Was bringt und dazu, uns über das
Gedanken zu machen, was andere über uns denken?
Warum ist es von Bedeutung und warum
ist es ein Thema das einen zu bewußter Sorge veranlaßt, das einen
dazu bringt sich angestrengt angepasst zu verhalten? Warum ist das
überhaupt notwendig oder wird als notwendig betrachtet? Ist es
tatsächlich Angst vor eventuellem Konflikt? Ist diese Angst
motiviert durch die Sorge umd den 'Frieden' des gemeinschaftlichen
Lebens?
In nachbarschaftlichem Zusammenleben,
in den alltäglichen Begegnungen innerhalb der Gemeinschaft die einen
unmittelbar umgibt kann man in vielerlei Hinsicht gewisse Ängste
oder Befürchtungen bei sich beobachten wenn es darum geht, was
andere über dich erfahren, was sie von deinem Privatleben wissen,
was sie von dir denken. Mal abgesehen davon, dass Menschen in unserer
Zeit so geprägt sind, dass sie so oder so irgendwie wertend über
dich denken, egal was sie wirklich wissen, hat es mich persönlich
immer gestört mit gewissen Sachen 'hinterm Berg halten' zu müssen,
Dinge zu verheimlichen oder vielleicht sogar zu 'erfinden', um einen
gewissen Schein zu wahren. Und der Grund dafür war meistens nicht
einmal wirklich nachvollziehbar, sondern es ging in meiner Familie
beispielsweise vor allem um das 'Ansehen', gemessen an bestimmten
Wertvorstellungen, wie zum Beispiel der Ordnung, der Disziplin, des
Erfolgs und der 'Weißen Weste' unserer Familie. Man musste möglichst
fehlerfrei und unangreifbar erscheinen.
Ich selbst hatte in dem Dorf in dem ich
aufgewachsen bin keine großen Schwierigleiten dieses Bild in meiner
Jugend erheblich zu schädigen, und aufgrund meiner 'rebellischen'
und ebenso idiotischen Lebensart bin ich also eher trotzig mit dieser
Abneigung gegenüber der Wahrung des Scheins und der heuchlerischen
Fassaden der Dörfler umgegangen ohne mir natürlich klarzumachen,
dass ich auf diese Weise ebenso stetig damit beschäftigt war was
andere über mich
denken, allerdings eben auf gegenteiliger Basis als beispielsweise
meine Großmutter.
Man muss bei diesen Verhaltens- und
Denkweisen die Dynamik betrachten, die gegenseitige Beeinflussung und
die Glaubenssätze und Überzeugungen der beteiligten Personen.
Natürlich weiß jeder, dass der andere nur einen Teil von sich
preisgibt und den Rest verschleiert, jeder denkt er würde den
anderen hinters Licht führen und vermutet bei ihm verborgene, dunkle
Geheimnisse, oder zumindest Ungereimtheiten und Probleme, so wie man
sie bei sich selbst ja auch vorfindet, die man aber versucht nicht
offen zur Geltung zu bringen. Alle Kommunikation scheint sich nur in
oberflächlichen Bereichen zu bewegen, mit Vorsicht und argwöhnischem
Misstrauen tasten sich die Menschen aneinander heran. Erst wenn man
sich schon etwas länger kennt, scheint das Verhältnis lockerer zu
werden, doch das ist nur ein Trugschluß, denn es werden lediglich
die Verhaltensmuster trainierter, man weiß bereits worüber man
reden kann und worüber besser nicht, man ist routinierter, aber
nicht vertrauter.
Vertrauen ist sowieso in weiter Ferne
und unvorstellbar unter den Menschen. Nicht einmal innerhalb der
Familien, nicht einmal zwischen den Ehepartnern ist Vertrauen eine
Selbstverständlichkeit. Viele Indikatoren gibt es die diese
Behauptung bestätigen, zum beispiel die Eifersucht oder die Zwänge
und gesetzlichen Bindungen durch eheliche Verträge. Und wenn diese
Ver-Bindungen dann offiziell gelöst werden, kommt in der Regel all
das zum Vorschein, was jede der beteiligten Persönlichkeiten unter
der dünnen Oberflächlichkeit ihrer alltagsmasken verborgen gehütet
und kultiviert hat.
