Ich weiß nicht, wie ich es genau bezeichnen soll, doch
irgendwie, und ich werde mich Schritt für Schritt durcharbeiten bis zu dem
Punkt der Erkenntnis darüber, hatte ich schon immer, seit ich mit genügend
Verstand denken kann, die Fähigkeit die Handlungsweisen und Reaktionen der Menschen
zu verstehen. Nicht im Sinne von Billigen, sondern ich verstehe worum es geht,
die Motive, vor allem die, die eigentlich verborgen sein sollen.
Ich weiß, dass das nichts besonderes ist. Heute weiß ich,
dass es eine ganz natürliche Entwicklung ist, eine Funktion des Bewusstseins
die gleichzeitig sein Fluch ist. Wir können fast immer hinter die Fassaden der
Menschen schauen, hinter die vorgeschobenen Argumente und Rechtfertigungen,
hinter die Verhaltensmuster und die angenommenen, internalisierten Dogmen als
Lebensprinzipien. Wir können die Ängste und Sorgen, die Befürchtungen und Unsicherheiten
erkennen, spüren und verstehen, weil wir Menschen sind, und gleich als
Menschen.
Das Problem das wir haben in unserer Welt ist, dass wir uns
entwickeln und dass wir erzogen werden in einem ganz bestimmten Glauben, nämlich
dem, dass wir abgetrennt und isoliert wären, dass wir in ein System
hineinwachsen und uns anpassen müssten, an ein System das unabhängig von uns ist
und das unser Lebensraum ist, alternativlos, und wir versuchen aufgrund dieser
Lebenslüge uns anzupassen, das Spiel mitzuspielen so gut es eben geht. Doch da
ist immer diese innere Unsicherheit, weil wir spüren dass wir unsere
Vorstellungen von uns selbst nicht wirklich leben, dass wir auch die
angelernten und konditionierten Verhaltensmuster nicht vollständig
verinnerlichen, dass wir innerlich verzweifeln aufgrund der heuchlerischen
Versuche zu der Rolle zu werden die wir uns selbst zugeteilt haben- Wir
beobachten ‚die anderen‘, wir glauben, dass sie das Spiel beherrschen, dass sie
nicht einmal denken, dass sie eine Rolle spielen, wir sind zutiefst
verunsichert über unser Selbst und unsere Fähigkeiten. Und das ist der Grund,
oder einer der Gründe, warum wir trotz unserer Bewusstseinsbegabung und der
Fähigkeit zu Vernunft und Einsicht an einem lebensverachtenden System wie dem
unseren festhalten. Tiefe, verinnerlichte, unbearbeitete Angst.
Aus dieser Angst und dem Frust über die vermeintliche
Unfähigkeit zu einem guten Konformisten zu werden, zu einem Vollwertigen
Mitspieler, wachsen natürlich alle erdenklichen Formen der Aggression, der Wut
und des Zorns.
Warum aber wagen wir es nicht, oder wenn dann nur unter
Umständen die uns selbst erschüttern, die unser Weltbild ins Wanken gebracht
oder zum Einsturz gebracht haben, die gesamte Systematik, das Selbstbild und
das System der Selbstidentifikation über die Systeme in Frage zu stellen? Weil
die Angst vor Ablehnung, die Angst vor
dem Verlust der Gemeinschaft die eigentlich gar nicht existiert unerträglich
ist für eine Existenz, die nur über die Werte, die Ideale und Vorstellung eben
dieser Gemeinschaftsideologie oder Kultur
identifiziert ist. Und diese Unerträglichkeit rührt aus der Illusionären
Natur der grundlegenden Selbstidentifikation als Mensch in Abgetrenntheit und
Isolation in geistigen Idealen, Prinzipien und Vorstellungen.
Dabei könnte es ein einfacher Schritt sein sich von dieser
Angst zu befreien. Einmal, in einer einzigen selbstbestimmten Entscheidung für sich selbst geradezustehen und das Spiel
offenzulegen, sich selbst zu entblößen, die Maske fallen zu lassen und die
ewige Vermutung, dass es vielen anderen ebenso ergeht, dass diese Unsicherheit
weit verbreitet ist, dass wir alle nur versuchen irgendwie durchzukommen und
für uns das scheinbar beste dabei herauszuholen, in ständiger Angst. Sicher
gibt es solche und solche, es gibt Persönlichkeiten die so sehr angepasst,
abgelenkt und beschäftigt sind, dass sie nicht einmal darüber nachdenken was
und warum es in ihnen brodelt, warum sie voller Argwohn, Misstrauen und Zorn
stecken, warum sie sich nicht öffnen können, warum ihre Beziehungen nicht
funktionieren oder warum sie nie wirklich zufrieden sind. Doch das System
selbsthält auch für diese den Moment des Erwachens bereit, dann eben
gezwungenermaßen und nicht selbstbestimmt.
Ich konnte nie etwas damit anfangen, dass ich das Verhalten
der Menschen ‚verstand‘, und dass ich es vor allem deshalb in so vielen Fällen
abstoßend und verachtenswert fand. Ich habe selbst nicht wirklich verstanden
was ich es war, und ich habe viel zu oft und zu lange an mir selbst und meiner
Sicht gezweifelt. Dabei hätte ich nur auf mich selbst und in mich selbst
schauen müssen. Ich hätte mich mit mir selbst befassen müssen so wie mit allen
anderen, mit den Verhaltensmustern und Motiven , den selbstsüchtigen Interessen
und den ängstlichen Aggressionen die ich in den Verhaltensweisen anderer zu
erkennen glaubte, die ich aber im Grunde aus mir selbst heraus kannte. Darin
hätte ich schon früh die Einheit und Gleichheit erkennen können.
Es ist lange kein Geheimnis mehr, dass Menschen und Unternehmen
genau diese Einsichten in die Ängste und Sorgen, die Handlungsmotivationen der
Menschen für ihre ganz persönlichen Zwecke ausnutzen. Und bis zu einem gewissen
Grad machen wir das alle im alltäglichen Zusammenleben, weil die gesamten
gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen eben dieses Prinzip der
eigennützigen, misstrauischen Grundhaltung in sich tragen. Mir ging dieses
Verhalten immer gegen den Strich und es hat lange gedauert bis ich verstanden
hatte, dass ich mich dadurch versucht habe ‚rein zu waschen‘, mich
herauszuhalten aus diesen Machenschaften, und dass ich mich dadurch in überheblicher
Weise eingebildet von allem getrennt habe. Doch diese Trennung ist eine
Illusion und im Grunde führt sie zu völliger Selbstaufgabe, denn man verliert
den Bezug zu den Systemischen Strukturen die notwendig geworden sind um sich
eine Existenz zu sichern, und zum anderen verkennt man, dass man selbst, dass
wir alle als Teilnehmer das System konstituieren, also sind, dass wir alle
dafür verantwortlich sind, dass wir ein Erziehungs- und Ausbildungssystem, eine
Kultur und Vorstellungen vertreten und an unsere Kinder weitergeben, die alle
auf Angst und Verunsicherung, auf gegenseitiger Ausbeutung und Übervorteilung
basieren.
Wir können uns und alle Menschen verstehen lernen, indem wir
jeder für sich, in einem eigenen, selbstgewollten Prozess uns selbst verstehen
lernen, indem wir uns selbstehrlich vor uns selbst offenbaren, und darin liegt
der Schlüssel zur Erkenntnis der grundlegenden Wahrheit, der Einheit und
Gleichheit des Lebens und aus dieser Erkenntnis resultiert die Freiheit von Angst.
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 31.03. - 01.04.2013
Danke!
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