Freitag, 15. März 2013

Tag0033 - Diffus-ideologisches Theater des Lebens oder: die Angst vor Offenheit



Was bringt und dazu, uns über das Gedanken zu machen, was andere über uns denken?
Warum ist es von Bedeutung und warum ist es ein Thema das einen zu bewußter Sorge veranlaßt, das einen dazu bringt sich angestrengt angepasst zu verhalten? Warum ist das überhaupt notwendig oder wird als notwendig betrachtet? Ist es tatsächlich Angst vor eventuellem Konflikt? Ist diese Angst motiviert durch die Sorge umd den 'Frieden' des gemeinschaftlichen Lebens?

In nachbarschaftlichem Zusammenleben, in den alltäglichen Begegnungen innerhalb der Gemeinschaft die einen unmittelbar umgibt kann man in vielerlei Hinsicht gewisse Ängste oder Befürchtungen bei sich beobachten wenn es darum geht, was andere über dich erfahren, was sie von deinem Privatleben wissen, was sie von dir denken. Mal abgesehen davon, dass Menschen in unserer Zeit so geprägt sind, dass sie so oder so irgendwie wertend über dich denken, egal was sie wirklich wissen, hat es mich persönlich immer gestört mit gewissen Sachen 'hinterm Berg halten' zu müssen, Dinge zu verheimlichen oder vielleicht sogar zu 'erfinden', um einen gewissen Schein zu wahren. Und der Grund dafür war meistens nicht einmal wirklich nachvollziehbar, sondern es ging in meiner Familie beispielsweise vor allem um das 'Ansehen', gemessen an bestimmten Wertvorstellungen, wie zum Beispiel der Ordnung, der Disziplin, des Erfolgs und der 'Weißen Weste' unserer Familie. Man musste möglichst fehlerfrei und unangreifbar erscheinen.
Ich selbst hatte in dem Dorf in dem ich aufgewachsen bin keine großen Schwierigleiten dieses Bild in meiner Jugend erheblich zu schädigen, und aufgrund meiner 'rebellischen' und ebenso idiotischen Lebensart bin ich also eher trotzig mit dieser Abneigung gegenüber der Wahrung des Scheins und der heuchlerischen Fassaden der Dörfler umgegangen ohne mir natürlich klarzumachen, dass ich auf diese Weise ebenso stetig damit beschäftigt war was andere über mich denken, allerdings eben auf gegenteiliger Basis als beispielsweise meine Großmutter.

Man muss bei diesen Verhaltens- und Denkweisen die Dynamik betrachten, die gegenseitige Beeinflussung und die Glaubenssätze und Überzeugungen der beteiligten Personen. Natürlich weiß jeder, dass der andere nur einen Teil von sich preisgibt und den Rest verschleiert, jeder denkt er würde den anderen hinters Licht führen und vermutet bei ihm verborgene, dunkle Geheimnisse, oder zumindest Ungereimtheiten und Probleme, so wie man sie bei sich selbst ja auch vorfindet, die man aber versucht nicht offen zur Geltung zu bringen. Alle Kommunikation scheint sich nur in oberflächlichen Bereichen zu bewegen, mit Vorsicht und argwöhnischem Misstrauen tasten sich die Menschen aneinander heran. Erst wenn man sich schon etwas länger kennt, scheint das Verhältnis lockerer zu werden, doch das ist nur ein Trugschluß, denn es werden lediglich die Verhaltensmuster trainierter, man weiß bereits worüber man reden kann und worüber besser nicht, man ist routinierter, aber nicht vertrauter.
Vertrauen ist sowieso in weiter Ferne und unvorstellbar unter den Menschen. Nicht einmal innerhalb der Familien, nicht einmal zwischen den Ehepartnern ist Vertrauen eine Selbstverständlichkeit. Viele Indikatoren gibt es die diese Behauptung bestätigen, zum beispiel die Eifersucht oder die Zwänge und gesetzlichen Bindungen durch eheliche Verträge. Und wenn diese Ver-Bindungen dann offiziell gelöst werden, kommt in der Regel all das zum Vorschein, was jede der beteiligten Persönlichkeiten unter der dünnen Oberflächlichkeit ihrer alltagsmasken verborgen gehütet und kultiviert hat.