Was aber ist der wahre Grund für die
Angst vor der Bloßstellung der 'heimlichen' Persönlichkeitsbereiche?
Und ich spreche hier natürlich nicht davon, dass man bei geöffneten
Türen und Fenstern die Toilette benutzt oder das Bad, oder sein
Sexualleben offengelegt wird. Da unterscheidet wir uns nicht
wesentlich voneinander, es ist im Grunde uninteressant, das wissen
wir bereits, auch wenn wir so tun als gäbe es dort etwas 'ganz
Besonderes' zu verbergen.
Ich spreche von den verborgenen
'Plänen', der persönlichen Agenda, der Selbstwahrnehmung in der
Welt und im Vergleich mit 'den anderen' und was genau für Ziele sie
verfolgt.
Was kann es für einen Grund geben,
diese Offenbarung zu fürchten? Vielleicht den, dass sie einen
Hinterhalt offenbart, oder zumindest einen ungerechtfertigten
Wertgrundsatz, der die eigene Person und das eigene, persönliche
Interesse in vielen Bereichen über das anderer stellt? Eine
Ideologie der persönlichen Priorität, die einem rationalen
Argumentationsaustausch nicht standhalten könnte und daher verborgen
bleiben muss und hinter der Maske des freundlichen, wohlgesonnenen,
hilfsbereiten Menschen versteckt bleibt?
Das kann die eine Erklärung sein, eine
weitere ist die Angst vor der Erniedrigung, die Angst davor,
schlechter zu sein als andere, unfähiger und fehlerhafter im offenen
Vergleich. Und so kann man ja auch in vielen Bereichen die
voyoristische Genugtuung derer beobachten, die sich hinter Masken und
Fassaden verstecken während sie sich an den Offenbarungen anderer
ergötzen, ob diese nun freiwillig oder unfreiwillig zur Schau
gestellt wurden. Gute Beispiele sind die Fernsehsendungen die von
genau diesem Prinzip, dieser von Angst getriebenen Konditionierung
leben, oder aber die Cliquenbildung und das Mobbing das bereits in
Schulen die erschreckend frühe Konditionierung der Kinder auf genau
diese Angstgenährte Grundhaltung aufzeigt. Wichtig dabei ist aber
immer die Wahrung der eigenen Fassade, der Schutz der eigenen
Geheimnisse und die Aufrechterhaltung des Scheins besser zu sein,
mehr zu sein als 'der andere'. Die ganze Zeit über aber ist diese
Grundhaltung auf einer unglaublichen Unsicherheit gebaut, sie
resultiert aus irrationalen Ängsten die in dem Glauben basieren,
dass ein anderer 'besser' oder 'mehr wert' sein könnte als man
selbst, und um sich diese Angst vor Unzulänglichkeit nicht
eingestehen zu müssen, sich ihr nicht stellen zu müssen, werden die
Ursachen, die Fehler, die unbearbeiteten egoistischen Triebe, die
Minderwertigkeitsgefühle unterdrückt und verborgen, vor sich selbst
und anderen, und da kommt natürlich jede Gelegenheit recht, sich an
offenbaren Fehlern anderer zu ergötzen. Dadurch lenkt man sich von
der eigenen Angst ab.
Was allerdings ist es wirklich, wovor
man in diesem Verhalten davonläuft?
Es ist die grundsätzliche Realität
der Gleichheit aller, die man nicht wahrhaben will in diesem Denken.
Egal, ob man sich selbst verblendet mit direkter Überheblichkeit,
mit der Illusion einer Überwertigkeit der eigenen Person und damit
die 'geheime Agenda' des Feldzugs der egoistischen Manipulation
rechtfertigt, oder ob man sich eine Fassade aus reiner Angst, aus
Minderwertigkeitsgefühlen zulegt, weil man glaubt man sei nicht gut
genug, nicht diszipliniert genug und von Natur aus fehlerhafter als
andere, und damit seiner Eigenverantwortlichkeit den Rücken kehrt.
