Freitag, 20. Juni 2014

Tag 177 - Psychologie aus der Sicht eines Nicht-Psychologen Teil 13 "Die Politik des Inneren" I

h.koppdelaney / Foter / Creative Commons Attribution-NoDerivs 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0)




Wenn es um Reaktionen auf andere Menschen, auf ihre Äußerungen und ihr Verhalten einem selbst gegenüber geht, dann ist man schnell der Meinung diese Menschen seien für die Reaktionen auch wenigstens zu einem Teil mit verantwortlich. Doch das ist nicht wirklich der Fall wenn man sich selbstehrlich befragt und mit den Reaktionen auseinandersetzt.


Wer ist verantwortlich für meine emotionalen und körperlichen Reaktionen?

Nehmen wir zum Beispiel eine Auseinandersetzung zwischen Lebenspartnern, bei der es sich um eine ganz banale Sache wie das Heruntertragen des Hausmülls geht. Die simple Aufforderung den Müll in die Tonne zu bringen kann unter Umständen eine heftige emotionale Reaktion auslösen die zu der eigentlich einfachen Situation in keinem Verhältnis steht. Für diese Reaktion kann es wieder viele verschiedene Gründe geben, es wäre überhaupt nicht möglich oder erstrebenswert alle diese Gründe auch schon bei einer einzigen Person aufzuspüren, denn die emotionalen Verbindungen und die bewussten und unbewussten Verzweigungen von Bedeutungssträngen in der Tiefen Persönlichkeitsstruktur eines Menschen sind letzten Endes auch nur ihm selbst zugänglich und darum ist gerade das die Herausforderung auf dem Weg zur Selbstehrlichkeit und Freiheit von scheinbaren Erklärungsmustern die für Konflikte und unlösbar verhärtete Situationen zwischen Menschen sorgen.
Wenn man sich also in einer vergleichbaren Situation im Moment der emotionalen Reaktion selbst stoppt, nicht mehr an der Gedankenkette von Selbstrechtfertigung, Beschuldigung und dem emotionalen Bedürfnis sich in Ärger und Wut zu verlieren beteiligt, dann stellt man zum einen fest, dass die Situation nicht abhängig von diesem inneren Konflikt ist und man auch ohne dieses emotionale Muster sehr gut durch sie hindurch kommt, und zum anderen merkt man durch diesen Schritt, dass man selbst die eigenen Reaktionsmuster steuern und vielleicht sogar kontrollieren kann. Ein Vielleicht bleibt es so lange, bis man sich tatsächlich durch die eigenen Gedankenmuster gewühlt und sie verstanden hat, so dass man sich selbst bestätigt, dass man sie eigens kreiert und kultiviert hat und sie keineswegs von jemand anderem erzeugt oder verursacht werden. Das ist ein enormer Schritt der Selbstbefreiung, weil man sich eben nicht mehr als abhängiges Opfer und als Spielball der Umstände sieht und verhält, sondern selbstbestimmt, frei und offen mit jeglicher Situation umzugehen imstande ist. Es ist natürlich ein Prozess dorthin zu gelangen der keineswegs immer angenehm ist, daher zieht man oft den gewohnten Umgang der Schuldzuweisung und der externalisierten Ursachensuche vor, man kennt sich mit den emotionalen Reaktionsmustern aus und kostet sie aus, weil sie einem das Gefühl geben etwas reales, wirkliches zu sein. Im Grunde sind sie aber nur flüchtige Wellen von Energie die letzten Endes sinnlos verschwendet ist.

Tatsächlich sucht dieses emotionale Reaktionsprogramm nach einem Gegenspieler der sich entsprechend der erwarteten Rolle verhält und da diese Verhaltensmustern und diese Denkabläufe gesellschaftlich kulturell integriert sind, findet man in seinem gegenüber ein dankbares Opfer das eben auf diese Schuldzuweisungen provoziert reagiert und ebenfalls mit Ärger und Zorn oder aber auch mit unterwürfiger Beschwichtigung reagiert, so dass man sich bestätigt und rehabilitiert fühlen kann. Doch all diese Spielereien dienen keinem wirklichen Zweck, lösen keine realen Probleme, sie sind eben nicht wie oftmals behauptet wird produktiv sondern hemmen und bremsen den Menschen, die Situation und beider Entwicklung. Denn betrachtet man die inneren Vorgänge in einer solchen Situation stellt man fest, dass die Reaktionen, die Emotionen mit Erinnerungen verknüpft sind und das Bewusstsein stetig versucht vergleiche herzustellen und die aktuelle Situation zu einer Kopie bestimmter Erfahrungen aus der Vergangenheit zu machen. Dadurch wiederholt man gedanklich einfach vergangene Erlebnisse ohne wirklich konsequenten Bezug zur aktuellen Situation zu nehmen. Dadurch verbaut man sich viele Möglichkeiten die eigenen Fähigkeiten der Problemlösung gezielt auf die eigentliche Erfahrungssituation anzuwenden. Und selbstverständlich kann mit dem gesunden Menschenverstand bemessen keine Situation zu einhundert Prozent mit einer anderen Situation vergleichbar sein. Aber genau davon gehen solche emotionalen Reaktionsmuster aus, was sie zu einer Endlosschleife, zu einem Programmfehler macht.

