Sonntag, 24. Februar 2013

Tag0014 - Wir starren das Leben erwartungsvoll an und erkennen uns selbst nicht




Gerade eben habne meine Frau, mein Sohn und ich zusammengesessen um den Abend ausklingen zu lassen und wir hatten die Idee unserem Sohn einen Affen zu zeigen, auf Youtube, weil er gerade viele Tiernamen und Laute lernt, und der PC sowieso an war. Also tippte meine Frau 'Schimpanse' oder 'Affe' in die Suchmaschine und öffnete eines der Videos. In diesem Video waren Bonobos zu sehen, in einem Zoo, hinter Glas. Wir haben beide, bzw. alle drei auf das Video geschaut und waren plötzlich sehr still, haben nur den Lauten der Affen zuehört, die durch den kahlen Raum in dem sie gefangen waren merkwürdig nachhallten und ich hatte den Eindruck sie würden genau aus dem Grund solche Laute machen, um diesen merkwürdigen Nachhall ihrer Rufe zu hören. Mir war dieses Video zu schauen sehr unangenehm und ich wußte aufgrund des Blicks meiner Frau und ihres Schweigens, dass es ihr genau so ging. Ich wußte auch sofort warum und weshalb es mir überhaupt nicht gefallen hat dieses Video anzusehen, weil es einfach unerträglich ist wenn man sich bewußt macht, dass diese Tiere, die sonst in Freiheit leben, sich selbst organisieren und vom Menschen überhaupt nichts wissen wollen, hier in einem kahlen Raum, vielleicht mit ein paar Quadratmetern eingezäuntem Gehege, eingesperrt von zahlenden Besuchern durch eine Glasfront tag für tag angegafft werden, und dass ihre Freiheit auf diese Ablaüfe den Rest ihres Lebens beschränkt ist. Sofort kamen mir etliche Interpretationen über ihr Verhalten das ich in dem Video sehen konnte in den Sinn. Ich hatte den Eindruck, als wäre ihnen unheimlich langweilig, als wären sie verstört und mir ging sogar der Gedanke durch den Kopf, dass sie im Vergleich zu ihren freien Artgenossen sicherlich geistig zurückgeblieben sind und ihr Verhalten das man dort beobachten kann auch sicher nicht authentisch ist und nicht das wirkliche Verhalten eines Bonobos wiederspiegelt. Mir ist natürlich klar, dass solche Interpretationen gewagt sind und dass ich keinerlei wissenschaftlich fundierte Kenntnisse über diese Affen und ihre Körpersprache habe, und so könnte ein Experte oder jeder andere meine Argumentation, dass diese Art der Haltung und der Präsentation nicht gut für die Tiere sei und ihnen schaden würde leicht wiederlegen oder in Frage stellen. Doch ist dies auch gar nicht meine Hauptargumentation, sondern ich sehe vor allem, dass in der Gesamtheit für uns als Menschen und unser Bild von den Tieren, unser Verhalten hier nicht vertretbar ist, weder den Tieren noch uns selbst gegenüber. Dadurch, dass wir solch ein Verhalten kultivieren, dass wir im Namen unserer Schaulust die Würde dieser Tiere verkaufen, verkaufen wir auch unsere eigene. Es ist ganz klar, dass diese Art der Tierschau, der Betrachtung der 'Natur' repräsentiert durch einzelne 'Exemplare' angesehen durch ein Glasfenster uns ihr nicht näher bringt, sondern im Gegenteil, uns weiter von ihr entfernt. Für diesen Punkt spielt es in erster Linie gar keine Rolle ob ich mit meiner Interpretation über das auffällige Verhalten der Affen recht habe oder nicht. Es ist das Verhältnis zum Leben selbst, das hier korrumpiert wird und unsere Prägung auf eine eingebildete Überlegenheit und Macht über die Tiere, die uns durch solches 'Entertainment' auf Kosten des Lebens und der Freiheit dieser Tiere imaginär von ihnen trennt. Es ist ein mentaler, sinnlicher Konsum, ein Voyorismus der verdeckt wird durch falsche Tierliebe, durch