Mittwoch, 20. Februar 2013

Tag0010 - Alkohol enthüllt die Natur der Gesellschaft, nicht die 'des Menschen'










Nachdem ich mal wieder einen grausamen Artikel über einen tödlichen Gewaltausbruch eines alkoholisierten Mannes lesen musste, bei dem eine hochschwangere Frau und ihr ungeborenes Kind zu Opfern wurden, schreibe ich heute ein paar Gedanken zu dem Thema Alkohol, das offensichtlich nicht ernsthaft und bis in die letzte Konsequenz in unserer Gesellschaft und auch in 'anderen' diskutiert und behandelt wird, und man fragt sich angesichts der Kriminalstatistiken im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen und Alkohol warum das denn wohl so ist.

Interessanterweise rechtfertigen wir bestehende Strukturen unserer Systeme die uns offensichtlich 'anleiten', manipulieren und anpassen an die Gesellschaft so wie sie ist mit dem Argument der zerstörerischen Natur des Menschen, seiner Selbstsüchtigkeit und der daraus folgenden Notwendigkeit ihn zu kontrollieren und zu lenken. Dabei übersehen wir nicht nur eine Sache, sondern gleich mehrere Dinge.
Woher kommt die Annahme, der Mensch sei von seiner Natur her selbstsüchtig und rücksichtslos egoistisch, gewalttätig, zerstörerisch und mörderisch? Was ist diese 'Natürlichkeit' wirklich die wir als Grundfeste der menschlichen Handlungsweise annehmen? Ist dieses Bild nicht viel eher von unseren eigenen, künstlich geschaffenen Wertesystemen, unserer Kultur und der Gesellschaftsordnung geschaffen? Sind es nicht die Problematiken, deren Ursachen überhaupt erst in diesen ordnenden Strukturen die wir uns selbst auferlegt haben liegen, die uns in ihrer Wirkungsweise dieses Bild des Menschen vermitteln?
Es ist doch sehr kurzsichtig zu glauben, dass das Ergebnis eines Entwicklungs- und Anpassungsprozesses einer den Menschen total beeinflussenden und programmierenden Gesellschaftskultur die 'Natur' des Menschen und alles was er ist oder sein könnte wiederspiegelt. Es ist die anmaßend arrogante, selbstgerechte Haltung des Menschen der sich bereits aufegegeben und freiwillig angepasst hat, der es akzeptiert hat in Ignoranz vor den Konsequenzen seiner Anpassung zu leben die solch eine Behauptung aufzustellen wagt. Der Mensch so wie er sich entwickelt, so wie er heute ist, seine Persönlichkeit, seine Charakterzüge, die Qualität seiner Fähigkeiten der Selbstreflektion und der Empathie, sofern diese ausgebildet und gefördert wurden, ist das Ergebnis einer mathematischen Gleichung, in der wir als Gesellschaft die Variablen setzen und das Ergebnis damit festlegen. Was dabei herauskommt ist keineswegs ein endgültiges Ergebnis, es ist nicht das, was möglich wäre, es ist nur ein Ergebnis von vielen, abhängig von den Variablen die wir als Gesellschaft in die Gleichungen einsetzen. Der Mensch, egal ob er ein sich beherrschender, ein Rachsüchtiger, ein schüchterner oder extrovertierter, ein gewalttätiger oder gar ein mordlüsterner Mensch ist, ist immer das Ergebnis seiner Entwicklung, Und wenn wir als Gesellschaft es nicht geschafft haben, dem Menschen ein System, eine Methode oder einfach nur das Beispiel zu geben, sich selbst zu verstehen, seine Gedanken-, Gefühls- und Wertmuster zu steuern, zu benutzen oder zu beherrschen ohne von ihrer Systematik beherrscht zu werden, dann ist das eine Verantwortungslosigkeit, ein Fehler der sich in den unkontrollierten Ausbrüchen der Perönlichkeiten bemerkbar macht. Und die Folge ist, dass wir versuchen durch das Entfernen dieser Individuen aus unserer Gesellschaft den Fehler auszumerzen, während an der Wurzel, der Ursache die Fehlerquelle weiter arbeitet. Ich werde auf diese Problematik an anderer Stelle detaillierter eingehen, wenn jemand ernsthaftes Interesse hat und mit einem englischen Text keine Probleme, dann empfehle ich wärmstens'crime's journey to Life' von Andrea Rossouw zu lesen.

