Samstag, 23. März 2013

Tag0041 - Ist 'Entertainment' ein Ersatz für 'Unterhaltung'?



In diesem Post geht es um das unterschwellige Verlangen nach Unterhaltung, der Art von Unterhaltung die sich interessanter Weise am besten mit dem englischen Begriff 'Entertainment' bei uns verbreitet und so gar nichts mit dem deutschen Wort 'Unterhaltung' zu tun hat.
Vielleicht ist diese Übernahme der Wortbedeutung aus dem Amerikanischen aber gar nicht so abwegig und unverständlich wenn man genau darüber nachdenkt, da es durchaus sein kann, dass das Entertainment die Unterhaltung auch im wirklichen Leben ersetzt hat.
Unterhaltung als ein Gespräch zwischen zwei oder mehr Menschen, in dem man sich austauscht, sich unterhält indem man sich unterhält sozusagen, eine Situation in der man sich real begegnet und miteinander die Zeit verbringt, und zwar nicht indem man sich mit etwas anderem 'unterhält/entertaint', sondern sich selbst als Menschen genug ist ist ein lebendiger Moment, ist ein 'Geschehen' an dem alle als lebendige, aktive und gleichwertige Partner beteiligt sind und aus diser Situation können alle etwas gewinnen, sie hat Entwicklungspotential für alle beteiligten Menschen. Aber sie fordert eben auch genau das von jedem einzelnen, was er sich darus erhoffen kann, seinen persönlichen Einsatz, seine Teilnahme und damit auch seine Verantwortung. Aber das hört sich wieder so an, als sei das etwas negatives, etwas das anstrengend und unangenehm wäre. Und das ist auch genau das, was uns mehr und mehr suggeriert wird, dass Verantwortungsbewußtsein und Engagement etwas unangenehmes, anstrengendes und vor allem auch sinnloses sei. Natürlich ist es das nicht, wir glauben daran weil uns im Gegenzug für die Aufgabe unserer Entwicklungsfähigkeit und Selbstbestimmung ein mentaler Ersatz angeboten wird, der uns in unsere Vorstellungswelten, in unsere Fantasien entführt und uns dort mit energeitisch-emotionalen Reizreaktionen beschäftigt, die wir dann als aufregende und lohnenswerte Lebensmomente akzeptieren. Ein fader und billiger Ersatz für eigenständiges, vitales Leben in selbstbestimmter Verantwortlichkeit. Entertainment als ablenkender Erstz fungiert hier ganz genau so wie der Drogenrausch für einen der Realität und seiner Verantwortlichkeit entfliehenden Junkie. Wir sind also Entertainment Junkies gewirden und haben uns in dieser Weise wieder selbst eine Falle gestellt, indem das von uns selbst generierte System und umfunktioniert hat, indem es einen natürlichen und lebensfödernden Drang nach sozialem Austausch, gesellschaftlicher Verantwortung und Engagement mit dem Verlangen nach einer Ware, einem Konsumprodukt ersetzt, durch die systematische Umprogrammierung über persönlichkeitsspezifische Schnittstellen wie der Bequemlichkeit, dem Wunsch nach Komfort und der Angst vor Versagen.
Diese aversive Empfindung gegenüber tatsächlicher Unterhaltung, vor allem auch einer produktiven, gehaltvollen Unterhaltung, ist nahezu überall zu spüren und ebenso deutlich ist die Sucht nach kurzweiliger, ablenkender und die Belohnungssysteme des Hormonsystems ansprechender Unterhaltung, einer Dusche für die Sinne die die Wahrnehmung in eine damfende Wolke duftender Illusionen hüllt und das Selbst vor der Offenbarung der Wirklichkeit bewahrt.

Man muss sich einfach zwei Dinge fragen wenn es um das Thema Unterhaltung geht, erstens:

Wären die Systeme die heute unsere Welt bestimmen, in den Konsequenzen all unserer gesellschaftlich und kulturell akzeptierten Systeme, der Wertstrukturen und Mechanismen der Wirtschaft die sich in der weltweit verbreiteten Ausbeutung von Menschen und Tieren, der Versklavung der Bevölkerungen ganzer Länder, der Ungleichverteilung der lebensnotwendigen Ressourcen und dem daraus resultierenden Hunger und der Armut überhaupt möglich, wenn wir uns nicht als privilegierte Nutzer dieser Systeme ständig mit Entertainment berauschen und von den 'Bildern' der Wirklichkeit ablenken würden?

