Sonntag, 3. März 2013

Tag0021 - Soziale Bestätigung und Gruppenzwang



Soziale Bestätigung steht für ein gruppendynamisches Verhalten von Menschen, das soziologisch-psychologisch beobachtet werden kann. Hierbei spielt beispielsweise die Beobachtung eine Rolle, dass mehrere Menschen die sich in einer nicht eindeutigen Situation befinden dazu tendieren abzuwarten, bis andere ein bestimmtes Verhalten zeigen, das sie dann nachahmen, weil sie annehmen, dass andere ein besseres Wissen haben oder besser qualifiziert sind als sie selbst in dieser Situation eine Entscheidung zu treffen.

Am deutlichsten ist mir persönlich der psychologische Effekt der sozialen Bestätigung und seine Sinnlosigkeit und lächerlich trügerische Natur in mir selbst geworden, als ich mich vor einigen Jahren gefragt habe, warum es mir mehr 'Spaß' zu machen scheint, mir irgendeinen Unsinn im Fernsehen anzusehen, anstatt mir einen Film auf DVD einzulegen. Und als ich lange darüber nachgedacht hatte wurde mir klar, dass die einfache Tatsache dass ich weiß, dass das was gerade im Fernsehen läuft noch von tausenden anderen Menschen zur gleichen Zeit gesehen wird den eigentlichen Reiz ausmacht, das jetzt auch zu sehen, und wenn der Inhalt der Sendung noch so erbärmlich sein möge. Noch erbärmlicher fand ich allerdings die Tatsache die mir da über mich selbst und mein Verhalten einleuchtete und wenn ich mich recht erinnere habe ich mich nicht lange Zeit danach von Fernsehern für immer getrennt.
Diese Sehnsucht nach sozialer Bestätigung der eigenen Weltsicht, der eigenen Entscheidungen, der eigenen Vorlieben etc. findet man immer wieder, bei sich selbst in weiteren unterschiedlichen Bereichen, bei anderen Menschen kann man sie beoachten und im Grunde ist unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft genau nach diesem Prinzip der Gruppenmentalität ausgerichtet.
Es ist auch überhaupt nicht das Anliegen dieses Grundbedürfnis nach sozialer Bestätigung in Frage zu stellen, vielleicht ist das sogar ein Schlüssel zur Veränderung des Menschen und der Gesellschaftssysteme zu einer lebensbereichernden und lebensbefreienden Gesellschaft, sondern es geht darum, wozu dieses Bedürfnis der Übereinstimmung benutzt wird, wozu es 'verkommen' ist und dass der Mensch sich durch seine Verunsicherung in einer völlig wertentfremdeten Gesellschaft dadurch manipulieren und programmieren lässt, dass er seine irrationalen Ängste mithilfe dieser sozialen Bestätigung zu überwinden sucht.

