Ich kann in dieser Sache aus eigener Erfahrung reichlich
berichten, denn ich war Jahre meines Lebens ein Opfer meiner eigenen
Selbstbewertung und der selbstauferlegten Unfähigkeit soziale Kontakte zu
knüpfen und zu pflegen. Diese Selbstprogrammierung, die natürlich unterstützt
wurde durch die grundlegend heuchlerische Wertstruktur unserer Erziehungs- und
Bildungssysteme, ist im Grunde ein Zeichen für einen Restbestand an gesundem
Menschenverstand, denn die Unfähigkeit an den vorgegebenen sozialen Strukturen
ernsthaft, mit der notwendigen Motivation und dem Eifer teilzunehmen deutet
darauf hin, dass man sich mit dem gestellten und heuchlerischen Charakter, mit
der Grundlage der sozialen, gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Systeme
in denen wir leben noch nicht ganz abgefunden hat, dass man sich nicht sicher
ist ob man es richtig verstanden hat, dass man nicht weiß, wie genau es
funktioniert oder dass man eben einfach glaubt unfähig zu sein, in diesem Spiel
mitzuspielen.
Die Schlussfolgerungen, die ganz persönlichen Urteile sind
es dann, auf die es ankommt. Wie gehe ich mit dieser Unsicherheit um? Und eben
genau da besteht die Gefahr, dass man
sich akzeptiert als ‚eine Persönlichkeit‘, die eben entweder schüchtern,
einzelgängerisch oder unfähig zu den einfachsten, natürlichen Handlungen ist.
Dabei ist genau das der Knackpunkt, dass die soziale Interaktion, die Systeme
des Umgangs miteinander, eben alles andere als natürlich sind. Überall will man
uns, bzw. sich selbst weismachen, dass der Mensch in den heutigen Strukturen in
denen er lebt, und seien sie noch so absurd, noch so lebensfeindlich und
schädlich, nur die grundlegend natürlichen
Prinzipien des Lebens und seiner Entwicklung repräsentieren würde. Nichts aber
könnte weiter von der Wahrheit entfernt und gleichzeitig für den Menschen so
schwer zu akzeptieren sein. Die einfache Akzeptanz dieser dogmatischen Annahme
bedeutet eben Alternativlosigkeit und entbindet damit gedanklich von der
Verantwortung nach solchen zu suchen, sich zu engagieren und Dinge zu
verbessern. Das ist einer der Gründe, warum wir Menschen es in all den
Jahrhunderten nicht geschafft haben die grundlegenden gesellschaftlichen
Probleme auch nur annähernd in den Griff zu bekommen. Wir haben all unser
schöpferisches, kreatives Potential auf die Bekämpfung und Unterdrückung von
Symptomen verwendet und niemals ernsthaft die grundlegenden Akzeptanzen unserer
Selbstwahrnehmung, die anthropomorphen Dogmen unserer eigenen Geschichte und
der Geschichte der Menschheit selbst in Frage gestellt und auf den Prüfstand
des gesunden Menschenverstandes gehoben. Nicht etwa, weil wir dazu nicht in der
Lage wären oder darauf nicht kommen würden, sondern weil wir in zutiefst gläubiger,
religiöser Manier die Infragestellung unserer eigenen Funktionsweise und die
Überlegung ob wir selbst unsere ‚Natur‘ schaffen und gestalten können, bzw. das
schon längst tun, als eine moralische Unmöglichkeit betrachten. Es ist als
hätten wir eine mentale Sperre in unserem Bewusstsein die uns vor der
Selbsterkenntnis und der eigentlichen Selbstbestimmung bewahren soll. Aber wir
alle wissen es im Grunde längst. Wir erleben es bei uns selbst im Umgang mit
anderen, anhand der manipulativen Methoden die wir anwenden, der wechselnden
Gesichter die wir auflegen, wir erfahren es bei anderen, wenn unsere
Erwartungshaltungen enttäuscht werden, wenn ihr Verhalten plötzlich nicht mehr
zu unserer ganz persönlichen Agenda passt, wir kennen die Maskerade des Alltags
alle und beherrschen sie auch alle. Doch scheinen wir akzeptiert zu haben, dass
diese Art der Manipulation notwendig sei für den sozialen Umgang und dass sie
der Natur des Menschen auch entspräche. Es tut mir leid da enttäuschen zu
müssen, das ist sicher nicht der Fall, es sei denn, ich bin kein Mensch. Soll
solch ein Verhalten die Natur des Menschen und notwendig für sein überleben
sein, so ist das so, weil er diese Natur selbst kultiviert und darin seinen
selbst geschaffenen Systemen angepasst hat. Und es hat vielmehr den Anschein,
dass die Systeme die ihn abhängig gemacht haben, das Geldsystem, die
Konsumphilosophie, der Kapitalismus und die gesellschaftlichen Normen und
Zwänge viel mehr ein Resultat dieser Akzeptanz der manipulativen Oberflächlichkeit und der
darunter brodelnden Systeme der Angst, der Unsicherheit, der Selbstsucht, des
Argwohns und Misstrauens als Natur des Menschen.
