Ich habe festgestellt, nachdem ich lange Jahre meines Lebens
immer versucht habe meine Probleme durch Aufschieben und Vermeiden zu lösen und
damit so ziemlich alles vor die Wand gefahren hatte was nur ging, dass ich
immer noch Tendenzen habe, bestimmte „unangenehme“ Entscheidungen vor mir her
zu schieben, insbesondere wenn diese Entscheidungen nicht nur für mich
persönlich Veränderungen mit sich bringen, sondern auch für andere Menschen. Es
ist fast so, als wollte ich mein ganzes Leben und meine Entscheidungen an den
Wünschen und Vorlieben meines Umfeldes, also der Menschen die mit meinem Leben
in irgend einer Weise direkt vernetzt sind, ausrichten und mich dadurch der
eigenen Selbstbestimmung und der Verantwortung die damit einhergeht entziehen.
Natürlich ist es absolut notwendig in die eigenen Entscheidungen die
Konsequenzen und Auswirkungen die diese Wendungen für andere Menschen haben
werden mit in Betracht zu ziehen. Das ist ein Teil der Verantwortlichkeit als
Mensch, als Leben in einer Gemeinschaft. Doch in diesem Fall dienen die
Bedenken und Hinderungen eine klare Entscheidung zu treffen als
Selbstrechtfertigung für die Angst vor der Verantwortung, aus Angst für die
Konsequnezen dieser Entscheidung gerade zu stehen. Und so macht legt man sich
in Gedanken Gründe und Motive zurecht, die man vor sich selbst mit dem Schutz
der Bedürfnisse und Interessen der anderen rechtfertigt, die aber im Grunde nur
eine Aufschiebung der Entscheidung bewirken sollen. Und in letzter Konsequenz offenbart
dieses Verhaltensmuster den eindeutig egoistischen Kern, der die eigenen
Interesen, die eigene Bequemlichkeit und die eigene Feigheit umschließt und
schützen soll, alles unter dem Vorwand des Mitgefühls. Das ist schon
faszinierend, dass man sich in gedanklicher Diskussion mit sich selbst so sehr
vertiefen und ablenken kann, dass man diese offenbare Selbsttäuschung nicht
bemerkt, bzw. nicht bemerken muss.
Die mentalen Simulationen sind Wahrscheinlichkeiten die man
sich als Konsequenzen der Entscheidung vorstellt. Das tückische an diesen
Simulationen ist, dass man sie leicht manipulieren kann, dass man sie in
bestimmte Richtungen lenken kann und das ‚befürchtete‘ Ergebnis generiert, dass
es einem ermöglicht eine weitere Aufschiebung der Entscheidung scheinbar zu
rechtfertigen. Die mentalen oder auch geistigen Simulationen und
Zukunftsprojektionen sind nichts weiter als Vorstellungen, gedankliche,
künstliche Realitäten. Sie haben nichts mit den tatsächlichen Geschehnissen zu
tun, sie spiegeln niemals die Wirklichkeit auch nur annähernd wieder. Und
dennoch sind wir als Menschen so oft und so intensiv mit unseren
Zukunftsprojektionen, Selbstrechtfertigungen und gedanklich verursachten Ängsten
beschäftigt, dass wir die meiste Zeit überhaupt nicht leben, nicht da sind,
sondern den Körper quasi programmiert ablaufen lassen, während wir uns in
unserem Geist in Vorstellungswelten bewegen, ohne Sinn, ohne Nutzen, nur die
Angst verstärkend und generierend die uns immer mehr von der spontanen
Entscheidung, von dem ‚Tun‘ aus dem lebendigen Moment heraus abhält.
Dabei bedeutet das direkte, bewusste Tun als Entscheidung
keineswegs Verantwortungslosigkeit, sondern im Gegenteil, in der direkten,
selbstbestimmten Handlung liegt die Hingabe an die Entscheidung und damit die
selbstehrliche Verpflichtung ganz selbstverständlich für die Entscheidung
gerade zu stehen ganz egal wie der Ausgang auch sein wird. Denn abzusehen ist
er zu keinem Zeitpunkt, lediglich die offensichtlichen Konsequenzen
beispielsweise einer missbräuchlichen Entscheidung wie jemanden auszunutzen,
sich einen Vorteil aus der Notlage eines anderen zu verschaffen usw., die
Konsequenzen als das, was ihre Natur ist, nicht die detaillierte Geschichte.
Aber wenn ich selbstbestimmt gerade stehe für meine Entscheidungen, dann bin
ich selbst die Entscheidung und gleichermaßen stehe ich für die Konsequenzen.
Das ist wahrhaftige Verantwortung, das ist Vernunftgemäßes Leben, dem gesunden
Menschenverstand folgend. Kein Selbstbetrug, keine Verschleierung versteckter
Interessen und Motive, keine Selbstrechtfertigungsgründe für Aufschiebungen.
Die Entscheidung und die Konsequenzen der aus ihr
resultierenden Handlungen sind in keinem Moment voneinander getrennt. Es ist
ein und derselbe Kontext, ein und dieselbe Handlungskette. Das ist der Punkt
den man sich vergegenwärtigen muss. Keine Trennung, keine Isolation, keine
Freiheit von Verantwortung und Beteiligung. Die einzige Freiheit die zu
erlangen ist, ist die Erkenntnis der eigenen Selbstbestimmung als das Leben,
als die Existenz, als die Konsequenz. Die Fähigkeit die Programme des Bewusstseins
zu stoppen, zu dekonstruieren und sich selbst neu zu bestimmen.
Ich vergebe mir selbst, dass ich es mir erlaubt und es
zugelassen habe, Entscheidungen in meinem Leben aufgeschoben und gehofft zu
haben, ich könne der Verantwortung für meinen Lebensweg und meine Konsequenzen
als die Effekte meiner Handlungen entgehen indem ich mich für das aufschiebende
Verhalten unter dem Vorwand der Besorgnis um das Wohl anderer vor mir selbst gerechtfertigt habe und trotz
meines Wissens um die trügerische Legitimation dieser Argumentation an dem Aufschieben
festgehalten habe und es dadurch erlaubt und zugelassen habe, dass die
Konsequenzen meiner Entscheidung durch Verweigerung sowohl für mich und meine
Selbstbestimmtheit, als auch in vielen Fällen für andere beteiligte vermeidbar schädigend
waren.
Ich bestimme mich selbst als Mensch und als das Leben, im
Moment des Versuchs die Aufschiebungstaktig meines Bewusstseins, meines Denkens
starten zu lassen, mich den Programmen der selbstrechtfertigenden
Entschuldigungen und dem Vortäuschen falscher Motive hinzugeben, mich selbst zu
stoppen, zu atmen, mich hier in den Moment zurückzubringen und meinen Ängsten
gegenüberzutreten, mir kla zu machen, dass die Angst vor der
Lebensverantwortung eine konditionierte, antrainierte Angst und nicht real ist,
dass es in den Konsequenzen einer selbstbestimmt, am Leben ausgerichteten
Entscheidung die das Beste für alle Beteiligten berücksichtigt nichts zu
befürchten gibt, außer für die Person als Ego, für das Selbstinteresse der
Persönlichkeit als Geschichte und dass diese irrelevant angesichts der
selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Direktive des Lebens selbst ist.
Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 29.03.2013
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