In diesem Post geht es um das unterschwellige Verlangen nach
Unterhaltung, der Art von Unterhaltung die sich interessanter Weise
am besten mit dem englischen Begriff 'Entertainment' bei uns
verbreitet und so gar nichts mit dem deutschen Wort 'Unterhaltung' zu
tun hat.
Vielleicht ist diese Übernahme der
Wortbedeutung aus dem Amerikanischen aber gar nicht so abwegig und
unverständlich wenn man genau darüber nachdenkt, da es durchaus
sein kann, dass das Entertainment die Unterhaltung auch im wirklichen
Leben ersetzt hat.
Unterhaltung als ein Gespräch zwischen
zwei oder mehr Menschen, in dem man sich austauscht, sich unterhält
indem man sich unterhält sozusagen, eine Situation in der man sich
real begegnet und miteinander die Zeit verbringt, und zwar nicht
indem man sich mit etwas anderem 'unterhält/entertaint', sondern
sich selbst als Menschen genug ist ist ein lebendiger Moment, ist ein
'Geschehen' an dem alle als lebendige, aktive und gleichwertige
Partner beteiligt sind und aus diser Situation können alle etwas
gewinnen, sie hat Entwicklungspotential für alle beteiligten
Menschen. Aber sie fordert eben auch genau das von jedem einzelnen,
was er sich darus erhoffen kann, seinen persönlichen Einsatz, seine
Teilnahme und damit auch seine Verantwortung. Aber das hört sich
wieder so an, als sei das etwas negatives, etwas das anstrengend und
unangenehm wäre. Und das ist auch genau das, was uns mehr und mehr
suggeriert wird, dass Verantwortungsbewußtsein und Engagement etwas
unangenehmes, anstrengendes und vor allem auch sinnloses sei.
Natürlich ist es das nicht, wir glauben daran weil uns im Gegenzug
für die Aufgabe unserer Entwicklungsfähigkeit und Selbstbestimmung
ein mentaler Ersatz angeboten wird, der uns in unsere
Vorstellungswelten, in unsere Fantasien entführt und uns dort mit
energeitisch-emotionalen Reizreaktionen beschäftigt, die wir dann
als aufregende und lohnenswerte Lebensmomente akzeptieren. Ein fader
und billiger Ersatz für eigenständiges, vitales Leben in
selbstbestimmter Verantwortlichkeit. Entertainment als ablenkender
Erstz fungiert hier ganz genau so wie der Drogenrausch für einen der
Realität und seiner Verantwortlichkeit entfliehenden Junkie. Wir
sind also Entertainment Junkies gewirden und haben uns in dieser
Weise wieder selbst eine Falle gestellt, indem das von uns selbst
generierte System und umfunktioniert hat, indem es einen natürlichen
und lebensfödernden Drang nach sozialem Austausch,
gesellschaftlicher Verantwortung und Engagement mit dem Verlangen
nach einer Ware, einem Konsumprodukt ersetzt, durch die systematische
Umprogrammierung über persönlichkeitsspezifische Schnittstellen wie
der Bequemlichkeit, dem Wunsch nach Komfort und der Angst vor
Versagen.
Diese aversive Empfindung gegenüber
tatsächlicher Unterhaltung, vor allem auch einer produktiven,
gehaltvollen Unterhaltung, ist nahezu überall zu spüren und ebenso
deutlich ist die Sucht nach kurzweiliger, ablenkender und die
Belohnungssysteme des Hormonsystems ansprechender Unterhaltung, einer
Dusche für die Sinne die die Wahrnehmung in eine damfende Wolke
duftender Illusionen hüllt und das Selbst vor der Offenbarung der
Wirklichkeit bewahrt.
Man muss sich einfach zwei Dinge fragen
wenn es um das Thema Unterhaltung geht, erstens:
Wären die Systeme die heute unsere
Welt bestimmen, in den Konsequenzen all unserer gesellschaftlich und
kulturell akzeptierten Systeme, der Wertstrukturen und Mechanismen
der Wirtschaft die sich in der weltweit verbreiteten Ausbeutung von
Menschen und Tieren, der Versklavung der Bevölkerungen ganzer
Länder, der Ungleichverteilung der lebensnotwendigen Ressourcen und
dem daraus resultierenden Hunger und der Armut überhaupt möglich,
wenn wir uns nicht als privilegierte Nutzer dieser Systeme ständig
mit Entertainment berauschen und von den 'Bildern' der Wirklichkeit
ablenken würden?
