Sonntag, 31. März 2013

Tag0049 - Ich kann die Menschen lesen wie mich selbst [Teil1]





Ich weiß nicht, wie ich es genau bezeichnen soll, doch irgendwie, und ich werde mich Schritt für Schritt durcharbeiten bis zu dem Punkt der Erkenntnis darüber, hatte ich schon immer, seit ich mit genügend Verstand denken kann, die Fähigkeit die Handlungsweisen und Reaktionen der Menschen zu verstehen. Nicht im Sinne von Billigen, sondern ich verstehe worum es geht, die Motive, vor allem die, die eigentlich verborgen sein sollen.

Ich weiß, dass das nichts besonderes ist. Heute weiß ich, dass es eine ganz natürliche Entwicklung ist, eine Funktion des Bewusstseins die gleichzeitig sein Fluch ist. Wir können fast immer hinter die Fassaden der Menschen schauen, hinter die vorgeschobenen Argumente und Rechtfertigungen, hinter die Verhaltensmuster und die angenommenen, internalisierten Dogmen als Lebensprinzipien. Wir können die Ängste und Sorgen, die Befürchtungen und Unsicherheiten erkennen, spüren und verstehen, weil wir Menschen sind, und gleich als Menschen.

Das Problem das wir haben in unserer Welt ist, dass wir uns entwickeln und dass wir erzogen werden in einem ganz bestimmten Glauben, nämlich dem, dass wir abgetrennt und isoliert wären, dass wir in ein System hineinwachsen und uns anpassen müssten, an ein System das unabhängig von uns ist und das unser Lebensraum ist, alternativlos, und wir versuchen aufgrund dieser Lebenslüge uns anzupassen, das Spiel mitzuspielen so gut es eben geht. Doch da ist immer diese innere Unsicherheit, weil wir spüren dass wir unsere Vorstellungen von uns selbst nicht wirklich leben, dass wir auch die angelernten und konditionierten Verhaltensmuster nicht vollständig verinnerlichen, dass wir innerlich verzweifeln aufgrund der heuchlerischen Versuche zu der Rolle zu werden die wir uns selbst zugeteilt haben- Wir beobachten ‚die anderen‘, wir glauben, dass sie das Spiel beherrschen, dass sie nicht einmal denken, dass sie eine Rolle spielen, wir sind zutiefst verunsichert über unser Selbst und unsere Fähigkeiten. Und das ist der Grund, oder einer der Gründe, warum wir trotz unserer Bewusstseinsbegabung und der Fähigkeit zu Vernunft und Einsicht an einem lebensverachtenden System wie dem unseren festhalten. Tiefe, verinnerlichte, unbearbeitete Angst.

Aus dieser Angst und dem Frust über die vermeintliche Unfähigkeit zu einem guten Konformisten zu werden, zu einem Vollwertigen Mitspieler, wachsen natürlich alle erdenklichen Formen der Aggression, der Wut und des Zorns.

Warum aber wagen wir es nicht, oder wenn dann nur unter Umständen die uns selbst erschüttern, die unser Weltbild ins Wanken gebracht oder zum Einsturz gebracht haben, die gesamte Systematik, das Selbstbild und das System der Selbstidentifikation über die Systeme in Frage zu stellen? Weil die  Angst vor Ablehnung, die Angst vor dem Verlust der Gemeinschaft die eigentlich gar nicht existiert unerträglich ist für eine Existenz, die nur über die Werte, die Ideale und Vorstellung eben dieser Gemeinschaftsideologie oder Kultur  identifiziert ist. Und diese Unerträglichkeit rührt aus der Illusionären Natur der grundlegenden Selbstidentifikation als Mensch in Abgetrenntheit und Isolation in geistigen Idealen, Prinzipien und Vorstellungen.

Dabei könnte es ein einfacher Schritt sein sich von dieser Angst zu befreien. Einmal, in einer einzigen selbstbestimmten Entscheidung  für sich selbst geradezustehen und das Spiel offenzulegen, sich selbst zu entblößen, die Maske fallen zu lassen und die ewige Vermutung, dass es vielen anderen ebenso ergeht, dass diese Unsicherheit weit verbreitet ist, dass wir alle nur versuchen irgendwie durchzukommen und für uns das scheinbar beste dabei herauszuholen, in ständiger Angst. Sicher gibt es solche und solche, es gibt Persönlichkeiten die so sehr angepasst, abgelenkt und beschäftigt sind, dass sie nicht einmal darüber nachdenken was und warum es in ihnen brodelt, warum sie voller Argwohn, Misstrauen und Zorn stecken, warum sie sich nicht öffnen können, warum ihre Beziehungen nicht funktionieren oder warum sie nie wirklich zufrieden sind. Doch das System selbsthält auch für diese den Moment des Erwachens bereit, dann eben gezwungenermaßen und nicht selbstbestimmt.

Ich konnte nie etwas damit anfangen, dass ich das Verhalten der Menschen ‚verstand‘, und dass ich es vor allem deshalb in so vielen Fällen abstoßend und verachtenswert fand. Ich habe selbst nicht wirklich verstanden was ich es war, und ich habe viel zu oft und zu lange an mir selbst und meiner Sicht gezweifelt. Dabei hätte ich nur auf mich selbst und in mich selbst schauen müssen. Ich hätte mich mit mir selbst befassen müssen so wie mit allen anderen, mit den Verhaltensmustern und Motiven , den selbstsüchtigen Interessen und den ängstlichen Aggressionen die ich in den Verhaltensweisen anderer zu erkennen glaubte, die ich aber im Grunde aus mir selbst heraus kannte. Darin hätte ich schon früh die Einheit und Gleichheit erkennen können.

Es ist lange kein Geheimnis mehr, dass Menschen und Unternehmen genau diese Einsichten in die Ängste und Sorgen, die Handlungsmotivationen der Menschen für ihre ganz persönlichen Zwecke ausnutzen. Und bis zu einem gewissen Grad machen wir das alle im alltäglichen Zusammenleben, weil die gesamten gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen eben dieses Prinzip der eigennützigen, misstrauischen Grundhaltung in sich tragen. Mir ging dieses Verhalten immer gegen den Strich und es hat lange gedauert bis ich verstanden hatte, dass ich mich dadurch versucht habe ‚rein zu waschen‘, mich herauszuhalten aus diesen Machenschaften, und dass ich mich dadurch in überheblicher Weise eingebildet von allem getrennt habe. Doch diese Trennung ist eine Illusion und im Grunde führt sie zu völliger Selbstaufgabe, denn man verliert den Bezug zu den Systemischen Strukturen die notwendig geworden sind um sich eine Existenz zu sichern, und zum anderen verkennt man, dass man selbst, dass wir alle als Teilnehmer das System konstituieren, also sind, dass wir alle dafür verantwortlich sind, dass wir ein Erziehungs- und Ausbildungssystem, eine Kultur und Vorstellungen vertreten und an unsere Kinder weitergeben, die alle auf Angst und Verunsicherung, auf gegenseitiger Ausbeutung und Übervorteilung basieren.
Wir können uns und alle Menschen verstehen lernen, indem wir jeder für sich, in einem eigenen, selbstgewollten Prozess uns selbst verstehen lernen, indem wir uns selbstehrlich vor uns selbst offenbaren, und darin liegt der Schlüssel zur Erkenntnis der grundlegenden Wahrheit, der Einheit und Gleichheit des Lebens und aus dieser Erkenntnis  resultiert die Freiheit von Angst.

Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 31.03. - 01.04.2013





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