Fortsetzung zu
Tag 161 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 3
Auszug:
In alles und jedes wollen und müssen wir Vorstellungen
überwertiger Natur projizieren. In die Waren und Artikel unserer
industrialisierten Konsumkultur, in unsere Beziehungen zueinander,
die Liebe, die Familie, alles wollen wir verherrlicht sehen,
strahlend in unserem Bewusstsein, banal in der reinen Wahrnehmung,
weil wir das Wirkliche, das wahrhaftig Schöne nicht mehr ertragen
können, stellt es sich uns doch direkt als Gleiches dar, als Teil
von uns Selbst. Selbst in die Natur, unsere alleinige Lebensgrundlage
fantasieren wir übernatürliches hinein. Alles nur um uns nicht der
Wahrhaftigkeit unserer eigenen Verantwortlichkeit und der gewollten
Unfähigkeit zur Mündigkeit stellen zu müssen.
Fortsetzung:
Das
Göttliche und übernatürliche zu suchen bedeutet im Grunde sich
freisprechen zu wollen von der Verantwortung die ein selbst-bewusstes
Leben in Einheit und Gleichheit mit allem Leben mit sich bringt - und
nichts weiter.
Was ist gemeint mit der Gleichheit
allen Lebens?
Allzu oft wird der Begriff der
Gleichheit des Lebens mit Eintönigkeit, mit Gleichmacherei und
Einschränkung der persönlichen Freiheit gleichgesetzt. Diese
Auffassung geht von einer Annahme aus, dass der Mensch so wie er ist
frei in seiner Entwicklung und seinen Entscheidungen wäre. Dass
diese Grundannahme aber bereits ein Irrtum ist, ist nicht schwer
aufzudecken. Gerade in einer Gesellschaftsordnung wie der unseren,
die stark von einem freiheitlichen Gedanken der Entfaltung
persönlicher Interessen und persönlichen Konsums geprägt ist, wird
dieser Standpunkt der Mensch sei von sich aus frei in seinen
Entscheidungsmotiven in vielerlei Hinsicht missbräuchlich
manipulativ benutzt, er wird nicht explizit hinterfragt oder
analysiert, sondern der Mensch wächst in einem Gefüge auf, das ihn
bereits von klein auf konditioniert und das seine Bedürfnisse lenkt,
verknüpft und gezielt beeinflusst. Kleinkinder haben beispielsweise
bereits ziemlich genaue Vorstellungen davon, welches Spielzeug sie
sich wünschen und man kann kaum davon ausgehen, dass dieser
explizite Wunsch nach einer bestimmten Puppe beispielsweise bereits
von Geburt an als Ausdruck persönlicher Freiheit angelegt wäre.
Vielmehr sind in dem Bewusstsein eines drei oder vierjährigen Kindes
bereits Verknüpfungen von Wertvorstellungen, Ideen emotionaler
Beziehungen und Identifikationssymbole durch die Umwelt, die
Erfahrungen mit anderen Kindern, die mediale Manipulation durch
Werbung, angelegt worden die für das Kind den Besitz eines
bestimmten Spielzeugs mit inneren, persönlichen Bedürfnissen nach
Anerkennung, nach emotionaler Befriedigung, nach Unterhaltung und
Selbstwertempfinden verketten. Ebenso werden symbolträchtige
Eigenschaften von Waren und Gütern die dem Konsumenten einer
kapitalistischen Gesellschaft zur Verfügung stehen künstlich
generiert und etabliert, so dass auch Erwachsene ihr Konsumverhalten
anhand innerer Bedürfnisse und Wünsche, die sie letztlich für ihre
freie Entscheidungsfähigkeit halten, ausrichten und sich ein Auto
beispielsweise nicht nach oder nicht ausschließlich nach praktischem
Nutzen, sondern vor allem auch nach seinem kulturellen Wert und
seiner repräsentativen Eigenschaft aussuchen. Diese
Entscheidungskriterien werden dann als Interessen gewertet, die
wiederum den Eigenschaften einer menschlichen Persönlichkeit
angerechnet werden. Der freie, eigenständig handelnde und
entscheidende Mensch ist daher gerade in den als freiheitlich
demokratisch geltenden, westlich kapitalistischen Gesellschaften eher
eine Illusion, denn ein großer Teil der Interessenvielfalt ist durch
die jeweilige kulturelle Programmierung vorbestimmt.
