Ich habe kürzlich eine Vorlesung von
Erich Fromm über Psychoanalyse gehört, deren Titel mir momentan
nicht einfällt, aber das spielt keine große Rolle, denn ich kann
nur jedem wärmstens empfehlen sich mit Erich Fromm, natürlich unter
vielen anderen, zu befassen und seine Beiträge die auch in voller
Länge auf YT zu finden sind sind alle sehr lohnenswert zu hören.
Erich Fromm formuliert mit einer Wortklarheit auf ungekünstelte Art,
die die scheinbar komplizertesten wissenschaftlichen Themen gerade
heraus erläutert, ohne dabei an Inhalt und Bedeutung zu verlieren.
Im Gegenteil, die menschlichen, psychologischen Zu- und Umstände
werden eben durch die reine Erkenntnis in der nahezu unbeeinflußten
Weltschau gesehen und ausgesprochen wie sie sind und in der Analyse
der sogenannten Wissenschaftlichen Methoden und ihrer mehr oder
weniger vorhandenen Erfolge und in ihrem Vergleich mit der
tatsächlichen Wirklichkeit werden diese zum Teil sogar ad absurdum
geführt.
Doch was mich bei dieser Vorlesung hat
aufhorchen lassen und was ich besonders angesichts der Methoden
meiner Arbeit, der Analyse der eigenen Psyche, der
Persönlichkeit, der menschlichen Bewußtseinsorientierung vor allem
auch in der Arbeit mit und durch Desteni, dem I Process und
dem Schreiben in selbstehrlicher Selbstoffenbarung, war seine
Definition des Wortes 'Enttäuschung'. Was bedeutet dieses
Wort, was beinhaltet es und warum ist es in unserer
Gesellschaft/Kultur so negativ behaftet? Es lohnt sich sehr, sich
dieses Beispiel einmal vorzunehmen, denn die genaue Definition der
Worte die man benutzt, die man spricht und denkt, die Analyse ihrer
Wirkungen auf einen selbst und natürlich auf das Umfeld mit dem man
durch sie kommuniziert, offenbart einem ganze Welten bewußter und
unbewußter Programme, ganze Welten emotionaler Verknüpfungen und
Gedankenbilder die einen bestimmen, Interpretationen die das Handeln
und die Reaktionen beeinflussen, ohne dass man sich jemals ganz klar
darüber wäre. Durch die schleichende Umdeutung von
Begrifflichkeiten in einer Kultur kann sich ein völlig welt- und
realitätsfremdes Bewußtsein vom Selbst und der Existenz entwickeln,
das den Menschen zu einem in Geisterwelten verloren umherwandelnden
Wesen werden lässt, dass durch diese Entwurzelung in seiner eigenen
Selbstidentifikation den Zugang zu seinem eigentlichen Sein in
dieser/als diese Existenz vollends verliert und auch durch das Wort,
die Bedeutung der Sprache nicht mehr dorthin zurückfindet, weil
diese vollends unkompatibel geworden ist mit der Wirklichkeit seines
Daseins als lebendiges Wesen.
Doch zurück zu dem Enttäuschten
Menschen. Was bedeutet ent-täuschen? Fragt er hier. Was steckt in
dem Wort? - Es ist das ENT-Täuschen, also das Wegfallen einer
Täuschung. Es kann entweder eine Täuschung durch einen anderen,
durch bestimmte Umstände sein, oder eine Selbsttäuschung, wie in
dem Fall einer enttäuschten Erwartung, beispielsweise eines
erwarteten Erfolgserlebnisses. Und es leuchtet doch ein, dass diese
Erwartung eine Selbsttäuschung gewesen ist, eine Projektion einer
Vorstellung in die Zukunft, die eingebildete Tatsache, dass diese
Zukunft der eigenen Fantasie wenn man so will entsprechen würde. Und
im Moment der Erkenntnis des Irrtums, in dem das Erwartete Resultat
nicht eintritt, fällt auch die Täuschung plötzlich weg.