Was aber ist der wahre Grund für die Angst vor der Bloßstellung der 'heimlichen' Persönlichkeitsbereiche? Und ich spreche hier natürlich nicht davon, dass man bei geöffneten Türen und Fenstern die Toilette benutzt oder das Bad, oder sein Sexualleben offengelegt wird. Da unterscheidet wir uns nicht wesentlich voneinander, es ist im Grunde uninteressant, das wissen wir bereits, auch wenn wir so tun als gäbe es dort etwas 'ganz Besonderes' zu verbergen.
Ich spreche von den verborgenen 'Plänen', der persönlichen Agenda, der Selbstwahrnehmung in der Welt und im Vergleich mit 'den anderen' und was genau für Ziele sie verfolgt.
Was kann es für einen Grund geben, diese Offenbarung zu fürchten? Vielleicht den, dass sie einen Hinterhalt offenbart, oder zumindest einen ungerechtfertigten Wertgrundsatz, der die eigene Person und das eigene, persönliche Interesse in vielen Bereichen über das anderer stellt? Eine Ideologie der persönlichen Priorität, die einem rationalen Argumentationsaustausch nicht standhalten könnte und daher verborgen bleiben muss und hinter der Maske des freundlichen, wohlgesonnenen, hilfsbereiten Menschen versteckt bleibt?
Das kann die eine Erklärung sein, eine weitere ist die Angst vor der Erniedrigung, die Angst davor, schlechter zu sein als andere, unfähiger und fehlerhafter im offenen Vergleich. Und so kann man ja auch in vielen Bereichen die voyoristische Genugtuung derer beobachten, die sich hinter Masken und Fassaden verstecken während sie sich an den Offenbarungen anderer ergötzen, ob diese nun freiwillig oder unfreiwillig zur Schau gestellt wurden. Gute Beispiele sind die Fernsehsendungen die von genau diesem Prinzip, dieser von Angst getriebenen Konditionierung leben, oder aber die Cliquenbildung und das Mobbing das bereits in Schulen die erschreckend frühe Konditionierung der Kinder auf genau diese Angstgenährte Grundhaltung aufzeigt. Wichtig dabei ist aber immer die Wahrung der eigenen Fassade, der Schutz der eigenen Geheimnisse und die Aufrechterhaltung des Scheins besser zu sein, mehr zu sein als 'der andere'. Die ganze Zeit über aber ist diese Grundhaltung auf einer unglaublichen Unsicherheit gebaut, sie resultiert aus irrationalen Ängsten die in dem Glauben basieren, dass ein anderer 'besser' oder 'mehr wert' sein könnte als man selbst, und um sich diese Angst vor Unzulänglichkeit nicht eingestehen zu müssen, sich ihr nicht stellen zu müssen, werden die Ursachen, die Fehler, die unbearbeiteten egoistischen Triebe, die Minderwertigkeitsgefühle unterdrückt und verborgen, vor sich selbst und anderen, und da kommt natürlich jede Gelegenheit recht, sich an offenbaren Fehlern anderer zu ergötzen. Dadurch lenkt man sich von der eigenen Angst ab.
Was allerdings ist es wirklich, wovor man in diesem Verhalten davonläuft?