Zum Beispiel, und das soll das Hauptaugenmerk dieses Blogs sein, beachten wir in dem Bild das wir von 'dem Menschen' haben, beispielsweise aufgrund der Kriminalität und Gewalttätigkeiten die wir aus unseren Medien und auch aus eigenen Erfahrungen gewonnen haben nicht den äußerst auffälligen Faktor, dass bei fast allen Straftaten und auch Gewalttaten aus dem Strafrechtlichen Bereich Alkohol eine Hauptrolle spielt. Wir sehen diesen Faktor zwar, wir kennen die Statistiken und die Zusammenhänge, aber anstatt zu versuchen dieses Mittel, dieses Gift das der Mensch im Grunde nur aus der Verzweiflung über seine Gefangenschaft, seine Befangenheit, seine Angst und Unfreiheit die ihm anerzogen wurde heraus benutzt, als Gegenmaßnahme zu ächten, halten wir daran fest weil wir denken, wir bräuchten es und es würde zu den Errungenschaften und FREIHEITEN zählen, die uns noch in diesem System geblieben sind - Eine faszinierende Logik die widersprüchlicher kaum sein könnte. Und die Argumentation, dass ja ein großer Teil der Menschen 'vernünftig' mit Alkohol umgehen und ihn als Genußmittel nutzen würde ist eine Augenwischerei und ein Selbstbetrug, dazu muss man sich nur das gefährdende Verhalten alkoholisierter Menschen im Straßenverkehr beispielsweise anschauen. Ein alkoholisierter Mensch wird geradezu lächerlich größenwahnsinnig, unvernünftig und unrealistisch, er kann weder sich selbst noch sein Umfeld verlässlich beurteilen, das sind schlicht und einfach Tatsachen. Außerdem haben sehr wahrscheinlich auch gewalttätige Straftäter zumindest bis zu dem ersten 'Vorfall' ein ähnlich verklärtes Selbstbild von sich und ihrem Umgang mit Alkohol gehabt.