Warum aber ist dieses Wort so negativ
behaftet? Ich meine, natürlich kann ich hier nur für mich
authentisch sprechen, doch in dem Kontext in dem das Wort
'Enttäuschung' in all seinen Konjunktionen benutzt wird kann man
davon ausgehen, dass ein Konsens besteht, dass dieses Wort eine eher
negative Bedeutung für den Menschen hat, und dass diese Negativität
mit dem Erleben des Menschen zu tun hat, der 'ent-täuscht' wird.
Doch in dieser Einsicht ist vieles zu
entdecken und über unsere Situation als Menschen zu entlarven, daher
finde ich gerade die Neu-Definition dieses Wortes so
bedeutsam.
Das 'negative' Erleben ist etwas, das
den Menschen zu unendlich vielen Vermeidungstaktiken bewegt. Es ist
etwas, das uns so unangenehm geworden ist, dass wir uns von allem
abzuwenden versuchen, das unsere Vorstellung von uns selbst und der
Welt in etwas unangenehmes wendet. Angenehm empfinden wir
hingegen alles, was unseren Sinnen schmeichelt, was eine in unsere
Wertvorstellungen passende Interpretation zulässt. Wir haben
beispielsweise unheimlich viel Wert in Dinge gelegt, die mit
materiellem Erfolg zu tun haben, der Anhäufung von Gütern, der
Fähigkeit zu konsumieren. Diese rein künstliche Akzeptanz einer
menschlichen 'Natur' führt nun eben dazu, dass das Lebenssystem das
aus dieser Konzeption von Werten und Lebensvorstellungen entstanden
ist, erhebliche Konsequenzen mit sich bringt, die mittlerweile das
Leben und die Freiheit eines großen Teils der Weltbevölkerung
zerstören und vernichten. Diese Konsequenzen sind eine wahrhaftige
Tatsache. Sie können nicht durch Vorstellungen oder
Philosophieren, durch Tagträume und dogmatischen Fanatismus
wegdiskutiert werden. Sie können ebensowenig durch aggressive
Vorgehensweisen wie militärische Interventionen hinweggefegt werden.
Sie sind reale Konsequenzen einer realen Handlungsweise. Doch das
Problem ist, dass diese reale Handlungsweise nichts mehr zu tun hat
mit unserer Vorstellung von unserer Handlungs- und
Lebensweise. Wir haben den tatsächlichen Taten, den Handlungen und
deren Konsequenzen andere Bedeutungen in unserem Bewußtsein gegeben,
als die, die die Wirklichkeit uns zeigt. Ganz banale Beispiele
hierfür sind Begrifflichkeiten wie 'Krieg gegen Terror', was
eigentlich nichts weiter ist als 'Terror gegen Terror', 'humanes
Töten' was nichts anderes ist als eine Einbildung, ein Glaube an
etwas, das man nie wissen kann, das einem aber ein ruhiges Gewissen
verpasst und davor bewahrt, den Tatsachen ins Auge zu blicken,
'Entwicklungsländer' ist ein weiteres Beispiel, denn wer einmal
etwas genauer hinsieht weiß und erkennt, dass die Länder von denen
hier gesprochen wird weit davon entfernt sind, sich zu entwickeln, im
Gegenteil, sie degenerieren, denn sie werden benutzt und ausgebeutet,
sie sind aufgrund ihere geschwächten Position zur Beute des Systems
geworden, zur Ressource um die Maschinerie der Illusionären
Verblendungswelt aufrecht zu erhalten und sie können sich niemals
aus eigener Kraft aus diesem Würgegriff der sie ausquetscht befreien
und das ist auch überhaupt nicht so gewollt.
