"Ich kann mir kein Verbrechen
vorstellen, dessen Autor ich nicht sein könnte" - frei nach Goethe
Wir können uns erst dann wirklich
frei entwickeln, wenn wir erkennen und akzeptieren, dass wir Eins
sind. Die Geschichte der Psychoanalyse im Vergleich ihrer Anwendung
und der tatsächlichen Erkenntnisse beispielsweise zeigt sehr
deutlich die Paradoxe Grundvoraussetzung an die wir in unserer
Gesellschaft gebunden sind, die diese Wissenschaft die dem Wohl, der
Genesung und der Unterstützung der Menschen dienen soll zu einem
Angebot macht, für das ein Mensch einen anderen bezahlt, der ebenso
ein Mensch ist wie der Klient oder Patient, der in gleicher Weise
sich in einem Prozess der Selbstanalyse begeben hat der ihn dazu
befähigen sollte, den anderen zu verstehen in seinem Leiden um Ihm
in einem Gespräch oder einer Sitzung unterstützen und helfen zu
können. Der Ideale Psychotherapeut ist der, der dich verstehen kann,
weil er die Vorgänge, die mentalen Programme und mechanismen, die
Reaktionen und emotionalen Zerwürfnisse aus eigenem Erleben kennt.
Hat er sein Wissen lediglich aus der Theoirie, dann spricht er nur
darüber, versteht aber nichts und kann daher auch nicht
wirklich helfen. Wir kennen es so aus der Geschichte und der
Gegenwart, dass unsere Systeme derart gestaltet sind, dass es so
etwas wie 'Experten' gibt, die zuständig sind für gewisse Bereiche
des menschlichen Lebens, in denen der 'Normalbürger' auf ihre Hilfe
und ihren Rat angewiesen ist, weil nur sie sich damit
auskennen und er kann ja nicht auf allen Gebieten ein Fachmann sein.
Die Idee, dass man sich in einer Gesellschaft auf diese Weise
gegenseitig ergänzt ist nicht von grundauf verkehrt, doch in der Art
wie wir sie innerhalb unserer wirtschaftlichen Prinzipien und
Strukturen beispielsweise des Arbeitsmarktes und der
Lohn/Gehaltszahlungen umgesetzt haben ist komplett dysfunktional und
sogar degenerativ wenn es um die Weiterentwicklung der Fähigkeiten
des Menschen und der Gesellschaft insgesamt geht. Dadurch eben, dass
wir jede Leistung dieser Art, eine spezielle Ausbildung, ein
spezialisiertes Können, zu einer Ware machen die man für Geld
erwirbt, besteht die Gefahr, dass die Dienstleistung unkontrolliert
verramscht wird, und im Übrigen hat durch die soziale
gesellschaftliche Entwicklung die eine Konsequenz des
kapitalistischen Wachstumsprinzips und der Profitgier ist zur Folge,
dass der Mensch sich überhaupt nicht mehr umfassend selbst helfen
kann,da die Zeit dafür einfach nicht da ist, wenn er den Großteil
seiner Lebenszeit damit verbringt, Arbeit zu verrichten die lediglich
der Grundversorgung seiner notwendigsten Bedürfnisse dient. Das
heißt dass immer mehr Zeit gespart werden muss, was dazu führt dass
man gezwungenermaßen dem Angebot der erforderlichen Dienstleistung
blind vertrauen muss und dass der Wert dieser Leistung mehr und mehr
durch den Preis den man für sie bezahlt bemessen wird, und weniger
durch die tatsächliche Wirkung oder den eigentlichen Inhalt. Das
soll nicht heißen, dass das gezwungenermaßen immer so ist. Viele
Dienstleistungen, wie beispielsweise in der Medizin, die der Ärzte
und die der Pflege, sind sicher zu großen Teilen qualitativ sehr
hochwertig, allerdings sieht man auch hier den Verfall der
eigentlichen Motivation, dem Menschen nämlich zu helfen und die
Gesellschaft zu stützen, zugunsten einer profitorientierten
Entwicklung, die dann
Fließband-Abfertigung in den
Krankenhäusern und Pflegestellen zur Folge hat, wofür sicher in den
wenigsten Fällen die Ärzte und Pfleger direkt verantwortlich
gemacht werden können, jedenfalls nicht mehr verantwortlich als wir
alle als Teile der Gesellschaft für diese Entwicklung mit
verantwortlich sind.
