Nachdem ich mal wieder einen grausamen
Artikel über einen tödlichen Gewaltausbruch eines alkoholisierten
Mannes lesen musste, bei dem eine hochschwangere Frau und ihr
ungeborenes Kind zu Opfern wurden, schreibe ich heute ein paar
Gedanken zu dem Thema Alkohol, das offensichtlich nicht ernsthaft und
bis in die letzte Konsequenz in unserer Gesellschaft und auch in
'anderen' diskutiert und behandelt wird, und man fragt sich
angesichts der Kriminalstatistiken im Zusammenhang mit
Gewaltverbrechen und Alkohol warum das denn wohl so ist.
Interessanterweise rechtfertigen wir
bestehende Strukturen unserer Systeme die uns offensichtlich
'anleiten', manipulieren und anpassen an die Gesellschaft so wie sie
ist mit dem Argument der zerstörerischen Natur des Menschen, seiner
Selbstsüchtigkeit und der daraus folgenden Notwendigkeit ihn zu
kontrollieren und zu lenken. Dabei übersehen wir nicht nur eine
Sache, sondern gleich mehrere Dinge.
Woher kommt die Annahme, der Mensch sei
von seiner Natur her selbstsüchtig und rücksichtslos egoistisch,
gewalttätig, zerstörerisch und mörderisch? Was ist diese
'Natürlichkeit' wirklich die wir als Grundfeste der menschlichen
Handlungsweise annehmen? Ist dieses Bild nicht viel eher von unseren
eigenen, künstlich geschaffenen Wertesystemen, unserer Kultur und
der Gesellschaftsordnung geschaffen? Sind es nicht die Problematiken,
deren Ursachen überhaupt erst in diesen ordnenden Strukturen die wir
uns selbst auferlegt haben liegen, die uns in ihrer Wirkungsweise
dieses Bild des Menschen vermitteln?
Es ist doch sehr kurzsichtig zu
glauben, dass das Ergebnis eines Entwicklungs- und
Anpassungsprozesses einer den Menschen total beeinflussenden und
programmierenden Gesellschaftskultur die 'Natur' des Menschen und
alles was er ist oder sein könnte wiederspiegelt. Es ist die
anmaßend arrogante, selbstgerechte Haltung des Menschen der sich
bereits aufegegeben und freiwillig angepasst hat, der es akzeptiert
hat in Ignoranz vor den Konsequenzen seiner Anpassung zu leben die
solch eine Behauptung aufzustellen wagt. Der Mensch so wie er sich
entwickelt, so wie er heute ist, seine Persönlichkeit, seine
Charakterzüge, die Qualität seiner Fähigkeiten der
Selbstreflektion und der Empathie, sofern diese ausgebildet und
gefördert wurden, ist das Ergebnis einer mathematischen Gleichung,
in der wir als Gesellschaft die Variablen setzen und das Ergebnis
damit festlegen. Was dabei herauskommt ist keineswegs ein endgültiges
Ergebnis, es ist nicht das, was möglich wäre, es ist nur ein
Ergebnis von vielen, abhängig von den Variablen die wir als
Gesellschaft in die Gleichungen einsetzen. Der Mensch, egal ob er ein
sich beherrschender, ein Rachsüchtiger, ein schüchterner oder
extrovertierter, ein gewalttätiger oder gar ein mordlüsterner
Mensch ist, ist immer das Ergebnis seiner Entwicklung, Und wenn wir
als Gesellschaft es nicht geschafft haben, dem Menschen ein System,
eine Methode oder einfach nur das Beispiel zu geben, sich selbst zu
verstehen, seine Gedanken-, Gefühls- und Wertmuster zu steuern, zu
benutzen oder zu beherrschen ohne von ihrer Systematik beherrscht zu
werden, dann ist das eine Verantwortungslosigkeit, ein Fehler der
sich in den unkontrollierten Ausbrüchen der Perönlichkeiten
bemerkbar macht. Und die Folge ist, dass wir versuchen durch das
Entfernen dieser Individuen aus unserer Gesellschaft den Fehler
auszumerzen, während an der Wurzel, der Ursache die Fehlerquelle
weiter arbeitet. Ich werde auf diese Problematik an anderer Stelle
detaillierter eingehen, wenn jemand ernsthaftes Interesse hat und mit
einem englischen Text keine Probleme, dann empfehle ich wärmstens'crime's journey to Life' von Andrea Rossouw zu lesen.