Und genau da greift eben auch der
Versuch, die grundsätzliche Gleichheit des Lebens als die Gleichheit
der Interessen, bzw. der zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten
persönlicher Interessenentfaltung zu verstehen und dadurch ein
missbräuchliches, ausbeuterisches Verhalten und die Ungleichheit der
Lebensumstände in unserer Welt zu rechtfertigen. Dem zugrunde liegt
eine vage Vermutung, dass die soziale Notlage der Menschen, die nicht
dieselbe Wahlmöglichkeit haben, die nicht an der Konsumideologie
teilhaben können mit ihrer Unfähigkeit sich selbst frei zu
entfalten und sich eigenständig einzusetzen zusammenhängen würde
und nicht etwa mit den politischen und sozialen Zwängen und der
gewaltsamen, systematischen Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen.
Tatsächlich liegt der Illusionäre
Aspekt unserer Konsumideologie aber genau dort, wo wir glauben frei
und eben nicht gleich zu sein, in der scheinbaren Vielfalt unserer
Interessen die durch künstlich erzeugte, symbolträchtige Kult-Werte
um Konsumprodukte geschaffen wird, die wir uns dann aneignen, die wir
verzehren und mit denen wir uns schmücken um so unsere
Individualität zu bestätigen. Wir verkennen dabei völlig, dass wir
gerade in diesem Verhalten eben gleich-gemacht und fremdbestimmt
sind, dass die Vielfalt dabei im Grunde nur eine Vorstellung ist, da
die Bedürfnisse die wir zu befriedigen suchen tatsächlich immer
wieder dieselben sind und durch den reinen Konsum ideologisch
aufgeladener Güter nicht erfüllt werden können. Doch anstatt uns
von diesem Verhalten das sich als nutzlos und unpraktisch erweist zu
lösen, suchen wir nach jedem erfolglosen Versuch wieder ein neues
„Etwas“, eine neue Ware oder ein „Mehr“ bestimmter Güter in
der Hoffnung auf einen Erfolg. Die Prägung auf ein solches Verhalten
von klein auf, die Verknüpfung menschlicher Emotionen und der
Persönlichkeitsentwicklung mit solch einem
programmatisch-systematischen Konstrukt führt zu einer Abhängigkeit
durch Angst, nämlich der Angst des Existenzverlusts, da die eigene
Selbstwahrnehmung und das persönliche Selbstwertgefühl einzig an
diese künstlichen, mentalen Formen gebunden sind. Was bleibt wenn
ich diese Vorstellungen aufgebe ist nicht greifbar, nicht
wahrnehmbar, weil ich davon nichts weiß, weil mich niemand
angeleitet hat meinen Selbstwert und meine Selbstwahrnehmung in
Einheit und Gleichheit mit allem Leben, mit der Existenz selbst, also
dem, was tatsächlich primär IST zu entdecken und zu verstehen.
Aus der Akzeptanz dieser
Einzigartigkeit in eigenständiger Selbstbestimmtheit auf der
Grundlage des Selbstwertes in Einheit und Gleichheit mit allem Leben
entsteht erst die eigentliche Vielfalt. Individuell zu sein bedeutet
dabei auch immer eine Bereicherung für die Gemeinschaft zu sein und
kann unter keinen Umständen auf der Ausbeutung einer Notlage eines
anderen aufbauen. Solche Formen der Selbstüberschätzung sind im
Grunde eine inakzeptable, destruktiv-parasitäre Verhaltensform die
von einer gesunden Gemeinschaft geächtet werden muss. Dass sie in
unserer Welt zu scheinbarer Anerkennung und Bewunderung führt ist
ein erschreckend deutliches Zeichen für die Erkrankung des Menschen
an der Programmatik seines eigenen Bewusstseins.
Fortsetzung folgt...
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