich machen. Denn die Programmierung des Geistes hält für solche Fälle sehr gut funktionierende Schutzmechanismen bereit, zum Beispiel die Trotzreaktion die die 'Fleischfresser' beispielsweise dazu veranlasst GERADE im Beisein von Vegetariern besonders genüßlich vom Verzehr ihrer bluttriefenden Mahlzeiten zu sprechen.

Warum ist das so? Weil bei all diesen Anstrengungen etwas zu verändern die eigene Person in den Vordergrund gestellt wird. Das eigene Gewissen steht ganz oben auf der Liste, ich möchte mir nicht länger die Hände schmutzig machen und eine Person werden, die sich an diesen 'Greueltaten' nicht mehr beteiligt. Ich verkenne dabei aber, dass es mich nicht von der 'Last' der Verantwortlichkeit befreit, wenn ich einfach nur mein Verhalten ändere ohne wirklich meinen Verstand zu benutzen um die eigentliche Ursache für die Verhältnisse die ich anzuprangern versuche zu entlarven. Dabei würde ich erkennen, dass ich eben durch die grundlegende Strukurierung meiner Person, meiner Wahrnehmung und Selbstidentifikation die Strukturen des Systems in dem ich lebe und aufgewachsen bin mittrage und aufrechterhalte. Durch die Spaltung in 'Gut' und 'Böse' ohne Einsicht in die Grundursache meiner Wertung, durch die Annahme moralischer Überlegenheit selbst projiziere ich weiterhin genau die Muster und Programme 'in die Welt', die zu den ohne Frage inakzeptablen Zuständen geführt haben. Ich versuche jetzt mich der Verantwortung zu entziehen und bin dabei in hohem Maße unverschämt und dreist, wenn ich mich nicht wirklich mit den Ursächlichkeiten auseinandersetze. Denn der Weg dieser Polarisierung ist der 'einfache Weg' des Gewissens, zu dessen Scheinlösungen lediglich das Denken und die Vorstellung, nicht aber die wirkliche Hingabe notwendig ist. In dieser Hingabe liegt die Einsicht in die Gleichwertigkeit allen Lebens und der gleichen Verantwortlichkeit aller. Die Erkenntnis, dass die Persönlichkeitsprogrammierung der Menschen ihr eigentliches Hindernis ist, dass wir alle gleichermaßen dieser Gehirnwäsche unterzogen wurden führt dazu, dass alle Bewertung, vor allem aber auch die ABWERTUNG anderer unmöglich wird. Denn das Leben ist in allen gleich, das Bewußtsein der Persönlichkeit aber unterschiedlich stark ausgeprägt und vernetzt. Da müssen wir als Menschen forschen, da müssen wir uns in unserer Selbsterkenntnis selbstehrlich und bedingungslos schonungslos offen erkennen und mitteilen, so dass wir als lebendiges Beispiel die Möglichkeiten eröffnen, zeigen, dass die Angst vor sich selbst und der eigenen Verantwortlichkeit unbegründet und ihre Akzeptanz der eigentliche Weg in die Freiheit ist.
Die Hände in Unschuld zu waschen, als unabtrennbarer Teil dieses Systems, dieses Lebens in all seinen Ausprägungen, sich damit zu brüsten oder auch nur zu glauben man hätte alles getan was notwendig und möglich sei ist naiv und im eigentlichen Sinne unmoralisch. Denn es ist ein Betrug an sich selbst.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe mich selbst als einen besseren Menschen zu sehen als andere, weil ich glaubte mich zum 'Guten' verändert zu haben ohne diese Wertung wirklich zu hinterfragen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es akzeptiert habe, dass ich ein bestimmtes Wertungsmuster unerkannt als selbstverständlich hingenommen habe und es nicht hinterfragt habe weil es mir ein 'gutes Gefühl' gab.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaubt und zugelassen habe, mich in Gedanken von anderen abzuspalten und mir währenddessen wiesmachen wollte, dass dies gerade nicht der Fall sei.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaubt und zugelassen habe, mein Wohlbefinden über die Selbstehrlichkeit zu stellen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaubt und zugelassen habe Teil dieses Gedankenmusters zu sein, welches in gegenseitiger Abgrenzung und Abwertung eine scheinbare Identität in Relation zu der eigenen Abschätzung anderer schafft.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaubt und zugelassen habe, dass diese Programme nahezu unbemerkt mein Handeln und Denken bestimmt haben.

Ich vergebe mir selbst, dass ich mich nicht zur Selbstehrlichkeit durchringen konnte in dem Punkt, dass all meine Abschätzung und Bewertung die sich auf 'Personen' beziehen keine Wirklichkeit und keinen Nutzen haben, da sie sich in den illusionären Sphären der gedanklichen Existenz und des Glaubens bewegen.


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Wann immer ich in einem Punkt der Selbsterkenntnis den Eindruck der Überlegenheit oder Erhabenheit meiner 'Person' bekomme, mache ich mir wieder bewußt, dass dies ein Irrglaube ist der mich wieder in die Gedankenfalle einer unwirklichen, fremdbestimmten Glaubensexistenz steuert, eine Funktion der Programmierung des Bewußtseins um mich von Selbstbestimmter Selbstbefreiung in Gleichheit und Einheit mit allem Leben abzuhalten. Ich sehe diesen Selbstbetrug ganz deutlich und bearbeite diesen Punkt der dieses Empfinden verursacht noch einmal in absoluter Selbstehrlichkeit, in vollem Gewahrsein meiner Existenz in diesem Moment als das Leben.
Die Auslösung dieser MEpfindungen der Überheblichkeit deuten auf unbearbeitete oder vor sich selbst versteckte Punkte, Ängste und Unklarheiten hin. Nur wenn ich sie unbeeinflusst durch persönliche Präferenzen oder Gefühle vom Standpunkt der puren Existenz in Gleichheit und Einheit schonungslos ans Licht bringe, bin ich in der Lage mich wirklich zu befreien um ein selbstbestimmtes, verantwortungsbewusstes und am Wohle allen Lebens ausgerichtetes Leben in freiheitlicher Selbstentfaltung zu führen.

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