In Wahrheit können wir alle unsere Reaktionen, unsere emotional bedingten Urteile und fadenscheinigen Schuldzuweisungen abstellen. Wir haben die Möglichkeit in jedem Moment unsere Funktionen zu erkennen und zu verstehen um dadurch nicht nur uns selbst zu befreien und uns einen Gefallen zu tun, sondern auch im Sinne des Besten für alle zu handeln. Denn natürlich ist auch das Gegenüber in dem Moment wieder in einem emotionalen Reaktionsprogramm gefangen so lange wir dieses Spiel betreiben und die vorhersehbaren und erwarteten Verhaltensmuster zeigen.

Nehmen wir wieder das Beispiel „Müll runter tragen“, wie oft ist es so, dass derjenige der jemanden zu dieser Handlung auffordert im Grunde schon mit einer Ablehnenden Reaktion, mit Ärger und Unmut rechnet, sich sozusagen schon innerlich wappnet mit einem Gegenargument, einem Druckmittel wie beispielsweise einer erpresserischen Drohung aufzuwarten? Der Verlauf, der Konflikt ist damit im Moment der Aufforderung schon vorbestimmt und man könnte sich und dem anderen einen großen Gefallen tun indem man diese vorhersehbare Situation vermeidet und den Müll einfach selbst herunterbringt. Natürlich würde das die Grundproblematik die zwischen den beiden Personen besteht nicht lösen, dennoch könnte man dadurch viel Zeit sparen und ungesunden Stress vermeiden. Allerdings reicht bisweilen auch schon das kommentarlose „selbst-Heruntertragen“ aus um eine emotionale innere Reaktion bei dem anderen hervorzurufen, der auf diese Handlung reagiert als ob man etwas gesagt hätte. So absurd das klingen mag, viele kennen sicherlich eine ähnliche Situation. Denn auch der andere kann durch die ewige Wiederholung ähnlicher Situationen, durch reine Gewohnheit schon eine Erwartungshaltung entwickeln, die beim Beobachten des anderen wenn er den Mülleimer leert bestimmte Signale wie Augenrollen, Stöhnen, Körperhaltung usw. als eine Provokation interpretiert und als solche aufnimmt. Das heißt, dass das vermeiden solcher Momente kaum mehr möglich ist, es sei denn man fängt gemeinsam an diese Problematik selbstehrlich und offen anzugehen, und das bedeutet jeder muss eigenständig und für sich selbst in der Lage sein die eigene Verantwortung für das Entstehen solch emotionaler Reaktionsmuster anzuerkennen und zu analysieren.

Andernfalls ist jeder Versuch der Harmonisierung einer Beziehung nur kurzfristig und allein vom Moment der Aussprache und der Energie der Motivation getragen, welche – und das liegt in der Natur jeder energetischen Aufladung – verfliegen wird und die alten Muster werden sogar verstärkt wieder auftreten, da der Faktor der Frustration und Enttäuschung hinzukommt, für dessen unangenehmes Empfinden man natürlich wiederum die andere Person verantwortlich machen wird.
Die Schwierigkeiten denen man sich in einem selbstehrlichen „Reinigungsprozess“ stellen muss sind enorm und die Versuchung sich in Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen für erkannt inakzeptables Verhalten zu verlieren ist groß. Doch muss man sich, wenn man es ernst mit sich selbst meint, immer wieder zurückholen in den Moment der Wirklichkeit, des Hier seins, dem äußerst un-spirituellen Hier und Jetzt in dem es keine Vergangenheit gibt. Nur dann kann man feststellen wie selbstehrlich und aufrichtig man wirklich ist, denn die Entscheidung gegen über Generationen in Fleisch und Blut übergegangene Gewohnheiten zu handeln ist eine der schwersten und es gibt dafür kein Schulterklopfen, keine direkte Belohnung, eine Systematik die uns ebenfalls vom System der verlogenen Heuchelei in dem wir leben einprogrammiert wurde, die Erwartung der direkten, eigennützigen Belohnung. Der Ertrag ist langfristig und vor allem wirklich. Er hat Wert und Substanz und nicht ausschließlich im ideellen Sinn, sondern wahrhaftig im physischen, lebendigen. Der „Erfolg“ ist hier ein universaler, das Resultat ist zum Besten aller.