Alkohol bringt das im Menschen hervor, was er durch unverantwortliche Ignoranz unterdrückt, was er unbearbeitet in sich brodeln lässt, emotionale Verstrickungen, Unzufriedenheiten, pervertierte Triebe, Verlangen, all das, was er in einer oberflächlichen, auf den Schein und die Illusion eines Bildes vom Menschen ausgerichteten Gesellschaft unterdrücken muss, wird im Rausch aus ihm heraussprudeln. Und dabei zeigen sich unendliche Verhaltensweisen die offenbaren, dass diese Muster, diese Programme, die Art und Weise der Triebhaftigkeit ganz deutlich die Handschrift unserer Gesellschaft, unserer Kultur trägt. Minderwertigkeitskomplexe äußern sich in Größenwahn, dem rachsüchtigen Verhalten eines Opfers, einer lebenslang unterdrückten Person die nun ungebremst ihre Wut und ihren Zorn auslebt, gespielte Überheblichkeit und unantastbare Arroganz wird zu weinerlicher Traurigkeit und Depressiver Verzweiflung. Das und vieles mehr kann man beobachten, mal ganz abgesehen von dem Lösen der Hemmschwellen durch Alkohol wenn es um die sexuellen, durch Kultur und Gesellschaftsdruck völlig pervertierte, auf Macht und Ausbeutung und Missbrauch gemünzten sexuellen Triebe und Vorlieben geht.
Die Akzeptanz, die legitime Nutzung von Alkohol und die Gewinne die daraus geschöpft werden sind ein eindeutiges Beispiel für den Entwicklungsstopp des Menschen in unseren Systemen, für die Heuchelei und Scheinhaftigkeit unserer Werte und Ideale, für die Verlogenheit eines 'Ordnungssystems', das lediglich die Ordnung des Geldes und der Macht, nicht aber die Ordnung der Vernunft, der Menschlichkeit und der Lebensprinzipien selbst versteht.
Man könnte meinen, dass unsere Gesellschaft ohne Alkohol überhaupt nicht funktionieren würde, so vehement wird an dieser offensichtlich nicht nur der eigenen Gesundheit schadenden, sondern auch das Wohl und das Leben 'Unbeteiligter' gefährdenden Substanz als Konsummittel festgehalten. Warum? Vielleicht, weil es so ist? 
Und auch hier wird natürlich wieder das altbekannte Scheinargument zur Rechtfertigung ins Feld geführt, das auch in allen anderen Bereichen die eigene Verantwortungsangst, die Bequemlichkeit und den rücksichtslosen Egoismus so wie den Unwillen zu eigener, selbstbestimmter Entwicklung verbergen soll: Das hat es doch schon immer gegeben. Ich habe über die Sinnleere dieses Arguments bereits ausführlich in anderen Blogs geschrieben, und führe das hier nicht weiter aus. Es sollte jedem klar sein, dass eine solche Sicht auf die Umstände die bewußte Selbstaufgabe des Menschen eindeutig dastellt.
Natürlich bin ich nicht der Meinung, dass durch die Abschaffung von alkoholischen Getränken alle Probleme der Gesellschaft gelöst werden würden. Wie bereits erwähnt löst der Konsum von Alkohol lediglich die Barrieren und Hemmschwellen für bereits vorhandene Mechanismen und Programme, verstärkt unterdrückte, emotionale Konflikte, daher ist natürlich die Ursache vor allem im Menschen selbst zu suchen, allerdings ist die Einsicht in die 'unter der Oberfläche' brodelnden Konflikte, unterdrückten Triebe und die 'krankhaften' Entwicklungen ein im Grunde unabwendbares Argument für die Gefahren die der Alkoholkonsum zwangsläufig mit sich bringt und daher ist es absolut unvernünftig und unverantwortlich ihn zu einem 'Kulturgut', zu einer gesellschaftlich normalisierten und akzeptierten Verhaltensweise zu machen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe, mic an den Konsum von Alkohol zu gewöhnen, ihn als etwas normales zu akzeptieren und die Folgen für mich und mein Umfeld zu ignorieren.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und zugelassen habe in jungen Jahren mit dem Konsum von alkoholischen Getränken angefangen zu haben, dass ich versucht habe meinen Mangel an Selbstbewußtsein durch den Rauschzustand zu vertuschen, dass ich trotz wiederholten Fehlschlägen mich durch Alkohol zu einem besseren, 'cooleren' und interessanteren Menschen zu machen oder mir Erleichterung zu verschaffen, mich wohler zu fühlen, daran festgehalten habe, teils aus einem Gruppenzwang heraus und andererseits weil ich mir keine andere Lösung für meine Probleme habe einfallen lassen wollen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe mich selbst in meiner Entwicklung behindert zu haben dadurch, dass ich meine Probleme mit mir, mit anderen Menschen und dem System in dem ich lebe durch das regelmäßige Berauschen mit Alkohol versucht habe zu verdrängen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe, mit dem Trinken von Alkohol ein bestimmtes Image zu verbinden das ich aus Medien, Filmen und ähnlichem in meiner Vorstellung aufgebaut habe, dass ich dachte ich könne durch Nacheifern dieser vorgelebten 'coolness' der Filmfiguren ein solches Image für mich annehmen und darin meine persönliche Erfüllung finden.

Ich vergebe mir selbst, dass ich mir nicht erlaubt habe mir selbstehrlich einzugestehen, dass alle sozialen Erlebnisse, alle scheinbaren Freuden und Vergnügungen und auch das persönliche Empfinden unter Alkoholeinfluss auf einer verzerrten, illusionären Wahrnehmung beruhen, dass sie nicht echt, nicht ehrlich, nicht vertrauenswürdig sind und dass auch die Kontakte, die Beziehungen die unter diesen Voraussetzungen entstanden sind auf einer vagen Illusion beruhen.

Ich bestimme und verpflichte mich selbst als Mensch, als das Leben, die Folgen und auch die Ursachen für Alkoholkonsum, die trügerische, abhängig machende Natur des Alkohol überall aufzuzeigen wo sie auftauchen, nicht als ein Feldzug gegen den Alkohol, sondern als eine Selbstverpflichtung der Vernunft und des Verantwortungsbewußtseins.

Ich bestimme und verpflichte mich selbst als Mensch und als das Leben ein Beispiel zu geben, indem ich an meiner Vereinbarung des völligen Verzichts auf alkoholische Getränke die ich vor etwa fünf Jahren mit mir selbst getroffen habe Zeit meines Lebens festhalten werde.

Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 20.02.2013



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