Das fatale daran ist die Motivation. Soziale Bestätigung, eine soziale Übereinkunft im Sinne einer Entscheidungsfindung die den Konsens einer Gemeinschaft erhält, weil sie der Gemeinschaft etwas bringt, oder ihr zumindest nicht schadet, wenn sie also dem gesunden Menschenverstand folgt, ist dem Grunde nach ein gesundes Ersuchen nach Bestätigung aus der gesunden Selbsteinschätzung heraus, dass man nicht hundertprozentig davon ausgehen kann ganz allein alle Seiten und Folgen einer wichtigen Entscheidung für sich selbst und andere absehen zu können. Das hat dann überhaupt nichts mit Ängstlichkeit oder mangelndem Selbstbewußtsein zu tun, auch nicht mit Unfähigkeit zu Eigenständigkeit oder Verantwortungsbewußtsein, sondern spiegelt genau das Gegenteil wieder, nämlich einen Sinn für die Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Beteiligten einer Gemeinschaft, eine Fähigkeit zur Selbstreflektion, Kritikfähigkeit, Offenheit und den Willen sich auch der möglichen Offenbarung versteckter Motivationen im eigenen Enscheidungsprozess zu stellen.
Die Sehnsucht oder vielmehr die Sucht nach sozialer Bestätigung aber die sich auf rein egoistische, individuelle Entscheidungen und Einflüsse bezieht, die also wählt aufgrund der eigenen Zugehörigkeit zu einer bereits bestehenden Gruppe, zu einer kulturellen Nische, zu einer Bewegung oder ähnlichem, deutet auf eine ganz andere Problematik hin, nämlich die oben angesprochenen Versuche die persönlichen Unsicherheiten und Ängste des eigenen Selbstbildes zu überwinden. Das führt dann zwangsläufig zu einer totalen Selbstaufgabe der Selbstbestimmung und die Motivationen und Ziele der eigenen Lebensführung richten sich an fremdbestimmten, vorgegebenen Systemen aus, deren man selbst gar nicht Herr ist, vor allem deshalb weil man gar nicht weiß wer man selbst ist.
Wie in so vielen Bereichen auch unserer gesellschaftlichen Systeme sind die grundsätzlichen Ideen der Strukturen nicht per se als schlecht zu bezeichnen, aber der Kontext, bzw. die Prämisse des menschlichen Denkens und der Selbstwahrnehmung in der Welt führt viele dieser Mechanismen ad absurdum.
Wir sind alle als Menschen Teil der Gesellschaft und Kultur, nicht etwa Zuschauer oder Benutzer, sondern wir konstituieren sie direkt. Es kann also niemanden geben, der uns verbindlich einer Entscheidungsverantwortung entledigen kann. Es kann niemals eine Sicherheit geben, die über die der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Entscheidung hinaus geht. Allerdings haben wir über Generationen ein menschliches Selbstbild kultiviert, das eben von Verunsicherung und Ängstlichkeit geprägt ist, das sich in einer Welt zu identifizieren hat, die ein System des Zusammenlebens repräsentiert, das durch eben diese Ängste und Unsicherheiten bestimmt wird und durch sie werden wir immer wieder gesteuert, manipuliert und konditioniert. Die natürlichen Anlagen werden entfremdet und dienen als Schnittstelle zu den menschlichen Motivationssystemen.

Doch wir wissen, dass unsere Zugehörigkeitsgefühle trügerisch sind, deshalb erlösen sie und ja auch nicht dauerhaft von unseren Ängsten. Wir müssen uns immer wieder absichern, uns immer wieder die Richtigkeit unserer Lebensentscheidungen bestätigen lassen.
Wie unabhängig kann der Mensch aber sein, wenn er sich nur der eigenen Vernatwortlichkeit für sich und das Leben stellen würde, wenn er seine Angst vor dieser Tragweite seiner Existenzerweiterung überwinden könnte, anstatt sich in Scheinidentitäten und Gruppenmentalitäten vor ihr zu verstecken. Der Wahn des egoistischen Individualismus, der rücksichtslosen Selbstrechtfertigung in allen Dingen des Lebens macht den Menschen nicht nur zu einem krankhaften, parasitären und zerstörerischen Teil dieses Ökosystems, sondern er ist vor allem die eigentliche Ursache der Angst vor Verantwortung und Selbstbestimmung, er ist Ursache der Verunsicherung eines vergeistigt-verlorenen Selbstbildes das fremdbestimmten Gedankenmustern entspringt und entlang den Regeln des als 'äußerlich' akzeptierten Systems bestätigt und erhalten werden muss. Es ist eine komplette Abhängigkeit von Angst, nicht voneinander als Menschen, als gleichberechtigte, gleiche, selbstbestimmte Lebewesen, sondern alle in gegenseitig vernetzter Vergeistigung Abhängig von den Programmen der Identitäts- und Bedeutungsangst.

Es gibt also eigentlich keinen Gruppenzwang in dem Sinn, sondern nur die Selbstaufgabe zugunsten der irrationalen Angst und dem freiwilligen Zwang 'dazzugehören' zu müssen umd sich eine trügerische Sicherheit zu vermitteln.


Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es zugelassen habe in eigenen Unsicherheiten bei Entscheidungen und in meinen Versuchen diese Unsicherheit durch den Zuspruch anderer zu beseitigen nicht ihre tatsächliche Ursache in der mangelnden Selbsterkenntnis in Selbstehrlichkeit über die eigene Motivation im Verhältnis zu der gemeinschaftlichen Bedeutung zu sehen.

Ich fahre in meinem nächsten Blog mit der Selbstvergebung und Selbstbestimmung/Selbstkorrektur fort.

Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 03.03.2013


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