Und so ist es 'im Kleinen' wenn man so
sagen will 'wie im Großen', auch wenn es im Grunde kein Kleines und
kein Großes gibt, es gibt nur das eine, die Existenz die alle
gleichermaßen sind oder teilen, und darin spielt sich alles ab,
miteinander verwoben und verkettet und niemand kann sich davon
trennen, lossagen oder die Wirklichkeit einfach 'ausblenden', und
dennoch tun wir immer weiter so als ob und glauben auch noch wir
würden uns dabei entwickeln, fortschrittlich sein, so dass sich ganz
von allein all unsere Probleme irgendwann lösen werden.
Was ist ein 'gerechter Mensch'? fragt
er weiter in seinen ausführungen und antwortet sinngemäß: einer,
der nicht täuscht, der sich aber auch nicht täuschen lässt. Wenn
man die Sinnhaftigkeit und den gesunden Menschenverstand hinter
dieser Aussage erkennt, dann kann man fast meinen, dass es keinen
gerechten Menschen gibt, jedenfalls nicht in unserer Gesellschaft.
Denn wir sind ja nun offensichtlich von Täuschungen, Manipulationen
und Fanatsievorstellungen von uns selbst und unserer Rolle in der
Welt umgeben und haben diese Idee vollends integriert in unsere
Entwicklung, in unsere Persönlichkeit. Es ist ja geradezu ein
Grundprinzip unseres Menschenverständnisses, dass wir täuschen
müssen, auch wenn wir uns ungern eingestehen, dass wir natürlich im
Umkehrschluß ständig getäuscht werden.
So ist also der Begriff 'enttäuscht
sein' keineswegs etwas Negatives, er ist auch nicht einmal etwas
Positives, denn im eigentlichen sinne ist das Positive ja nur dann
von Bedeutung, wenn ein Zustand oder ein Wort bereits negativ geladen
wurde, also von diesem Standpunkt ist er eigentlich gerade so
positiv, dass das negative neutralisiert wird und was bleibt ist
einfach das, was ist, ungefärbt und unbeeinflußt von Illusionen und
Vorstellungen. Und somit ist die Enttäuschung eine Befreiung von
einer Illusion, die gerade dadurch, dass sie die Illusion zerstört
eine unglaublich wertvolle Möglichkeit offenbart, nämlich die der
Akzeptanz der Situation, so wie sie wirklich ist, ohne sich weiterhin
etwas darüber einzubilden, sich eine Geschichte zu erzählen die die
Wirklichkeit an die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse anpasst.
Was macht diesen Moment der
Enttäuschung so wertvoll für den Menschen? - Er bildet sozusagen
eine Lücke in der dauerhaften Verblendung durch seine Einbildung und
befreit die Sicht auf die Welt, die Existenz und das eigene Leben.
Und dieser Moment bietet eine Entscheidungsmöglichkeit für
die eigene Mündigkeit. Diese Entscheidung nämlich, die Wirklichkeit
anzuerkennen, die eigene Situation, den Selbstbetrug zum Anlass zu
nehmen sein eigenes Potential von nun an tatsächlich zu leben,
und nicht mehr länger sich selbst und anderen etwas vorzumachen.
Selbst wenn das bedeutet, dass die einzige Bestimmung die einen von
nun an antreibt die ist, die ganze Welt zu verändern, um nicht zu
sagen die ganze Welt zu enttäuschen.
Ich empfehle sich für die eigene
Befreiung von der Selbsttäuschung Anregungen und Unterstützung zu
holen, sich klar zu machen, dass die Entscheidung zu diesem Schritt
einen weiteren Schritt hin zur Befreiung des Lebens bedeutet und dass
diese Überwindung der 'Bequemlichkeit', der Verlorenheit, der Flucht
in die Gedanken- und Fantasiewelten, der freiwilligen Isolation in
wahrhaftiger und authentischer Selbstsicherheit und Selbstbestimmung
gleich und eins mit allem Leben mündet und es keine Enttäuschung
mehr gibt, es sei denn die eigene, eigentliche, in der man sich
schritt für schritt vom Dunst der Ignoranz befreit.
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 16.02.2013
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 16.02.2013
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