Scheinargumente die die Arterhaltung und Forschung in den Vordergrund stellen. Ich kann meine Interpretationen der Körpersprache dieser Affen in Frage stellen, prüfen und analysieren ob ich hier eventuell vorgeprägte Einstellungen meines Geistes, meiner Persönlichkeit überbewerte und projiziere, wenn es aber um den Punkt geht, dass ich diese zur Schau Stellung der Tiere nicht vertreten kann und will, dann finde ich dafür nur eine Ursache, nämlich die, dass ich selbst unter keinen Umständen mit diesen Tieren tauschen wollen würde, und das ist Grund genug mich entschieden gegen dieses Verhalten, gegen die Mechanismen der kommerzialisierten Gefangenschaft zu stellen. Diese Affen sind Lebewesen die unabhängig von uns existieren, kein Hund, keine Hauskatze die vielleicht gezüchtet und geprägt wurden in Gesellschaft von Menschen zu leben, wir haben einfach kein Recht im Namen unserer Neugier, unserer voyoristischen Triebe diese Lebewesen einzusperren und ihnen ihre Würde zu nehmen, nur weil wir es können und wir glauben, das allein wäre Grund genug zu der Annahme wir seien dazu berechtigt, denn wir seien ihnen ja überlegen.
Ich möchte nicht, dass mein Sohn einen Zoo sieht, dass er die Tiere eingesperrt sieht und ihren Hospitalismus als ihr natürliches Verhalten annimmt. Ich sehe einen Zoo in keiner Weise als nützlich, weder zu Informations- und Wissenszwecken, noch zu UNterhaltung oder zur Züchtung im Namen der Arterhaltung. Wenn wir als Menschen eine Lebensform vernichtet haben, durch unsere Ignoranz, unsere Selbstsucht und unsere Feigheit vor Veränderung, dann sollten wir das erkennen und zunächst akzeptieren was wir getan haben und die Verantwortung dafür übernehmen indem wir Schritte einleiten dies in Zukunft zu vermeiden, anstatt heuchlerische Maßnahmen zu ergreifen um einige wenige Exemplare in Gefangenschaft zu vermehren, während es im Grunde nur um ihre kommerzielle Ausbeutung geht.
Dieses Verhältnis zur Natur, zum Leben besser gesagt, ist von Grund auf fehlgeleitet und wird niemandem weiterhelfen, und schon gar nicht den Menschen sich selbst, als dem Leben das er ist, gleichermaßen mit allen Tieren die in seiner Gefangenschaft leben und leiden müssen, näherbringen.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe zu glauben, ich als Mensch sei dazu berechtigt Tiere einzusperren, ich wüsste besser als sie selbst was gut und sicher für sie ist und dass ich mein Urteil darüber, was ein sicheres und komfortables Leben bedeutet den Tieren durch die Akzeptanz dieses Denkens und meines daraus resultierenden Verhaltens aufgezwungen habe.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe auch ur für einen Moment zu glauben es könne Rechtfertigungsgründe für das Einsperren und zur Schau stellen von anderen Lebewesen geben.

Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe zu glauben, dass der Mensch sich ein Bild von denTieren Machen könne um sie besser zu verstehen, indem er sie in artfremder Umgebung einsperrt, indem er sie beobachtet wie sie sich in dieser Umgebung verhalten und dass dieses Wissen letztendlich einen Zweck habe, der sowohl dem Mensch als auch den Tieren dienlich sei, ohne zu bemerken und mir klarzumachen, dass vor allem in unserer menschlichen Welt all diese Rechtfertigungen nur eine einzige Motivation verdecken, die des Profits, die des Machtstrebens und in diesem Fall der kultivierung eines Überlegenheitsdenkens der Menschen.


Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 24.02.2013

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