Wir haben also die Wahl zu versuchen an diese Natürlichkeit
der gegenseitigen Verblendung aus Ängstlichkeit zu glauben, indem wir unsere
Reaktionen, unsere inneren Gefühle, die Überwältigenden körperlichen Reaktionen
in Angst- und überschwänglichen Glücksmomenten als das und ausschließlich
das annehmen, was uns ausmacht, was wir sind und uns dabei den systematischen
Prinzipien einer Kommunikation zu unterwerfen, auf deren Spracherwerb wir einen
Großteil unserer Entwicklung und der unserer Kinder verwenden und durch die wir
uns immer wieder in Konfliktsituationen bringen die dann in der inneren,
energetischen Aufladung eben diese Empfindungsmomente triggern und bewirken, welche
wir so sehr herbeisehnen, dass wir dafür bereit sind unser Leben und unsere
Selbstbestimmung aufzugeben, weil wir glauben darin, in diesen Erlebnismomenten
unsere Identität zu finden und zu sein. Gemeint sind die programmierten
Empfindungsmuster von Sympathie, Verliebtheit, Abneigung, Hass, Empörung,
beleidigt sein usw.
Wir haben aber auch eine andere Wahl, nämlich die, diese
Systeme und Strukturen zu durchschauen, sie vor allem bei uns selbst, aber in
der Konsequenz eben auch bei allen anderen zu erkennen, zu verstehen wie sie
entstehen, welcher Verzweiflung sie entspringen und welche Ängste sie zu
verbergen suchen. Wir können feststellen, wenn wir Selbstehrlichkeit üben, wann
wir selbst und wann andere offen und aufrichtig sind und warum sie es in aller
Regel eben nicht sind. Doch diese
Entscheidung muss vollständig, aufrichtig und durch den Willen zum Leben motiviert
sein, um tatsächlich eine selbstbestimmte Entscheidung zu sein. Sie muss im Bewusstsein
der Verantwortlichkeit in Einheit und Gleichheit für alles Leben getroffen
werden, unter Berücksichtigung der Konsequenzen, der Wirkung auf das Leben.
Denn die Versuchung als die auf Angst, Argwohn und Selbstsucht geprägte
Persönlichkeit ist groß, die Oberflächlichkeit und das Verständnis für die
Fassadenhafte und heuchlerische ‚Natur‘ des menschlichen Bewusstseins in
unserer Welt zur Erfüllung der eigenen Interessen manipulativ zu benutzen. Es
gibt wahre Meister darin, die man dann, wenn man ihre Streifzüge Aufdeckt ‚Soziopathen‘
nennt. Man behandelt sie dann als Kranke Menschen und das was sie taten oder
tun als moralisch verwerflich und unmenschlich. Doch auch hier zeigt sich
wieder die heuchlerische Grundhaltung des Menschen in diesem Zustand, in dieser
Zeit, denn im Grunde haben sie lediglich mehr verstanden als der Durchschnitt, haben
die Verhaltensweisen die sie erlernt und erfahren haben sozusagen zu ihrer
persönlichen Profession gemacht, sind aber nicht frei genug, haben nicht den
letzten Schritt zu Eigenverantwortlichkeit, Selbstehrlichkeit und
Selbsterkenntnis gewagt der sie von dem Zwang des selbstsüchtigen Handelns und
dem Teufelskreis der immer wiederkehrenden Verlangen nach mehr Bewusstseins
reizen und mehr persönlicher Erfüllung hätte befreien können. Es ist gar nicht
so sehr der Fall, dass diese Menschen kein oder weniger Mitgefühl haben als
andere, sie haben ich selbst vielmehr eingestanden, dass es in dieser Welt, in
dieser Gesellschaft und dieser Kultur irrelevant ist, da niemand tatsächlich
Mitgefühl zu haben scheint, sondern es nur heuchelt. Die Wirklichkeit der
unnötigen Ungleichheit, der Armut und des Hungers, der Kriege und Gewalttaten
gegen Schutzlose beweisen diesen Standpunkt recht deutlich.