Alles was wir in unserer Welt an Wertvorstellungen und persönlichem Erfolg konzipiert haben trägt den Denkfehler in sich, dass es allein auf unsere Vorstellungswelt ankäme und erst zweitrangig auf die der physischen Umstände. In all den verhältnismäßig kurzen Jahren der Menschheitsgeschichte hat dieses Denken, je tiefer es sich verankert hat, unendliches Leid und Zerstörung hervorgebracht. Die Argumentation der Fortschrittlichkeit unserer Zivilisationen, der Technologie und des Gesundheitswesens lassen außer Acht, dass dieses Potential nicht nur ausschließlich einer relativ kleinen Elite der Weltbevölkerung zugute kommt, sondern dass es unter anderen Umständen, ohne die profitorientierte und machtzentrierte, gewaltsame Steuerung, ohne die Selbstsüchtige Unterdrückung und Sabotage anderer sehr wahrscheinlich noch wesentlich größer und fortschrittlicher sein könnte als es für eben diese elitäre Gruppe schon ist. Die dreiste Argumentation, es sei eben dieser Wettkampf der Menschen, der den Fortschritt erst in Gang setzen würde, die Triebfeder aller Entwicklung ist geradezu lächerlich, denn die Ausbeutung und Verelendung ganzer Nationen im Namen des Profits hat nur denjenigen Menschen geholfen, die eben gerade dieses Potential in die Bahnen ihres Selbstinteresses lenken und durch den zwangsweise verbreiteten existentiellen Zwang eben gerade nur solche Bereiche der Entwicklung und Forschung vorantreiben, die dem Erhalt dieser Plutokratischen Machtverhältnisse und der Diktatur der Psychopatischen Profitgier dienen. Und was tut man, um Forschung und Entwicklung eines bestimmten Bereiches, beispielsweise des militärischen Sektors, voranzutreiben? Man pumpt Geld hinein, stellt Mittel zur Verfügung, mach den Forschern die Arbeit so angenehm wie möglich und bezahlt sie gut. Nicht etwa, weil sie für das Wohl aller arbeiten, sondern ausschließlich im Interesse derjenigen, die das Geld zur Verfügung stellen, welches eben in den Händen derer liegt, die die Macht in einer hochgradig Lebensfeindlichen und würdelosen, heuchlerischen Systematik haben.

So bin ich in einem Zug vom Kleinen ins Große geraten, und genau so ist es mit unserer menschlichen Weltenordnung. Das Große repräsentiert das Kleine und umgekehrt. Das System kann nur so existieren, weil wir alle es in unserem täglichen Verhalten, Handeln und Denken zulassen, es nähren und unterstützen. Zwangsläufig müssen wir uns an die Regeln und Gepflogenheiten anpassen um nicht unsere Existenz aufs Spiel zu setzen und nicht dieses Gefühl von Identität zu verlieren, das uns künstlich eingepflanzt und immer wieder neu verkauft wird. Weil wir daran glauben machen wir weiter und treiben uns wie ein emotionaler Junkie in den eigenen Untergang. Dieses Wort mag pathetisch klingen, aber es ist eigentlich ganz banal real. 

Die Identität aber, die ich verlieren kann, ist keine Identität. Das Selbstwertgefühl, das mir ein anderer durch Worte oder Taten schmälern kann, ist kein wirklicher Selbstwert. Wenn ich mich nicht selbst so sehen kann wie ich bin, dann kann ich mich auch niemals selbst bestimmen. Wollen wir also als Menschen, als Menschheit mehr sein als programmierte Fleischmaschinen die nach und nach Opfer ihrer eigenen Ignoranz werden, dann müssen wir, im Kleinen und dann im Großen (sofern es diesen Unterschied überhaupt gibt) damit anfangen unsere innere Systematik, die Programme und Muster unseres Denkens zu verstehen. Und das geht eben nur dann, wenn wir uns in gnadenloser Selbstehrlichkeit gegenübertreten und die Masken vor uns selbst fallen lassen. Was wir dann sehen ist das was wir sind. Und was wir dann wahrhaftig ändern ist das, was wir sein werden. Das kann aber nur etwas sein, für das wir allein gerade stehen und für das wir allein die Verantwortung tragen.
Eigenständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung. Hier sein für sich selbst und die Einheit allen Lebens die man ist. Das macht einen freien, ehrlichen, vertrauenswürdigen und mündigen Menschen aus. Und allein auf dieser Grundlage lassen sich freiheitliche Gesellschaften aufbauen.

Fortsetzung folgt…

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