Was ist der Ursprung der Angst? Ich meine nicht die Angst
der unmittelbaren Bedrohung, die lebendige, auf reale Situationen reagierende,
körperlich bedingte Todes-Angst, die ist ein anderes Thema, sondern die Angst
der gedanklichen Konstruktion von Szenarien, die Befürchtungen und
Zukunftsprojektionen die dich in Angst versetzen.
Die Angst vor Vorstellungen und Erwartungen kann doch nur
dann relevant, von Bedeutung oder überhaupt erst möglich sein, wenn man seine
eigenen Gedanken als prophetisch wahrnimmt und sich selbst als Opfer der
Umstände betrachtet, also glaubt man sei der Zukunft hilflos ausgeliefert und
nicht an ihrer Gestaltung beteiligt. Dieser Geisteshaltung sind wir in unserer
Welt fast alle verfallen, wir nehmen uns als Opfer wahr, denken wir seien
unschuldige Individuen, dazu verdammt in dieser mehr oder weniger feindseligen
Gesellschaft zu leben, wir müssen und dazu zwingen uns anzupassen und an die
Regeln zu halten, weil wir so unseren Vorteil erringen können, nur so unsere
persönlichen Bedürfnisse befriedigt bekommen. Doch unsere Bedürfnisse sind Teil
dieser Gesellschaft, sind von ihr geformt und geprägt, unsere Vorstellungen von
Werten, Idealen und von uns selbst sind durch die Systeme geprägt in denen wir
aufgewachsen sind und daher sind sowohl unsere Vorstellungen als auch wir
selbst eins mit dem System, wir sind diese Welt, wir sind die „Umstände“ denen
wir uns ausgeliefert sehen und so ist letztlich auch die Angst vor den möglichen
Geschehnissen die Angst vor den Konsequenzen unserer selbst als diese
fremdbestimmten, programmierten Kulturroboter.
In dieser Vertiefung in Befürchtungen, Sorgen und Ängsten,
auch wenn sie unangenehm erscheinen, fühlen wir uns aus Gewohnheit im Grunde
wohl, es ist ein energetisches Erleben das die Selbstidentifikation als Opfer
der Systeme, als Idealbild eines unschuldigen, isolierten Wesens verstärkt und
wie auch das Vergleichen, die Kategorisierung, das Annehmen von Rollenverhalten
und das Verlangen nach materiellen Symbolen des eigenen Existenzwertes der
Rückversicherung und Bestätigung des eigenen Seins dient. Deshalb fällt es uns
ebenso schwer uns von diesen Denkmustern zu befreien wie von der
Selbstverblendung des ‚positiven Denkens‘.
Weder die eine noch die andere „Richtung“ der gedanklichen
Selbsthypnose hat natürlich einen rationalen, praktischen, Problemlösenden
Sinn. Wir wissen das. Was aber veranlasst uns dennoch so hartnäckig an diesem
Verhalten festzuhalten? Warum verschwenden wir Zeit und Energie darauf uns in Fantasien
zu ergehen die nichts zur Lösung unseres Problems, zur Beseitigung der Angst
beitragen?
Wenn man sich beobachtet in der Rolle des verängstigten, von
Befürchtungen geplagten Menschen, dann erkennt man einen unwiderstehlichen
Drang nach Austausch mit anderen, man möchte seine Sorgen mit jemandem teilen,
man möchte sich darüber auslassen, sie ‚besprechen‘ als ob man sie dadurch
wahrscheinlicher und wirklicher machen wollte. Der Sinn dieses Austausch ist
aber in aller Regel eine Bestätigung und damit eine Verstärkung der eigenen
Ängste zu erhalten und dadurch seine Selbstwahrnehmung als Opfer in
selbstmitleidiger Manier noch intensiver auszukosten, oder aber der Versuch die
Angst von jemandem schlichten oder sich nehmen zu lassen, indem man eine „Absolution“
erhält, indem man sich von der Meinung oder Einschätzung eines anderen abhängig
macht.
Nichts von alledem ist real, weder die Absolution, noch der Einfluss
des Gesprächspartners in bestätigender Weise. Es ist allein die Vorstellung in
Gedanken die dieses Schauspiel inszeniert und die Regie führt. Es ist ein ganz
eigenes, persönliches Spiel mit den Energien des Bewußtseins, mit der inneren
Erlebniswelt im Namen des Bedürfnisses einer imaginären Identität als Ego, als
isoliertes Wesen in einer feindlichen Welt, das aufgrund seiner Unschuld einen
Anspruch auf Rettung hat. Eine Fantasie, ein Märchen auf das wir getrimmt
werden, das uns einprogrammiert ist damit wir uns nicht selbst finden, damit
wir nicht eigenständig denken, handeln und entscheiden, damit wir nicht
erkennen, dass wir selbst das Leben und verantwortlich für all die künstlichen
Systeme die wir schaffen sind.
Befürchtungen und Ängste repräsentieren egoistische und
selbstsüchtige Motive, isolierte Motive die eine künstliche Trennung zwischen
der inneren illusionären Existenz und der Wirklichkeit des Lebens und des Selbst
als Einheit mit dem wirklichen Leben herstellen und darin die rücksichtslose
Selbstsucht und den Egoismus rechtfertigen und legitimieren sollen.
Verantwortungsvoller und selbstbestimmter Umgang mit Problemen, mit
wahrhaftigen Schwierigkeiten lebt im Handeln und nicht im prophetischen Denken,
sondern im lebendigen Moment des Geschehens. Die Planung erfolgt im Verlauf des
Geschehens, in weitsichtigem Umgang mit dem
Leben und den Konsequenzen eventueller Entscheidungen. Angst hat man nur um
sich selbst, um den eigenen Status und diese ist begründet in einem
eingebildeten Glauben an einen Anspruch auf persönlichen Schutz vor den eigenen
Konsequenzen, den Konsequenzen unseres Lebens und unserer Anpassung.
Erst die Akzeptanz der universalen Verantwortung für und als
das Leben transformiert die Angst zu Handlungsmotivation, zu lebendigem Drang,
zu Aktivität in der Eigenarbeit und in der externen Organisation, Planung und Unternehmung
der notwendigen Schritte zur Lösung des „Problems“, zur Bewältigung der
Situation im Sinne aller, aller Beteiligten und allem Leben.
Fortsetzung folgt…
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 03.04.2013
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