Und zweitens:
Warum wollen wir wirklich unsere
Selbstbestimmung, unsere Eigenständigkeit und unser Leben aufgeben
für kurzweilige, gedankliche Erlebnisvorstellungen die uns verkauft
und fertig vorbereitet vorgesetzt werden von einer Industrie die
nichts weiter im Sinn hat als kontinuierlich zu produzieren und zu
verkaufen, worum auch immer es sich handelt?
Das Leben ist begrenzt, die Tage und
Stunden vergehen unwiederbringlich als Chancen die Verantwortung und
Selbstbestimmung für das Leben, als das Leben zu übernehmen. Die
wirklichen Taten die wir vollbringen, und wenn es sich nur um eine
Unterhaltung handelt in der wir uns aufrichtig, authentisch und
eigenverantwortlich engagieren wirken auf das Leben und für das
Leben, wir sind an ihnen beteiligt und stehen für sie und ihre
Konsequnezen gerade. Sie sind lebendig. Die Momente in denen wir uns
berieseln lassen, passiv, in denen wir uns 'ausklinken' und dem
reinen Berauschen der Sinne hingeben sind zwar vielleicht in Maßen
angenehm, können dazu genutzt werden Luft zu holen um sich danach
wieder dem aktiven Leben hinzugeben, sie sind aber wenn sie zur
hauptsächlichen oder gar einzigen Lebensbeschäftigung mit sich
selbst, also in den Momenten in denen man 'frei' seine Zeit
gestaltet, der sogenannten 'Freizeit', werden, tot Moment, ohne
selbstbestimmte, eigens initiierte Wirkung auf das Leben.
Konsequenzen haben sie durchaus, vor allem für das eigene
Selbstempfinden, sie machen abhängig auch in der
Selbstidentifikation, die mehr und mehr über "Images" der
illusionär geprägten Bilderwelt einer medialen Kultur aufgebaut
somit und zu einem Ausdruck eines Systemprogramms wird, ohne eigene
Bestimmung, ohne eigenen Einfluß, ohne das eigene leben.
Wir sind aber zu dieser Passivität
erzogen worden, wir sind konditioniert auf schnelle, energetische
Erlebnisbefriedigung unserer Verlangen, ungeachtet der Gründe und
Motive dieser Bedürfnisse. Und wir haben gelernt die Vernatwortung
unserer Verhaltensweisen nicht anzunehmen, wir haben Angst vor
eigenen Entscheidungen. Und um uns diese Angst nicht eingestehen zu
müssen machen wir sie lächerlich. Wir finden andere Gründe uns
nicht mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen, wie zum Beispiel
unser Recht auf Vergnügen, unser verdientes 'Abschalten', die freie
Nutzung unserer spärlichen Freizeit, weil wir ja schon so sehr
belästigt sind in unserem Alltag, weil wir so viel unangenehmes in
unserem Berufs- und Familienleben erdulden müssen, da können wir es
uns nicht noch zumuten uns in unserer freien Zeit mit wichtigen,
ernsthaften Dingen auseinanderzusetzen, Und auch eine sinnvolle
Unterhaltung scheint da wesentlich weniger erquicklich als die
hundertste Wiederholung der lieblingsserie im Fernsehen.
Sind wir aber in dieser Welt,
angesichts der Umstände sozusagen in der Lage - egal wie spärlich
unsere Freizeit auch sein mag, egal wie schwer und belastend unser
Berufsleben auch ist - uns von der Verantwortlichkeit für das Leben,
für unser eigenes und das aller anderen zu befreien, wenn wir uns
wahrhaftig für denkende, bewußte und zur freien Entscheidung fähige
Lebewesen halten?
Ich sage nein, sind wir nicht. Und ich
sage auch, dass die Vorstellung das Einstehen für das Leben und die
Eigenverantwortlichkeit seien etwas unangenehmes und belastendes eine
reine konditionierte Illusion ist. Im Grunde sind die Akzeptanz der
eigenen Verantwortlichkeit und die Unmengen an notwendiger Arbeit
angesichts der katastrophalen Zustände in die wir Menschen das Leben
überall auf der Erde gebracht haben heute die Motivationsgrundlagen
und Antriebe die zu Selbstbestimmung, Selbstbewußtsein und
Eigenstädnigem Leben führen. Wer immer noch den Sinn des eigenen
Lebens in den käuflichen Bestimmungen eines korrupten, irrationalen,
lebensverachtenden und ausschließlich an kurzfristigem Profit
orientierten Konsumsystems sucht hat entweder erfolgreich die
systemimmanenten Betäubungsstrategien des kontinuierlichen
Entertainments genutzt, oder ist in der maroden, unprofessionellen
und völlig desorientierten Persönlichkeitsbildung den Erziehungs-
und Ausbildungsinstitutionen unserer Gesellschaftssysteme vollständig
zum Opfer gefallen.