Dieser Grundsatz der Vergleichsweisen
Bemessung des eigenen Wertes ist eine krankhafte Wahnidee, die nur in
Verbindung mit rein fantastischen Vorstellungen überhaupt eine
ansatzweise logische Verknüpfung erhält. Die Vorstellung der
eigenen Person, als ein Konstrukt aus Verhaltensweisen, geformt und
genormt an vorgegebenen, kulturellen Werten und Ideologien sozialen
Denkens, eine Idee des Selbst als eine Geschichte, die sich dann
misst und vergleicht mit ebensolchen Ideen von 'anderen' Personen,
die der selben Quelle, dem selben Bewußtsein entspringen wie die
eigene Vorstellung des Ichs. Und somit hat dieses System, dieses
Programm sich selbst die Grundlage geschaffen für alle weiteren
Verhaltens- und Denkvoergänge sowie deren Schlußfolgerungen und
Urteile. Dieses System wird sich in seiner Grundstruktur der
Unsicherheits- und Angstgeprägten Selbstkonstrultion durch das
Bewußtsein niemals ändern, allerdings die Inhalte der
Idealisierungen dieser Bilder immer den jeweiligen äußeren
Bedingungen anpassen können. Eine fantastische, sich selbst immer
wieder antreibende Beschäftigungsmaschinerie des Bioautomaten
Mensch.
Warum er sich dem hingibt bleibt
schleierhaft, zumindest solange man sich nicht mit der Projektion
seiner inneren Persönlichkeitsstrukturen, dem äußeren System der
gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Zwänge
auseinandersetzt, denn dort setzt sich die sich selbst antreibende
Konstruktion fort in der scheinlogischen manifestation einer
übergeordneten Instanz, die zwar ein Produkt unserer eigenen
Schöpfungskraft ist, an deren Überlegenheit und richtungsweisende
Autorität wir aber Paradoxerweise glauben wollen, damit wir an sie
unsere Verantwortung und dadurch unsere Angst abgeben können. Es
funktioniert nicht, das ist jedem klar, jedem für sich, der die
Angst vor 'dem anderen' oder vor der eigenen Offenbarung in sich
spürt, aber wir glauben so sehr an das Funktionieren, dass wir
fürchten wir seien aufgrund unserer Unzulänglichkeit noch immer
nicht überzeugt und andere wären es. Und während jeder seine
innersten Ängste verbirgt und gleichzeitig in diesem Versteck des
Geistes seine dunklen Pläne schmiedet um wenigstens seine
persönlichen Tiebe und Verlangen auf irgendeine Weise befriedigt zu
bekommen, spielen wir uns gegenseitig etwas vor, halten an einem
System fest, an einer Philosophie die auf Angst und Unsicherheit
begründet ist und daher niemals Sicherheit und Zufriedenheit bringen
kann. Im Gegenteil, durch ihr unterschwelliges, unterdrücktes
Konfliktpotential zerfrißt sie den Menschen und die Gemeinschaft,
richtet sich im Namen einer reinen Ideologie gegen das Leben und
richtet es offensichtlich, in der realen Konsequenz, auch zu Grunde.
Man fürchtet die Offenheit nur dann,
wenn man etwas zu verbergen hat. Dass wir ein System leben, in dem es
der persönlichen Existenz, dem Wohl eines Menschen schaden kann sich
zu offenbaren wenn er nichts zu verbergen hat, wenn er nichts tut,
nichts denkt oder wünscht das irgendjemandem schaden könnte, wenn
er sich nur offenbart als Mensch mit allem menschlichen, wenn er für
das Leben und das Recht allen Lebens auf Würde und gleichheit
einsteht, zeigt nur die grundlegende Fehlerhaftigkeit und die
inakzeptable Ausrichtung des Systems selbst, also unserer Selbst.
Denn wir sind das System, wir repräsentieren es.