Zum Beispiel, und das soll das
Hauptaugenmerk dieses Blogs sein, beachten wir in dem Bild das wir
von 'dem Menschen' haben, beispielsweise aufgrund der Kriminalität
und Gewalttätigkeiten die wir aus unseren Medien und auch aus
eigenen Erfahrungen gewonnen haben nicht den äußerst auffälligen
Faktor, dass bei fast allen Straftaten und auch Gewalttaten aus dem
Strafrechtlichen Bereich Alkohol eine Hauptrolle spielt. Wir sehen
diesen Faktor zwar, wir kennen die Statistiken und die Zusammenhänge,
aber anstatt zu versuchen dieses Mittel, dieses Gift das der Mensch
im Grunde nur aus der Verzweiflung über seine Gefangenschaft, seine
Befangenheit, seine Angst und Unfreiheit die ihm anerzogen wurde
heraus benutzt, als Gegenmaßnahme zu ächten, halten wir daran fest
weil wir denken, wir bräuchten es und es würde zu den
Errungenschaften und FREIHEITEN zählen, die uns noch in diesem
System geblieben sind - Eine faszinierende Logik die
widersprüchlicher kaum sein könnte. Und die Argumentation, dass ja
ein großer Teil der Menschen 'vernünftig' mit Alkohol umgehen und
ihn als Genußmittel nutzen würde ist eine Augenwischerei und ein
Selbstbetrug, dazu muss man sich nur das gefährdende Verhalten
alkoholisierter Menschen im Straßenverkehr beispielsweise anschauen.
Ein alkoholisierter Mensch wird geradezu lächerlich
größenwahnsinnig, unvernünftig und unrealistisch, er kann weder
sich selbst noch sein Umfeld verlässlich beurteilen, das sind
schlicht und einfach Tatsachen. Außerdem haben sehr wahrscheinlich
auch gewalttätige Straftäter zumindest bis zu dem ersten 'Vorfall'
ein ähnlich verklärtes Selbstbild von sich und ihrem Umgang mit
Alkohol gehabt.
Alkohol bringt das im Menschen hervor,
was er durch unverantwortliche Ignoranz unterdrückt, was er
unbearbeitet in sich brodeln lässt, emotionale Verstrickungen,
Unzufriedenheiten, pervertierte Triebe, Verlangen, all das, was er in
einer oberflächlichen, auf den Schein und die Illusion eines Bildes
vom Menschen ausgerichteten Gesellschaft unterdrücken muss, wird im
Rausch aus ihm heraussprudeln. Und dabei zeigen sich unendliche
Verhaltensweisen die offenbaren, dass diese Muster, diese Programme,
die Art und Weise der Triebhaftigkeit ganz deutlich die Handschrift
unserer Gesellschaft, unserer Kultur trägt.
Minderwertigkeitskomplexe äußern sich in Größenwahn, dem
rachsüchtigen Verhalten eines Opfers, einer lebenslang unterdrückten
Person die nun ungebremst ihre Wut und ihren Zorn auslebt, gespielte
Überheblichkeit und unantastbare Arroganz wird zu weinerlicher
Traurigkeit und Depressiver Verzweiflung. Das und vieles mehr kann
man beobachten, mal ganz abgesehen von dem Lösen der Hemmschwellen
durch Alkohol wenn es um die sexuellen, durch Kultur und
Gesellschaftsdruck völlig pervertierte, auf Macht und Ausbeutung und
Missbrauch gemünzten sexuellen Triebe und Vorlieben geht.
Die Akzeptanz, die legitime Nutzung von
Alkohol und die Gewinne die daraus geschöpft werden sind ein
eindeutiges Beispiel für den Entwicklungsstopp des Menschen in
unseren Systemen, für die Heuchelei und Scheinhaftigkeit unserer
Werte und Ideale, für die Verlogenheit eines 'Ordnungssystems', das
lediglich die Ordnung des Geldes und der Macht, nicht aber die
Ordnung der Vernunft, der Menschlichkeit und der Lebensprinzipien
selbst versteht.
Man könnte meinen, dass unsere
Gesellschaft ohne Alkohol überhaupt nicht funktionieren würde, so
vehement wird an dieser offensichtlich nicht nur der eigenen
Gesundheit schadenden, sondern auch das Wohl und das Leben
'Unbeteiligter' gefährdenden Substanz als Konsummittel festgehalten.
Warum? Vielleicht, weil es so ist?