Und zweitens:

Warum wollen wir wirklich unsere Selbstbestimmung, unsere Eigenständigkeit und unser Leben aufgeben für kurzweilige, gedankliche Erlebnisvorstellungen die uns verkauft und fertig vorbereitet vorgesetzt werden von einer Industrie die nichts weiter im Sinn hat als kontinuierlich zu produzieren und zu verkaufen, worum auch immer es sich handelt?

Das Leben ist begrenzt, die Tage und Stunden vergehen unwiederbringlich als Chancen die Verantwortung und Selbstbestimmung für das Leben, als das Leben zu übernehmen. Die wirklichen Taten die wir vollbringen, und wenn es sich nur um eine Unterhaltung handelt in der wir uns aufrichtig, authentisch und eigenverantwortlich engagieren wirken auf das Leben und für das Leben, wir sind an ihnen beteiligt und stehen für sie und ihre Konsequnezen gerade. Sie sind lebendig. Die Momente in denen wir uns berieseln lassen, passiv, in denen wir uns 'ausklinken' und dem reinen Berauschen der Sinne hingeben sind zwar vielleicht in Maßen angenehm, können dazu genutzt werden Luft zu holen um sich danach wieder dem aktiven Leben hinzugeben, sie sind aber wenn sie zur hauptsächlichen oder gar einzigen Lebensbeschäftigung mit sich selbst, also in den Momenten in denen man 'frei' seine Zeit gestaltet, der sogenannten 'Freizeit', werden, tot Moment, ohne selbstbestimmte, eigens initiierte Wirkung auf das Leben. Konsequenzen haben sie durchaus, vor allem für das eigene Selbstempfinden, sie machen abhängig auch in der Selbstidentifikation, die mehr und mehr über "Images" der illusionär geprägten Bilderwelt einer medialen Kultur aufgebaut somit und zu einem Ausdruck eines Systemprogramms wird, ohne eigene Bestimmung, ohne eigenen Einfluß, ohne das eigene leben.
Wir sind aber zu dieser Passivität erzogen worden, wir sind konditioniert auf schnelle, energetische Erlebnisbefriedigung unserer Verlangen, ungeachtet der Gründe und Motive dieser Bedürfnisse. Und wir haben gelernt die Vernatwortung unserer Verhaltensweisen nicht anzunehmen, wir haben Angst vor eigenen Entscheidungen. Und um uns diese Angst nicht eingestehen zu müssen machen wir sie lächerlich. Wir finden andere Gründe uns nicht mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen, wie zum Beispiel unser Recht auf Vergnügen, unser verdientes 'Abschalten', die freie Nutzung unserer spärlichen Freizeit, weil wir ja schon so sehr belästigt sind in unserem Alltag, weil wir so viel unangenehmes in unserem Berufs- und Familienleben erdulden müssen, da können wir es uns nicht noch zumuten uns in unserer freien Zeit mit wichtigen, ernsthaften Dingen auseinanderzusetzen, Und auch eine sinnvolle Unterhaltung scheint da wesentlich weniger erquicklich als die hundertste Wiederholung der lieblingsserie im Fernsehen.

Sind wir aber in dieser Welt, angesichts der Umstände sozusagen in der Lage - egal wie spärlich unsere Freizeit auch sein mag, egal wie schwer und belastend unser Berufsleben auch ist - uns von der Verantwortlichkeit für das Leben, für unser eigenes und das aller anderen zu befreien, wenn wir uns wahrhaftig für denkende, bewußte und zur freien Entscheidung fähige Lebewesen halten?
Ich sage nein, sind wir nicht. Und ich sage auch, dass die Vorstellung das Einstehen für das Leben und die Eigenverantwortlichkeit seien etwas unangenehmes und belastendes eine reine konditionierte Illusion ist. Im Grunde sind die Akzeptanz der eigenen Verantwortlichkeit und die Unmengen an notwendiger Arbeit angesichts der katastrophalen Zustände in die wir Menschen das Leben überall auf der Erde gebracht haben heute die Motivationsgrundlagen und Antriebe die zu Selbstbestimmung, Selbstbewußtsein und Eigenstädnigem Leben führen. Wer immer noch den Sinn des eigenen Lebens in den käuflichen Bestimmungen eines korrupten, irrationalen, lebensverachtenden und ausschließlich an kurzfristigem Profit orientierten Konsumsystems sucht hat entweder erfolgreich die systemimmanenten Betäubungsstrategien des kontinuierlichen Entertainments genutzt, oder ist in der maroden, unprofessionellen und völlig desorientierten Persönlichkeitsbildung den Erziehungs- und Ausbildungsinstitutionen unserer Gesellschaftssysteme vollständig zum Opfer gefallen.

