Donnerstag, 8. November 2012

Tag 79 - Mein Kind in den Augen aller Kinder (Teil 1)



Wenn ich an den Tag zurückdenke an dem mein Sohn geboren wurde, - oder eigentlich brauche ich gar nicht daran zurückdenken, weil sich im Grunde nichts and dieser Erfahrung geändert hat, weil ich sie jeden Moment wieder mache, dennoch, als ich ihn zum ersten mal in den Armen hielt und mir dieser Moment einfach so aus den gedanklichen Händen glitt, ich nur noch hier war, auf dieses Wesen schauend, als ich gespürt habe wie diese 'Liebe' für das Leben, in diesem speziellen Moment auf dieses Leben in meinen Händen gerichtet war, da war ich mir einhundert prozent sicher, dass alles wofür ich einstehe, alles was ich bin nur diese eine Bestimmung haben kann meine Verantwortung für das Leben in jedem Moment gegenwärtig zu haben und zu leben, sie umzusetzen mit aller Anstrengung und allem Einsatz der notwendig ist um diesen Moment des Eintritts in das menschliche Dasein für jedes Kind dieser Menschheit zu einem so sicheren und geborgenen Moment werden zu lassen. Ich war natürlich ganz bei meinem Sohn, ich war überwältigt von diesem ganzen Vorgang, der Realität dieses lebendigen Moments, doch das was mir klar wurde, ohne dass ich es mir in Gedanken vorbeten musste oder zu einem Konzept werden ließ, war universal. Das Empfinden und Erleben dieses Augenblicks galt für mich für alle Menschen, für alles Leben gleichermaßen aber vor allen Dingen eben für alle Kinder, für alle Neugeborenen dieser Erde. Der Mensch kommt aus dieser Erde in diese Form der Existenz als ein hilfloses, schutzbedürftiges Wesen, vollkommen auf die Vertrauenswürdigkeit seines Umfeldes und vor allem seiner Eltern angewiesen. Das Leben selbst, eine reine, pure Reprasentation des Lebens, des reinen physischen Lebens, ganz körperlich, ganz real, in diesem Moment, es vertraut sich selbst in der Form seiner Eltern. 