Die Entscheidung ist also nur dann wirklich entschieden und
nicht nur eine weitere Schicht eines immer noch systemkonformen Egos, wenn sie
in Selbstehrlichkeit und mit wahrhaftigen dem Willen zur Umsetzung, zur lebendigen Transformation der eigenen Fassade
und der eigenen Ängste, der Konditionierten Gedanken- und Wertstrukturen durch
das eigene Leben, durch den eigenen Leib getroffen wird. Ohne Hintergedanken, ohne
Selbstsüchtige Motive, ohne den kleinsten Hauch von Persönlichkeits-Ideologie.
Der Schritt dorthin muss klar definiert sein, die Konsequenzen und notwendigen
Folgeschritte ebenfalls. Es muss klar sein, dass diese Selbstarbeit, diese
Dekonstruktion ein schwieriger und langer Prozess ist, dass es hier nicht um
eine ‚Heldentat‘ geht, sondern dass man hier die eigenen Abgründe erforschen
muss, ohne Garantie auf Erfolg, ohne Aussicht auf Entlohnung in irgendeiner
Form. Kein Nirvana, kein Himmel wird hier versprochen. Keine Glücksgefühle und
keine Wonne. Den Himmel und die Vorstellungen paradiesischer Zustände können
nur durch diese Selbsthäutung von Menschen eigenhändig und eigenständig hier in
dieser Existenz realisiert werden. Eigenständigkeit und Selbstbestimmung sind
hier zunächst die einzigen persönlichen Errungenschaften die in Aussicht stehen.
Doch dass es sich dafür lohnt alles zu geben und alles aufzugeben was man
bisher an sich geschätzt hat, alles in Frage zu stellen was einem bisher
Wervoll erschien und es auf seine Konsequenzen und motive zu prüfen, sich
selbst am Leben zu messen, das kann jeder bestätigen der auch nur die ersten paar
Schritte in diese Richtung unternommen hat.
Ich habe also fast mein ganzes Leben in dem Glauben
verbracht, ich sei unfähig soziale Kontakte zu knüpfen, weil ich mich einfach
für die meisten sozialen Rituale des Kennenlernens und der Freundschaftspflege
nicht erwärmen konnte. Ich war von vielen dieser Rituale sogar angewidert, vor
allem von denen der Partnerwerbung oder denen der jugendlichen Partylaune. Ich
habe irgendwann für mich akzeptiert, dass ich ein Außenseiter bin, und mir in
innerem Frust eingeredet, dass das an meiner Komplizierten Persönlichkeit, also
im Grunde an meiner Überlegenheit liegen müsse. Natürlich, heute bereue ich
keinen Moment dieser Zeit mehr und auch nicht, dass ich solche Abneigungen
verspürt habe. Aber ich verstehe mich natürlich heute besser und auch die
Gründe und eigentlichen Motive.
Die Frustreaktionen jedenfalls haben mich nicht unbedingt
weiter gebracht und die Isolation die immer weiter fortschritt auch nicht.
Natürlich gab es für mich keinen Weg ‚zurück‘ und im Lauf der Jahre konnte ich
durch meine vorrangige Beobachterrolle
viel mehr dieser sozialen Rituale durchschauen als das vielleicht andere
konnten, die aber eben in ihrer Anwendung besser waren als ich. Das verbaute
mir allerdings die Möglichkeit diese Fähigkeiten tatsächlich gekonnt zu
internalisieren, weil ich umso abgestoßener von ihnen war, je mehr ich sie
verstand.
Verstehen und Anwenden sind also zwei verschieden Dinge. Und
man muss immer gekonnte Manipulative Strategien anwenden, wenn man in unserer
Welt der Menschen vorankommen oder auch nur einfach vor sich hin leben will.
Man muss andere Überzeugen, obwohl man keine Argumente hat, man muss Freundlich
zu Menschen sein auf eine Art, die einfach nur geheuchelt ist und die auch das Gegenüber nicht wirklich als
Freundlichkeit versteht, sondern als eine Form der Unterwerfung, man muss Dinge
über sich verschweigen um notwendige Wege zu beschreiten, wie beispielsweise
einen Arbeitsplatz bekommen und man muss seinem Partner vormachen dass man
niemals einen anderen Menschen begehren könnte außer ihn. All das und noch viel
mehr in gegenseitigem Einverständnis des offenen Betrugs, der offensichtlichen Heuchelei. Doch das ist die Welt, die wir ‚entwickelt‘
haben. Das ist die ‚Natur‘ die wir uns selbst angeeignet haben. Wir könnten
auch anders. Wir können ehrlich sein, wir können offen sein. Die Frage ist
doch, was haben wir zu verbergen? Wo sind wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich?
Warum denken wir es nötig zu haben uns
selbst und anderen etwas vor zu machen?
Auf diese Fragen und mehr gehe ich in meinem nächsten Post
zu diesem Thema ein.
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 25.03.2013
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen