Dienstag, 7. Mai 2013

Tag0074 – Nicht sein

Pensiero / Foter.com / CC BY-NC-ND




Nachträglich aus dem Handschriftlichen

Blog vom 25.04.2013

Nichts zu sein, ein Niemand zu sein – unmöglich, denn man wird immer von irgend jemandem zu irgendwem gemacht. Es sei denn, man würde es schaffen sich gänzlich aus der menschlich-sozialen Welt zurückzuziehen, was aber wiederum voraussetzen würde, dass man es schafft die zwangsläufig erhaltene Prägung und Kategorisierung der eigenen, persönlichen Existenz in der Phase bedingter, existenzieller Abhängigkeit sozusagen während der ‚Aufzucht‘ zu überwinden und zu transformieren in- Nichts. 

Aber es ist gut nicht zu wissen wer man ist. Ich habe es nie wirklich gewußt und mich selbst immer wieder dazu gezwungen, mein Leben lang unter dieser Tatsache zu leiden. Dieses Leiden hätte schon früh ein Ende nehmen und meinen Blick auf mich und das Leben hätte sich klären können, aber ich war zu verbohrt, zu verbissen und zu ängstlich loszulassen. Ich wollte wissen, ganz sicher sein wer ich bin und wozu ich hier bin. Das allein mag ja auch nicht verwundern wenn man bedenkt, dass die Grundlage und der Ausgangspunkt dieser Suche nach dem „wer bin ich?“ als selbstverständlich gegeben hingenommen wird, obwohl er eben eine reine Übereinkunft, ein Glaube und letztlich eine Einbildung ist, nämlich derart, dass diese Welt, die menschliche Kultur und Gesellschaft natürliche, unabdingbare und alternativlose Systeme seien und dass die Art und Weise der Selbstwahrnehmung als „Ich“, als Person und persönliche Geschichte, als Separat, abgetrennt „erlebend“ und „beobachtend“ die absolute und einzig richtige, gesunde Selbstidentifikation des Menschen sei, dann wird deutlich warum eine solche Suche erfolglos und frustrierend verlaufen muss.

Die Suche nach der unumstößlichen Sicherheit von einem imaginären Standpunkt der Selbstwahrnehmung aus, der jederzeit erschüttert, umgeworfen und zerstört werden kann ist sinnlos und führt weit, weit weg von der eigentlichen Ursächlichkeit dieser Sehnsucht überhaupt. Durch diese fehlgeleitete Suche lassen sich die absurdesten kulturellen, gesellschaftlichen Werte und Strukturen, vor allem aber auch die ihnen allen eigene Wirkungslosigkeit erklären.

Von den frauenverachtenden Kulturen und Religionen über die rassistischen Ideologien bis zu dem alles Leben verachtenden, mächtigsten System, dem kapitalistischen Profitsystem, all diese ideologischen Verblendungen polarisieren die Welt mit Angst, Hetzerei und versprechen scheinheilige Sicherheit unter bestimmten Bedingungen, irgendwann, , in der Zukunft. Alle basieren sie auf Angst und Hoffnung und binden den Menschen and systematische Bedingungen. Die Hoffnungen werden aus den oben bereits erwähnten Gründen niemals erfüllt werden und die Systeme der gedanklichen Bindung durch Hoffnung bestehen immer weiter aufgrund der hierarchischen Struktur, aufgrund der Tatsache, dass ebenso ängstiche, nach Sicherheit strebende Menschen die mächtigen Positionen  dieser Systeme besetzen und ihre scheinbar gesicherte Stellung nun um alles in der Welt verteidigen müssen und wollen.

In dieser Welt gibt es keine Identität, keine authentische Selbstwahrnehmung. Hier gibt es nur Rollen, vorgegebene oder aufgezwungene Scheinidentitäten.

Das Leben selbst ist das, was wir wirklich sind. Nicht das „Ich“, die persönliche Geschichte, die aus konstruierten, geborgten Szenarien zusammengesetzt und auf der Leinwand des Bewußtseins abgespielt wird. Als das Leben sind wir eine Einheit, sind das Leben und diese Existenz.

Es ist gut, nicht zu wissen wer man ist.





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