Man würde das Gefühl das man in diesem Moment hat wahrscheinlich als 'Liebe' bezeichnen, ich vermeide diesen Begriff allerdings, weil er schon so sehr von unendlichen Gedanken- und Wertkonzepten, von kulturellen und persönlichen Prägungen verunreinigt und missbraucht worden ist, dass ein 'Verständnis' dessen was eigentlich gemeint ist im Grunde kaum noch vermittelbar ist durch seine Benutzung. Es ist vielmehr eine freudige Umarmung und Akzeptanz der Eigenverantwortung als und für das Leben an sich. Das eigene Kind ist einem nahe, es ist interessanter von einem persönlichen Standpunkt aus gesehen, es ist die ganz eigene Verantwortlichkeit die in ihm liegt, also im übersetzten Sinn die ganz eigene Liebe, etwas Besonderes als die eigenverantwortliche Aufgabe die es ist, aber es ist kein 'besonderes Leben', denn das kann es nicht geben. Es ist so besonders und nicht besonders wie alles Leben, wie alle neugeborenen schutz- und versorgungsbedürftigen Kinder. Und das ist und war mir durch einen langen Prozess der Selbsterkenntnis und eigenverantwortlichen Selbstarbeit, der Selbstbefreiung von der Verblendung durch die systemischen Programmierungen des verherrlichten und selbstzerstörerischen Selbstinteresses auch schon vor der Geburt meines Sohnes bewußt, doch nach dieser Erfahrung war es mir in Fleisch und Blut übergegangen. Die Kinder dieser Erde sind nicht 'unsere Zukunft', dieser Satz ist voll von Überheblichkeit und Egoismus. Sie sind unsere Verantwortlichkeit und es ist ihre erlebbare Zukunft um die es geht. Aber wir alle sind gleichermaßen das Leben, das werden wir nicht ablegen. Unsere Prägungen, unsere konditionierten Persönlichkeiten, auch die Gesellschaftssysteme die wir aufgrund dieser Prägungen und Programmierungen kreieren, die Systeme die wir erlauben und unter deren Herrschaft wir unsere Kinder zwingen und nach deren Werten wir sie weiter prägen, konditionieren und programmieren liegen eindeutig in unserer Verantwortlichkeit. Die Frage die wir uns also stellen müssten ist die, ob wir überhaupt vertrauenswürdig genug sind um als Einzelne und auch als Gesellschaft die Verantwortung für das Anleiten, Ausbilden und Vorbereiten eines schutzbedürftigen, auf Hilfe angewiesenen, vertrauensvollen und beeinflussbaren Kindes auf und für ein Leben in dieser Gesellschaft, in diesem System und unter diesen Umständen der menschlichen Existenz, in Würde zu tragen. Können wir uns selbst gegenüber tatsächlich dafür gerade stehen? Können wir unsere Kinder in dieser Welt in voller Zuversicht und Vertrauen auf das Verantwortungsbewußtsein der 'Gemeinschaft' zurücklassen, oder haben wir unser ganzes Leben nur damit zugebracht die Zustände zu akzeptieren und uns einen persönlichen Vorteil zu ergattern, auch und vor allem auf Kosten anderer? Waren wir damit zufrieden, weil wir uns ausreichend betäuben konnten durch unsere privilegierte Stellung in diesem System, weil wir uns ablenken konnten mit den Geist überflutender Unterhaltung, mit Entertainment, weil wir unserem inneren, in die Gedanken geflüchteten Leben genug Kopfkino zur Verfügung stellen konnten um das Elend, das Leid und die lebensverachtenden Konsequenzen unserer akzeptierten und durch unser aller Erlaubnis ermöglichten Systeme des Raubbaus und der Versklavung des Lebens im Namen des geheiligten Profits einiger weniger zu verdrängen, in dem Glauben, dass dieses Streben nach ebensolchen Positionen des Missbrauchs, der Macht und Täterschaft der einziger Antrieb menschlicher Entwicklung und menschlichen Lebens überhaupt wirkt? 


Jetzt, da man selbst ein Kind - oder mehrere - in diese Welt gesetzt hat, gehört es in einem wachen Moment lebendigen Selbst-Bewußtseins eben zu genau diesen 'anderen', die auch bisher die Konsequenzen des selbstsüchtigen Lebens zu (er)tragen hatten. Plötzlich kann dieses Kind, das man angeblich so sehr liebt und schätzt zu eben diesem Opfer werden und nun wird es auch schwer, die eigene Ignoranz noch aufrecht zu erhalten. Der einzige Ausweg ist der zu versuchen, es so gut wie möglich an die Systematik anzupassen, es zu einem Elite-Soldaten zu machen, es zu einem 'Täter' der ersten Güte werden zu lassen. Alles, indem man ihm Lügen über Lügen unterbreitet, sein Bewußtsein mit scheinheiligen Rechtfertigungen füttert, es von den Bildern der Wirklichkeit fernhält und seinen Geist stattdessen mit Märchenwelten füttert und ihm den subtilen Glauben vermittelt, diese würden unsere Realität widerspiegeln. Es ist eine Verschwörung aus Angst, aus der Angst sich die Lüge des eigenen Lebens einzugestehen und jetzt handelt man Kopflos und verzweifelt, versucht seine eigene 'Brut' noch irgendwie durchzubringen. Das ist der einzige Antrieb und die einzige Motivation die man in allen Ausbildungsmethoden und Erziehungskonzepten der Menschen überall beobachten kann. Perfektionierte Anpassung um jeden Preis, und dazu ist jeder Betrug und jede Lüge recht.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es erlaubt und zugelassen habe, mein Leben und meine Persönlichkeit an die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen ohne nennenswerten Widerstand anpassen zu lassen und mich mit meiner programmierten Idee von mir selbst und meinem Leben als einem vom Rest getrennten Individuum auf der selbstsüchtigen Suche nach persönlicher Erfüllung um jeden Preis zu identifizieren.

Fortsetzung folgt...

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