Es ist die grundsätzliche Realität der Gleichheit aller, die man nicht wahrhaben will in diesem Denken. Egal, ob man sich selbst verblendet mit direkter Überheblichkeit, mit der Illusion einer Überwertigkeit der eigenen Person und damit die 'geheime Agenda' des Feldzugs der egoistischen Manipulation rechtfertigt, oder ob man sich eine Fassade aus reiner Angst, aus Minderwertigkeitsgefühlen zulegt, weil man glaubt man sei nicht gut genug, nicht diszipliniert genug und von Natur aus fehlerhafter als andere, und damit seiner Eigenverantwortlichkeit den Rücken kehrt.
Dieser Grundsatz der Vergleichsweisen Bemessung des eigenen Wertes ist eine krankhafte Wahnidee, die nur in Verbindung mit rein fantastischen Vorstellungen überhaupt eine ansatzweise logische Verknüpfung erhält. Die Vorstellung der eigenen Person, als ein Konstrukt aus Verhaltensweisen, geformt und genormt an vorgegebenen, kulturellen Werten und Ideologien sozialen Denkens, eine Idee des Selbst als eine Geschichte, die sich dann misst und vergleicht mit ebensolchen Ideen von 'anderen' Personen, die der selben Quelle, dem selben Bewußtsein entspringen wie die eigene Vorstellung des Ichs. Und somit hat dieses System, dieses Programm sich selbst die Grundlage geschaffen für alle weiteren Verhaltens- und Denkvoergänge sowie deren Schlußfolgerungen und Urteile. Dieses System wird sich in seiner Grundstruktur der Unsicherheits- und Angstgeprägten Selbstkonstrultion durch das Bewußtsein niemals ändern, allerdings die Inhalte der Idealisierungen dieser Bilder immer den jeweiligen äußeren Bedingungen anpassen können. Eine fantastische, sich selbst immer wieder antreibende Beschäftigungsmaschinerie des Bioautomaten Mensch.
Warum er sich dem hingibt bleibt schleierhaft, zumindest solange man sich nicht mit der Projektion seiner inneren Persönlichkeitsstrukturen, dem äußeren System der gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Zwänge auseinandersetzt, denn dort setzt sich die sich selbst antreibende Konstruktion fort in der scheinlogischen manifestation einer übergeordneten Instanz, die zwar ein Produkt unserer eigenen Schöpfungskraft ist, an deren Überlegenheit und richtungsweisende Autorität wir aber Paradoxerweise glauben wollen, damit wir an sie unsere Verantwortung und dadurch unsere Angst abgeben können. Es funktioniert nicht, das ist jedem klar, jedem für sich, der die Angst vor 'dem anderen' oder vor der eigenen Offenbarung in sich spürt, aber wir glauben so sehr an das Funktionieren, dass wir fürchten wir seien aufgrund unserer Unzulänglichkeit noch immer nicht überzeugt und andere wären es. Und während jeder seine innersten Ängste verbirgt und gleichzeitig in diesem Versteck des Geistes seine dunklen Pläne schmiedet um wenigstens seine persönlichen Tiebe und Verlangen auf irgendeine Weise befriedigt zu bekommen, spielen wir uns gegenseitig etwas vor, halten an einem System fest, an einer Philosophie die auf Angst und Unsicherheit begründet ist und daher niemals Sicherheit und Zufriedenheit bringen kann. Im Gegenteil, durch ihr unterschwelliges, unterdrücktes Konfliktpotential zerfrißt sie den Menschen und die Gemeinschaft, richtet sich im Namen einer reinen Ideologie gegen das Leben und richtet es offensichtlich, in der realen Konsequenz, auch zu Grunde.