Es ist schwierig in dieser Kultur der
Selbstbetäubung die Menschen noch dazu zu bringen sich mit der
Wirklichkeit auseinander zu setzen, zumal die Bilder der
Wirklichkeit, die Zusammenhänge und Konsequenzen für das Leben
nicht gerade 'berauschend' sind und nicht wirklich die
'Belohnungssysteme' unserer mentalen und emotionalen
Persönlichkeitsstrukturen ansprechen.
Es ist nahezu unmöglich sie davon zu
überzeugen, dass sie sich das 'Abschalten' und 'Ausklinken' eben
nicht verdient haben, dass es ihnen nicht zusteht. Es kann ihnen
auch nicht einfach abgesprochen werden, aber die Vorstellung, dass es
die zustehe beinhaltet einen Verdienst, der die Verantwortlichkeit
quasi neutralisiert, In Wirklichkeit aber ist es eine
eigenverantwortliche Entscheidung zur Ignoranz. Die eigene
Beteiligung am System so wie es ist, unter Befolgung aller Zwänge
wie beispielsweise den beruflichen Zwängen während man die
Konsequenzen ignoriert und keinerlei Engagement zeigt die Strukturen
zu ändern, sich den Konsequenzen zu stellen, spricht einen nicht von
der Verantwortlichkeit frei und ist somit auch kein Freischein für
Eigennütziges Verhalten oder gar ein Verdienst. Diese Vorstellung
dient lediglich der persönlichen Rechtfertigung vor dir elbst, und
dass diese nötig ist beweist allein, dass etwas 'faul' sein muss an
dieser Denkweise.
Ich selbst kenne dieses Denken und
Empfinden sehr gut, ich habe einen großteil meines Lebens durch
diese Selbstrechtfertigungsgedanken an die süchtigmachenden
Unterhaltungsprogramme unserer Konsumkultur verrinnen lassen, habe
mich selbst betrogen indem ich meine inneren Schuldgefühle, meine
Unzufriedenheiten und den Zorn über meine scheinbare Hilflosigkeit
mit kurzfristigen Rauschzuständen überspielen wollte, mit
Erlebnissen, dem Gefühl der Belustigung, mit Spaßmedikamenten wie
Alkohol, mit Spaßevents wie Parties und ähnlichen Beschwichtigungen
des Gemüts.
Seit ich mich von der Sucht nach
Entertainment Schritt für Schritt befreit und mir die Verblendung
und die Tragweite der Selbstaufgabe und freiwilligen Versklavung
vergegenwärtigt habe ist es mir unvorstellbar und bisweilen
unerträglich geworden, mich mit Belanglosigkeiten zu beschäftigen,
mich zu 'unterhalten' ohne aktiv zu sein, mich zu berauschen oder
einfach nur zu vergnügen. Es gibt für mich heute nichts
sinnvolleres und (er-)lebenswerteres mehr als mich - auch wenn es um
relativ angenehme Beschäftigungen handelt, wie beispielsweise der
Lektüre von Artikeln oder dem Ansehen von Dokumentationen oder
investigativen Filmen - mit den Zusammenhängen und Zuständen der
Wirklichkeit des Lebens auseinander zu setzen, um eben zu wissen, was
es zu verändern gilt und wie inakzeptabel die Welt und unsere
akzeptierten Syteme bereits sind.
Vergnügen am Leben, Freude am Leben,
Spaß und Kurzweiligkeit sind mir nicht fremd und es geht nicht
darum, diese Dinge zu verurteilen, aber das Bedürfnis nach ihnen
rechtfertigt eben keine Verantwortungslose Ignoranz. Wir müssen als
das Leben in Verantwortlichkeit zuerst dafür einstehen, dass es
allen Menschen möglich wird, sich am Leben zu erfreuen, wir müssen
die ungerechtfertigte Ungleichheit die wir gechaffen haben erst
beseitigen und ein stabiles System der Gleichheit allen Lebens
umsetzen, so dass alle gleichbereichtigt frei sich 'Unterhalten' und
entfalten können, nicht auf Kosten anderer, sondern zum Wohle aller,
im Sinn des Lebens.
Bastian Neumann / Ramstein /
Deutschland / 23.03.2013
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