Gerade in der Psychotherapie ist es
besonders Augenscheinlich, wie sehr dieses Prinzip des bezahlten
Spezialwissens im Kontrast steht zu dem eigentlichen Sinn und Nutzen
eines Psychotherapeutischen Gesprächs. Ich muss vorweg nehmen, dass
ich natürlich weiß, dass wir in der derzeitigen Situation, mitten
in der Maschinerie des außer Kontrolle geratenen Systems unserer
freiwilligen Selbstaufgabe nicht von heute auf morgen alles umwerfen
und die Strukturen ändern können, schon gar nicht wenn man dabei
sich nur auf einen kleinen Teilbereich wie den der Psychotherapie
beschränkt, denn es hängt ja alles zusammen, alles ist miteinander
verbunden und warum auch diese Tatsache an sich nicht verwerflich,
sondern im Gegenteil ein Zeichen für die Notwendigkeit eines
Systemwandels ist, darauf werde ich später noch genauer eingehen.
Doch die Erkenntnis dessen, was wir als Gesellschaft akzeptieren und
diese Einsicht, die Zustände und Umstände zu analysieren ohne
voreingenommen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung zu
sein ist eben ein Zeichen der gewillten Entwicklung, der Fähigkeit
des Menschen zu sehen, zu erkennen und vor allem auch zu verändern.
Und an welchen Prinzipien der Veränderung er sich dann orientiert,
was sich als seine wahre Motivation herausstellt, das ist die
Grundlage eigentlich seines Wertes für die Gemeinschaft, und ich
sage bewußt nicht Gesellschaft, denn ich meine die Gemeinschaft des
Lebens, allen Lebens, unbeschränkt und Ausnahmslos.
Wie also oben bereits erwähnt, muss
ein Psychotherapeut in der Lage sein das zu verstehen, was seinem
Patienten den Leidensdruck verursacht. Er muss die Systeme, die
psychischen Vorgänge, die emotionalen Prägungen und Reaktionen
kennen und sich hineinversetzen können in die Lage die der Patient
ihm als Problemsituation schildert. Ein Psychotherapeut muss also ein
Mensch sein, der sich kennt, der sich selbst bewusst wahrnimmt, so
dass er selbst kein Opfer ist seiner eigenen psychischen Programme
und Strukturen. Natürlich ist das ein Idealbild, eine
Idealvorstellung die so perfektioniert nicht existiert und auch nicht
existieren kann, denn, und das ist schon ein Faktor der notwendigen
Einsicht in die Natur der geistigen oder psychologischen Entwicklung
eines Menschen, dass sie eben ein Prozess ist, und dass das Ziel
keine Vollendung sein kann, zumindest nicht das Ziel der Therapie,
sondern eine Hilfestellung, eine Unterstützung, die den
Hilfesuchenden dazu befähigen soll eigenständig und in Selbstarbeit
an sich und mit sich zu wirken. daraus ergibt sich natürlich in der
Konsequenz, dass auch die Therapie selbst Teil des
Entwicklungsprozesses ist, und dass dieser Teilabschnitt gemeinsam
gegangen wird, wobei der Therapeut aufgrund seiner Ausbildung die zu
einem großen Teil eine Selbstausbildung sein muss, gewissermaßen
einen Vorteil hat, den er nutzt um seinem gegenüber die noch
unverstandenen Punkte, die Systeme und Vorgänge seiner emotionalen,
psychischen Verwirrung in ihrer Ursächlichkeit und Wirkungsweise
aufzuzeigen.
Was aber passiert, wenn dieses Wissen,
dieser Vorteil des 'Experten' zu einer reinen Ware, zu einem Angebot
wird ist, dass die Methoden und Strategien der Psychotherapie und der
Psychoanalyse zu dem Zweck missbraucht werden, dem Patienten
lediglich das Gefühl zu geben geheilt zu sein, wobei ausschließlich
die Symptome gemildert oder beseitigt werden, nicht aber das
eigentliche Problem oder seine Ursache. Und diese Art der Therapie
bringt dann Menschen hervor, die wie ich es oft beobachten konnte
einen beispiellosen Ego Trip fahren um es mal umgangssprachlich
auszudrücken, weil sie eben in der Therapie vermittelt bekommen
haben, dass mit ihnen schon alles in Ordnung sei, dass sie aber zu
sehr unter dem Druck der 'Gesellschaft' gestanden haben, dass sie
sich zu sehr 'nach anderen' gerichtet und versucht haben zu gefallen
und dass es nun zu ihrer Genesung notwendig wäre, sich auf sich
selbst und die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu
konzentrieren. Das gibt dem Patienten oder besser dem Klienten
natürlich ein Gefühl das angenehm scheint, das ihm den Eindruck
vermittelt wieder Herr über sich selbst zu sein, es lässt ihn aber
auch mehr noch als zuvor in eine Isolation geraten, da er von der
Grundlegenden Annahme dass er ein Opfer der Umstände gewesen sei
ausgeht, sich damit abtrennt von der Existenz und sich als Beobachter
und Benutzer der Welt und der Umwelt sieht anstatt als ein Teil von
ihr, was er in Wahrheit ist.
Es ist natürlich so, dass der Mensch
der sich in einer psychopathologischen Entwicklung befindet zunächst
den Fokus auf sich selbst richten muss, allerdings nicht in dem
gesellschaftskonformen Sinn einer egoistischen Triebhaftigkeit,
sondern in einer selbstkritischen, selbstehrlichen und
selbstanalytischen Sicht. Und dazu muss ihn die Psychotherapie
befähigen.
Das geht allerdings nur dann, wenn der
Psychotherapeut oder der Psychoanalytiker selbst dazu in der Lage
ist, wenn er also weiß, wovon er spricht. Und wenn er das tut, dann
ist die Psychotherapeutische Sitzung keine 'Belehrung' mehr und auch
kein einfaches Zuhören, sondern dann ist sie eine Vereinbarung
zweier Menschen einen Teilabschnitt der Entwicklung und der
Selbstanalyse gemeinsam zu gehen, sich dabei gegenseitig zu
reflektieren und zu unterstützen. Dann ist die Psychotherapie ein
Gespräch zweier Menschen auf Augenhöhe, wobei einer der beiden für
sich in Anspruch nehmen kann, aufgrund seiner Erfahrung, vielleicht
aufgrund seines Vorsprungs in der Selbstarbeit und seiner gewonnenen
Einsichten dem anderen eine Hilfestellung bieten zu können,
eventuelle Unstimmigkeiten, Probleme, Unsicherheiten und Ängste
verantwortungsbewußt, selbstbewußt und selbstbestimmt anzugehen und
zu transformieren. Dabei muss er, der Therapeut, immer auf das Neue
gefasst sein, er muss immer Hier sein und am Prozess aktiv
teilnehmen, entgegen der verbreiteten Meinung des Zuhörenden und
anschließend analysierenden Therapeuten oder Psychologen. Die Gefahr
die dabei nämlich besteht, im Zusammenspiel mit der Systematik
unseres Wirtschaftssystems, ist die der Überheblichkeit des Experten
und die Überschätzung der offiziellen Qualifikation. Viel zu oft
wird dem Patienten in der konstruierten Analyse seiner 'Erzählungen'
ohne aktives Teilnehmen, ohne das sich Einbruingen des Therapeuten,
dem unbewußten Wunsch des Patienten entsprochen um ihm kurzfristig
ein emotionales Hoch mit auf den Weg zu geben, was ihn an den Erfolg
seiner Therapie glauben machen soll. Ich werde später hierzu noch
einige Beispiele aufzählen, das extremste aber ist natürlich die
Anwendung von Medikamenten zur Symptombeseitigung, die es dem Arzt
und dem Patienten möglich macht, angepasst an den schnellebigen
Zeitgeist rasante Hilfe zu vermitteln, einen oberflächlichen Einduck
der Genesung, oder zumindest einer Verbesserung des Zustandes.
Die Psychoanalyse kann nicht nur,
sondern sie muß eine Methode der Selbstfindung sein und
sollte daher die Verantwortlichkeit und Fähigkeit jedes einzelnen
Menschen sein. Die selbstehrliche Selbstanalyse ist
Grundvoraussetzung für Selbstbewußtsein, Selbstbestimmung und
Verantwortungsbewußtsein, und vor allem auch für die
Selbstbefreiung von jedweder Manipulation und Beherrschung. Daher
sollte sie ein Teil der Grundausbildung jedes Menschen werden und
nicht einigen sogenannten Experten vorbehalten sein, die eben ihre
Zeit in das Studium investiert haben. Dass es Experten geben sollte
und muss ist nicht in Frage gestellt, denn sicher ist die
Unterstützung und Hilfestellung auf dem Weg, dem Prozess der
Selbstentwicklung immer vonnöten und gefragt, wenn Schwierigkeiten
auftreten, allerdings ist der Zweck ein völlig anderer, nämlich der
der Prävention, eine folgenschwere 'Fehlentwicklung' zum Schaden des
Betroffenen und auch anderer zu verhindern, indem schon beim
Auftreten erster Schwierigkeiten sofort die bedingungslose
Unterstützung des Umfeldes und unter Umständen die des 'Experten'
gegeben ist.
Ganz grundlegend ist aber hier, dass
der Prozess der gegenseitigen Unterstützung die gegenseitige
Entwicklung mitbestimmt, denn nur dann ist der Prozess, die Sitzung,
das Gespräch auch ein lebendiges, ein sich entwickelndes, eines, das
dem Menschen auch gerecht wird. Und dann stellt sich natürlich auch
die Frage, ob diese 'Leistung' eine einseitig erbrachte ist. Dann
stellt man automatisch auch die Art der Bezahlung, die Stellung der
Personen einer solchen Tätigkeit in Frage.
Auf diese Punkte der Rolle des
'Therapeuten' in einem Menschengerechten und lebenswürdigen System,
dem Gleichgerechten Geldsystem, gehe ich in der Fortsetzung ein.
Bastian Neumann / Ramstein /
Deutschland / 18.02.2013
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