Man fürchtet die Offenheit nur dann, wenn man etwas zu verbergen hat. Dass wir ein System leben, in dem es der persönlichen Existenz, dem Wohl eines Menschen schaden kann sich zu offenbaren wenn er nichts zu verbergen hat, wenn er nichts tut, nichts denkt oder wünscht das irgendjemandem schaden könnte, wenn er sich nur offenbart als Mensch mit allem menschlichen, wenn er für das Leben und das Recht allen Lebens auf Würde und gleichheit einsteht, zeigt nur die grundlegende Fehlerhaftigkeit und die inakzeptable Ausrichtung des Systems selbst, also unserer Selbst. Denn wir sind das System, wir repräsentieren es.

Im Schutz der Anonymität wird aus dem verängstigten Ich ein aggressiver, zutiefst frustrierter und verbitterter Dämon. Im Schutz der Privatsphäre tritt die ganze Erkrankung der menschlichen Bewußtseinsentwicklung und seiner Konditionierung auf Überwertigkeit und Abgetrenntheit von allem anderen Leben in all ihren grausamen Symptomatiken zu Tage. Hinter den verschlossenen Türen, in der sogenannten Privatsphäre, vor allem aber im Schutz der Anonymität im Internet, in den weltweiten Netzwerken zeigt sich eine zutiefst verdorbene, grenzenlos wütende und Zerstörungswillige Wesenheit, eine geistige Struktur der menschlichen Natur - nicht der Natur so wie sie ihm angeboren wäre, nein, einer Natur der Persönlichkeiten die unser aller Schöpfung und unser aller Verantwortung ist. Und in jedem noch so kleinen Beitrag unseres Alltagslebens, in jeder innerlichen Be- und Verurteilung einer Wahnvorstellung die wir uns von 'anderen' oder uns selbst machen, in jedem Komplott den wir innerlich schmieden und jeder Manipulation zu unserem scheinbaren Vorteil und sei es nur eine Verschwiegenheit steuern wir unseren Teil der Verantwortung bei für diese Auswüchse, den Mißbrauch, das Schweigen, die Ausbeutung aus dem Schutz des Verborgenen und der Privatsphäre heraus.

Ich habe nichts zu verbergen und habe nichts zu fürchten. Finde ich einen Punkt in dem ich offenbarung befürchten sollte, so muss ich mir selbstehrlich den Grund für diese Angst eingestehen, muss herausfinden und beseitigen was diese Unehrlichkeit mir und dem Leben gegenüber verursacht, denn es kann nur ein missbräuchlicher Grund sein.
Es mag Gründe geben, so lange die soziale und existentiell bedrohliche Repression noch funktioniert, so lange noch so viele willenlose Schergen der verrottenden Systeme sind, die eine Verschwiegenheit oder eine gewisse Zurückhaltung rechtfertigen. Doch hier ist Vorsicht vor den Tücken des Egos geboten wenn es einem Ernst ist mit seiner Würde, seiner Glaubwürdigkeit und Selbstehrlichkeit, denn allzu leicht läßt sich damit die Ängstlichkeit vor notwendiger und unerläßlicher Konfrontation rechtfertigen. Der Selbstschutz durch Zurückhaltung und Verschwiegenheit in Sachen Wahrhaftigkeit sollte daher immer nur das Mittel letzter Wahl sein und nicht zu allererst in Erwägung gezogen werden.

Ich stehe als Mensch für das Leben, als das Leben. Ich stehe hier gleich und eins mit allem Leben. Meine Persönlichkeit und meine Geschichte sind ein Teil meines Lebensweges, sie sind nicht das was ich bin. Ich habe darin keine Verwendung für Kämpfe um Ideen und Überlegenheit. Als das Leben verfolgen wir alle dieselben grundlegenden Interessen und als das formbare und geformte Bewußtsein kämpfen wir alle mit denselben Wiedersprüchen und Konflikten. Sollten wir in dieser Grundakzeptanz zusammenfinden ist es ein leichtes, diese Wiedersprüchlichkeiten gemeinsam zu entwirren und uns als Menschen in akzeptierter Gleichheit neu am Leben auszurichten. Und alles was über diese Gleichheit des Lebens hinausgeht, die persönliche Geschichte, die daraus erwachenden Interessen und Fähigkeiten, erwachsen daraus als die Blüten und Zweige der Vielheit, der Mannigfaltigkeit als Ausdrücke des Lebens, aus dem Stamm der Einheit. Alle bremsenden, rückschrittigen, das Leben im Keim erstickenden, irrationalen und unnötigen Programme des Bewußtseins, allen voran die Ängste, sind in dieser bewußten Entscheidung zum offenkundigen Leben aufgelöst.

Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 15.03.2013


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen