Unsere Lebensweise, der scheinbare
Wohlstand den wir genießen, die Überflußproduktion, vor allem der
Nahrungsmittelindustrie ist so abgrundtief verwerflich und
inakzeptabel, dass einem die Worte fehlen. Beziehungsweise sind diese
Zustände schon so oft in unterschiedlichster Weise formuliert und
der Öffentlichkeit präsentiert wurden, ohne dass sich nennenswerte
Änderungen ergeben hätten und man kommt irgendwie zu dem Punkt,
dass es keine Ausdrucksweise zu geben scheint, kein Medium zur
Übermittlung der 'Botschaft', das verstanden wird und das es dem
Empfänger unmöglich macht sich abzuwenden. Ich war gerade wieder
dabei, nach einer Phase des Verzichts auf Milchprodukte, mich wieder
an den Verzehr von Käse zu gewöhnen, aus Bequemlichkeit, aus
Gewohnheit und auch aus sogenanntem 'Appetit', ein Luxus der
Nahrungsaufnahme den sich auch nur ein kleiner und immer kleiner
werdender Teil der Menschen überhaupt erlauben kann. Doch es ist mir
einfach nicht möglich dauernd wegzusehen oder mich beim Essen eines
Käsebrotes ständig in Gedanken ablenken zu müssen von der Tatsache
der unerträglichen, lebensverachtenden Mechanismen die hinter der
Produktionskette dieses Nahrungsmittels heute stehen und arbeiten. Da
ist es, wenn diese Art des Vergleichens von Lebenswürde überhaupt
sinn macht, schon eher zu vertreten ein Stück Fleisch zu essen, denn
das Martyrium dieses Tieres hat wenigstens ein schnelleres Ende,
während die Milchkühe pausenlos immer wieder zwangsgeschwängert
werden, während die Kälber wie ein lästiges Nebenprodukt einfach
im Müll landen. Es hängen also an den paar Litern Milch einer Kuh
das Blut und das Leben vieler Kühe sozusagen und letztlich der
qualvolle Tot des vergewaltigten und ausgebluteten Muttertieres
selbst. Der Käse müsste tief rot sein, und so auch alle anderen
Milchprodukte die uns in bunten Verpackungen in den Supermärkten
angeboten werden. Und tatsächlich ist natürlich auch diese Milch
die dann verarbeitet wird oder die wir zu trinken beabsichtigen
keinesfalls mehr als Milch zu bezeichnen wenn sie in den Regalen
landet und durch allerlei Zusatzstoffe wie Farbstoffe der Vorstellung
des Kunden von einem gesunden Stück Käse angepaßt. Nicht zuletzt
auch aufgrund der unerträglichen Haltung der Tiere, der Qualen und
der Pein die sie zu erdulden haben ist es unumgänglich sie mit einer
großen Menge von Medikamenten am Leben zu halten, sonst würden sie
wahrscheinlich unter diesen Umständen nicht einmal eine Woche
durchstehen. Und natürlich landen all diese Rückstände und
Wirkstoffe letztlich in der Milch. Da gibt es keine
verantwortungsvollen Filtermechanismen und Methoden. Das müssen wir
schon schlucken, wenn wir es uns anmaßen auf diese Art und Weise
unsere unersättliche Konsumsucht zu stillen.
Ich weiß natürlich, dass mein
Verzicht auf diese Produkte keinen großen Einfluß haben wird auf
die Nahrungsmittelinustrie, dass sie übermächtig ist und immer
weiter wächst, ihre Methoden des Raubbaus am Leben immer weiter
verbessert. Doch ist es nicht diese Industrie die allein
verantwortlich ist dass all das geschieht, sondern es sind die
Menschen die konsumieren und daher ist es mein persönlicher
'Schalter' sozusagen, das, was ich sofort tun kann um einen kleinen
Stein zu werfen, mein Mittel so weit es diesen Zweig des
Gesamtproblems betrifft. Und daher übernehme ich diese Verantwortung
auch insoweit es mir möglich ist. Dass das niemals das System
verändert ist klar, darum soll es hier nicht gehen. Verantwortlich
für diese Mechanismen ist das gesamte System, die Toleranz und
Erlaubnis, die Akzeptanz der Menschen, aller Menschen in allen
Bereichen des Lebens und der Lebensphilosophie der Gesellschaft. Das
ist nur ein Punkt an dem jeder sehen kann, und so auch ich, wie sehr
wir darauf geeicht sind den 'einfachen' und 'gewohnten' Weg zu gehen,
wie schnell wir zurückfallen in die selbstgerechten Ideologien der
egozentrischen Welt- und Lebenssicht, wir als unsere Gesellschaft
konstituieren und aufrecht erhalten. Und wenn es nicht passieren
sollte dass man fällt, und man es tatsächlich einmal schafft auf
ein solches Produkt dauerhaft zu verzichten, dann erkennt man
ziemlich schnell, dass man gezwungen ist zu konsumieren, dass
man ihm nicht entrinnen kann, dem System, den Klauen und Tentakeln
die uns fest umschlossen halten. Denn alles, auch das, was eben
beispielsweise keine Milchprodukte enthält, alles was wir
konsumieren, unterstützt und bezahlt eben genau dieselben Firmen,
Unternehmen und Konzerne, die mit der Ausbeutung und
lebensverachtenden Produktion solcher sogenannter 'Lebensmittel' wie
dem industriell gefertigten Käse und der Milch Profit schlagen. Nur
ein Beispiel für die Unausweichlichkeit ist das oftmals in veganen
Produkten verwendete Palmöl für dessen Produktionsprozesse
ebensolche lebensverachtenden und rücksichtslosen Mechanismen des
Raubbaus und der Zerstörung von Lebensraum vieler Tiere die Folge
sind. Natürlich vor allem aus dem Grund, weil der Profit die
Unternehmen überhaupt erst zur Herstellung veranlasst. Es ist also
natürlich keine Lösung zu verzichten, genausowenig ist Vegetarismus
die Lösung der Problematik von Massentierhaltung und Tierquälerei
in der Fleischproduktion. Es ist die kultivierte Ignoranz und
Selbstentfremdung des Menschen in der Selbstaufgabe und Hingabe an
ein System der Hoffnungen und Illusionen die zu diesen Konsequenzen
in allen Produktionsbereichen führt.