Im Schutz der Anonymität wird aus dem
verängstigten Ich ein aggressiver, zutiefst frustrierter und
verbitterter Dämon. Im Schutz der Privatsphäre tritt die ganze
Erkrankung der menschlichen Bewußtseinsentwicklung und seiner
Konditionierung auf Überwertigkeit und Abgetrenntheit von allem
anderen Leben in all ihren grausamen Symptomatiken zu Tage. Hinter
den verschlossenen Türen, in der sogenannten Privatsphäre, vor
allem aber im Schutz der Anonymität im Internet, in den weltweiten
Netzwerken zeigt sich eine zutiefst verdorbene, grenzenlos wütende
und Zerstörungswillige Wesenheit, eine geistige Struktur der
menschlichen Natur - nicht der Natur so wie sie ihm angeboren wäre,
nein, einer Natur der Persönlichkeiten die unser aller Schöpfung
und unser aller Verantwortung ist. Und in jedem noch so kleinen
Beitrag unseres Alltagslebens, in jeder innerlichen Be- und
Verurteilung einer Wahnvorstellung die wir uns von 'anderen' oder uns
selbst machen, in jedem Komplott den wir innerlich schmieden und
jeder Manipulation zu unserem scheinbaren Vorteil und sei es nur eine
Verschwiegenheit steuern wir unseren Teil der Verantwortung bei für
diese Auswüchse, den Mißbrauch, das Schweigen, die Ausbeutung aus
dem Schutz des Verborgenen und der Privatsphäre heraus.
Ich habe nichts zu verbergen und habe
nichts zu fürchten. Finde ich einen Punkt in dem ich offenbarung
befürchten sollte, so muss ich mir selbstehrlich den Grund für
diese Angst eingestehen, muss herausfinden und beseitigen was diese
Unehrlichkeit mir und dem Leben gegenüber verursacht, denn es kann
nur ein missbräuchlicher Grund sein.
Es mag Gründe geben, so lange die
soziale und existentiell bedrohliche Repression noch funktioniert, so
lange noch so viele willenlose Schergen der verrottenden Systeme
sind, die eine Verschwiegenheit oder eine gewisse Zurückhaltung
rechtfertigen. Doch hier ist Vorsicht vor den Tücken des Egos
geboten wenn es einem Ernst ist mit seiner Würde, seiner
Glaubwürdigkeit und Selbstehrlichkeit, denn allzu leicht läßt sich
damit die Ängstlichkeit vor notwendiger und unerläßlicher
Konfrontation rechtfertigen. Der Selbstschutz durch Zurückhaltung
und Verschwiegenheit in Sachen Wahrhaftigkeit sollte daher immer nur
das Mittel letzter Wahl sein und nicht zu allererst in Erwägung
gezogen werden.
Ich stehe als Mensch für das Leben,
als das Leben. Ich stehe hier gleich und eins mit allem Leben. Meine
Persönlichkeit und meine Geschichte sind ein Teil meines
Lebensweges, sie sind nicht das was ich bin. Ich habe darin keine
Verwendung für Kämpfe um Ideen und Überlegenheit. Als das Leben
verfolgen wir alle dieselben grundlegenden Interessen und als das
formbare und geformte Bewußtsein kämpfen wir alle mit denselben
Wiedersprüchen und Konflikten. Sollten wir in dieser Grundakzeptanz
zusammenfinden ist es ein leichtes, diese Wiedersprüchlichkeiten
gemeinsam zu entwirren und uns als Menschen in akzeptierter
Gleichheit neu am Leben auszurichten. Und alles was über diese
Gleichheit des Lebens hinausgeht, die persönliche Geschichte, die
daraus erwachenden Interessen und Fähigkeiten, erwachsen daraus als
die Blüten und Zweige der Vielheit, der Mannigfaltigkeit als
Ausdrücke des Lebens, aus dem Stamm der Einheit. Alle bremsenden,
rückschrittigen, das Leben im Keim erstickenden, irrationalen und
unnötigen Programme des Bewußtseins, allen voran die Ängste, sind
in dieser bewußten Entscheidung zum offenkundigen Leben aufgelöst.
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 15.03.2013
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