Es ist schwierig in dieser Kultur der Selbstbetäubung die Menschen noch dazu zu bringen sich mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen, zumal die Bilder der Wirklichkeit, die Zusammenhänge und Konsequenzen für das Leben nicht gerade 'berauschend' sind und nicht wirklich die 'Belohnungssysteme' unserer mentalen und emotionalen Persönlichkeitsstrukturen ansprechen.
Es ist nahezu unmöglich sie davon zu überzeugen, dass sie sich das 'Abschalten' und 'Ausklinken' eben nicht verdient haben, dass es ihnen nicht zusteht. Es kann ihnen auch nicht einfach abgesprochen werden, aber die Vorstellung, dass es die zustehe beinhaltet einen Verdienst, der die Verantwortlichkeit quasi neutralisiert, In Wirklichkeit aber ist es eine eigenverantwortliche Entscheidung zur Ignoranz. Die eigene Beteiligung am System so wie es ist, unter Befolgung aller Zwänge wie beispielsweise den beruflichen Zwängen während man die Konsequenzen ignoriert und keinerlei Engagement zeigt die Strukturen zu ändern, sich den Konsequenzen zu stellen, spricht einen nicht von der Verantwortlichkeit frei und ist somit auch kein Freischein für Eigennütziges Verhalten oder gar ein Verdienst. Diese Vorstellung dient lediglich der persönlichen Rechtfertigung vor dir elbst, und dass diese nötig ist beweist allein, dass etwas 'faul' sein muss an dieser Denkweise.

Ich selbst kenne dieses Denken und Empfinden sehr gut, ich habe einen großteil meines Lebens durch diese Selbstrechtfertigungsgedanken an die süchtigmachenden Unterhaltungsprogramme unserer Konsumkultur verrinnen lassen, habe mich selbst betrogen indem ich meine inneren Schuldgefühle, meine Unzufriedenheiten und den Zorn über meine scheinbare Hilflosigkeit mit kurzfristigen Rauschzuständen überspielen wollte, mit Erlebnissen, dem Gefühl der Belustigung, mit Spaßmedikamenten wie Alkohol, mit Spaßevents wie Parties und ähnlichen Beschwichtigungen des Gemüts.
Seit ich mich von der Sucht nach Entertainment Schritt für Schritt befreit und mir die Verblendung und die Tragweite der Selbstaufgabe und freiwilligen Versklavung vergegenwärtigt habe ist es mir unvorstellbar und bisweilen unerträglich geworden, mich mit Belanglosigkeiten zu beschäftigen, mich zu 'unterhalten' ohne aktiv zu sein, mich zu berauschen oder einfach nur zu vergnügen. Es gibt für mich heute nichts sinnvolleres und (er-)lebenswerteres mehr als mich - auch wenn es um relativ angenehme Beschäftigungen handelt, wie beispielsweise der Lektüre von Artikeln oder dem Ansehen von Dokumentationen oder investigativen Filmen - mit den Zusammenhängen und Zuständen der Wirklichkeit des Lebens auseinander zu setzen, um eben zu wissen, was es zu verändern gilt und wie inakzeptabel die Welt und unsere akzeptierten Syteme bereits sind.

Vergnügen am Leben, Freude am Leben, Spaß und Kurzweiligkeit sind mir nicht fremd und es geht nicht darum, diese Dinge zu verurteilen, aber das Bedürfnis nach ihnen rechtfertigt eben keine Verantwortungslose Ignoranz. Wir müssen als das Leben in Verantwortlichkeit zuerst dafür einstehen, dass es allen Menschen möglich wird, sich am Leben zu erfreuen, wir müssen die ungerechtfertigte Ungleichheit die wir gechaffen haben erst beseitigen und ein stabiles System der Gleichheit allen Lebens umsetzen, so dass alle gleichbereichtigt frei sich 'Unterhalten' und entfalten können, nicht auf Kosten anderer, sondern zum Wohle aller, im Sinn des Lebens.

Bastian Neumann / Ramstein / Deutschland / 23.03.2013



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