Dennoch ist der Verzicht für uns, die
wir in den reichen und mächtigen Überflußgesellschaften Leben,
eine Option um die Einsicht und die Überzeugung der Untragbarkeit
dieser Umgehensweise mit dem Leben auch umzusetzen. Ein Schritt,
Selbstbewußtsein auf diesem Gebiet zu erlangen und im Verlauf dieses
Prozesses der Entwöhnung die tiefe Verwurzelung dieser
Denkstrukturen und der Selbstrechtfertigungsmechanismen tatsächlich
bis ins letzte Detail zu erkennen, um sie letztlich auch wirklich und
wirksam auflösen zu können.
Das ist dann auch die Botschaft die
verstanden und gehört werden kann, die Botschaft des Exempels, des
gelebten, umgesetzten Beispiels. Das gilt für alle Bereiche der
Systemkonfrontation, der verantwortungsbewußten und gelebten Kritik.
Dass die Worte nicht nur Gedanken bleiben, sondern dass sie ins
Fleisch übergehen, dass sie gelebt werden. Das ist es, worauf
es bei Veränderung ankommt. Nicht der Verzicht selbst, sondern das
Verändern des Selbst, das Verstehen-lernen der eigenen Prägung, der
Programme die in uns tief verwurzelt sind und unsere Identität
bestimmen, bis wir sie bis zu ihren Anfängen zurückverfolgen, in
uns selbst aufspüren, analysieren, dekonstruieren und uns selbst neu
ausrichten, selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Der Appetit, das
Verlangen, der Geschmack, die Vorlieben und Gewohnheiten, warum sind
sie so geprägt und woher kommen sie wirklich, sind sie
selbstbestimmt, eigens gewollt oder vorprogrammiert, anerzogen,
angewöhnt? Ist das Freiheit, wenn man sich und sein Leben, seine
Entscheidungen, nach diesen Mustern und Programmen richtet, ohne sie
zu verstehen, ohne nach dem 'Warum überhaupt?' zu fragen?
Es ist offensichtlich, wir sind nicht
frei, wir können längst nicht mehr entscheiden was oder wen wir
durch unser Konsumverhalten unterstützen, denn wir stützen immer
das gesamte System. Wir haben unsere Selbstbestimmung zusammen mit
unserer Verantwortung abgegeben, wobei wir die Verantwortung immer
noch tragen, nur haben wir eine Illusion der Freiheit dafür in unser
Bewußtsein eingepflanzt bekommen. Wir können das System durch
Aktivismus nicht mehr stoppen. Die einzige, wirkliche Gefahr oder
Bedrohung für diese Strukturen, für die Macht der Institutionen,
ist die selbstehrliche Selbstanalyse, ein willentlich entschiedener
Prozess des Selbstverständnisses, sich als Mensch als das zu
erkennen, was wir sind, zu lernen wie unsere Gedanken- und
Bewußtseinsstrukturen, unsere Emotionen, Gefühle und Ängste
arbeiten, funktionieren und in Gang gesetzt werden. Wenn wir uns
selbst verstehen, uns selbst kennen, dann können wir nicht mehr
einfach manipuliert und programmiert werden, dann lassen wir uns
nicht mehr auf Scheinargumente und Scheinexistenzen in einer
gesellschaftlich- kulturellen Illusion ein. Vor allem aber lassen wir
unsere Kinder nicht mehr den selben Gehirnwäscheprogrammen zum Opfer
fallen die uns unfrei, ängstlich und verantwortungslos haben werden
lassen, die uns unserer Würde entledigt haben. Erst durch diese
Schritte der Veränderung unseres Selbst können wir das System
verändern und die zerstörerischen Mechanismen stoppen. Es wird
durch uns am Leben gehalten, oder besser gesagt wir sind
dieses System, wir leben es, und daher müssen wir auch die
Veränderung leben um sie zu bewirken. Es kann keinen anderen Weg
geben. Und daher ist nicht die direkte Konsequenz des Verzichts auf
Fleisch, Milchprodukte oder andere Konsumartikel die Lösung,
sondern der selbsterhellende Prozess der Entwöhnung, der einem, wenn
er in Hingabe und Selbstehrlichkeit gegangen wird, die Augen für die
Programme und Gedankenstrukturen öffnet, die einen zur
Selbstaufgabe, zur Unmündigkeit und Unfreiheit, zur Ängstlichkeit
erst verleitet haben. Jeder Verzicht auf Überflüssigkeiten und die
allseits gepriesenen Konsumartikel dieser Gesellschaft ist ein
Lernprozess der zu mehr Eigenständigkeit und Selbstbestimmung führen
kann.
Bastian Neumann / Ramstein /
Deutschland / 25.02.2013
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