Und auch hier wird natürlich wieder das altbekannte
Scheinargument zur Rechtfertigung ins Feld geführt, das auch in
allen anderen Bereichen die eigene Verantwortungsangst, die
Bequemlichkeit und den rücksichtslosen Egoismus so wie den Unwillen
zu eigener, selbstbestimmter Entwicklung verbergen soll: Das hat es
doch schon immer gegeben. Ich habe über die Sinnleere dieses
Arguments bereits ausführlich in anderen Blogs geschrieben, und
führe das hier nicht weiter aus. Es sollte jedem klar sein, dass
eine solche Sicht auf die Umstände die bewußte Selbstaufgabe des
Menschen eindeutig dastellt.
Natürlich bin ich nicht der Meinung,
dass durch die Abschaffung von alkoholischen Getränken alle Probleme
der Gesellschaft gelöst werden würden. Wie bereits erwähnt löst
der Konsum von Alkohol lediglich die Barrieren und Hemmschwellen für
bereits vorhandene Mechanismen und Programme, verstärkt
unterdrückte, emotionale Konflikte, daher ist natürlich die Ursache
vor allem im Menschen selbst zu suchen, allerdings ist die Einsicht
in die 'unter der Oberfläche' brodelnden Konflikte, unterdrückten
Triebe und die 'krankhaften' Entwicklungen ein im Grunde
unabwendbares Argument für die Gefahren die der Alkoholkonsum
zwangsläufig mit sich bringt und daher ist es absolut unvernünftig
und unverantwortlich ihn zu einem 'Kulturgut', zu einer
gesellschaftlich normalisierten und akzeptierten Verhaltensweise zu
machen.
Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir
erlaubt und es zugelassen habe, mic an den Konsum von Alkohol zu
gewöhnen, ihn als etwas normales zu akzeptieren und die Folgen für
mich und mein Umfeld zu ignorieren.
Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir
erlaubt und zugelassen habe in jungen Jahren mit dem Konsum von
alkoholischen Getränken angefangen zu haben, dass ich versucht habe
meinen Mangel an Selbstbewußtsein durch den Rauschzustand zu
vertuschen, dass ich trotz wiederholten Fehlschlägen mich durch
Alkohol zu einem besseren, 'cooleren' und interessanteren Menschen zu
machen oder mir Erleichterung zu verschaffen, mich wohler zu fühlen,
daran festgehalten habe, teils aus einem Gruppenzwang heraus und
andererseits weil ich mir keine andere Lösung für meine Probleme
habe einfallen lassen wollen.
Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir
erlaubt und es zugelassen habe mich selbst in meiner Entwicklung
behindert zu haben dadurch, dass ich meine Probleme mit mir, mit
anderen Menschen und dem System in dem ich lebe durch das regelmäßige
Berauschen mit Alkohol versucht habe zu verdrängen.
Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir
erlaubt und es zugelassen habe, mit dem Trinken von Alkohol ein
bestimmtes Image zu verbinden das ich aus Medien, Filmen und
ähnlichem in meiner Vorstellung aufgebaut habe, dass ich dachte ich
könne durch Nacheifern dieser vorgelebten 'coolness' der Filmfiguren
ein solches Image für mich annehmen und darin meine persönliche
Erfüllung finden.
Ich vergebe mir selbst, dass ich mir
nicht erlaubt habe mir selbstehrlich einzugestehen, dass alle
sozialen Erlebnisse, alle scheinbaren Freuden und Vergnügungen und
auch das persönliche Empfinden unter Alkoholeinfluss auf einer
verzerrten, illusionären Wahrnehmung beruhen, dass sie nicht echt,
nicht ehrlich, nicht vertrauenswürdig sind und dass auch die
Kontakte, die Beziehungen die unter diesen Voraussetzungen entstanden
sind auf einer vagen Illusion beruhen.
Ich bestimme und verpflichte mich
selbst als Mensch, als das Leben, die Folgen und auch die Ursachen
für Alkoholkonsum, die trügerische, abhängig machende Natur des
Alkohol überall aufzuzeigen wo sie auftauchen, nicht als ein Feldzug
gegen den Alkohol, sondern als eine Selbstverpflichtung der Vernunft
und des Verantwortungsbewußtseins.
Ich bestimme und verpflichte mich
selbst als Mensch und als das Leben ein Beispiel zu geben, indem ich
an meiner Vereinbarung des völligen Verzichts auf alkoholische
Getränke die ich vor etwa fünf Jahren mit mir selbst getroffen habe
Zeit meines Lebens festhalten werde.
Bastian Neumann / Ramstein /
Deutschland / 20.02.2013
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